Nationaltheater

Mannheimer Nationaltheater: Warum „Opal“ teurer wird und der Bau länger braucht

Das Mannheimer Nationaltheater will nach der Insolvenz der Baufirma die Ersatzspielstätte für die Oper selbst weiterbauen - und dafür einen Kredit aufnehmen. Doch es gibt erneut Probleme

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Peter W. Ragge
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Die Baustelle ruht derzeit: die „Oper am Luisenpark“, „Opal“ genannt, an der Theodor-Heuss-Anlage. Das Theater will sie fertigbauen – was teurer wird. © Thomas Tröster

Mannheim. 6,3 Millionen Euro mehr – so viel veranschlagt das Nationaltheater nun für die Ersatzspielstätte „Oper am Luisenpark“, kurz „Opal“ genannt. Nach dem Konkurs der Baufirma will das Nationaltheater das Projekt selbst fertigbauen und dafür einen Kredit aufnehmen. Der Bau wird sich, wenn der Gemeinderat dem am 20. Juni zustimmt, aber länger hinziehen – wohl bis Sommer 2024. Die Informationen dazu sowie zu einer Verzögerung der gesamten Generalsanierung bekam er am Dienstagabend hinter verschlossenen Türen.

Am 17. Dezember 2022 sollte sich eigentlich bereits erstmals der Vorhang in der Ersatzspielstätte auf dem früheren Oktoberfestplatz an der Theodor-Heuss-Anlage heben. Dieser Termin wurde dann auf April 2023 verschoben – und ließ sich wieder nicht halten. Ende November 2022 meldete die Firma metron Vilshofen GmbH, die als Totalunternehmer die gesamte Verantwortung getragen hatte, Insolvenz an.

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Eigentlich wähnte sich die Stadt auf der sicheren Seite. Die Firma sei „ein international agierendes und bis dahin renommiertes Unternehmen“ und habe „Gewähr für eine sachgerechte und qualitätsvolle Leistungserfüllung“ geboten, so die Vorlage für den Gemeinderat. Doch die Stadt täuschte sich.

Weiterbau „alternativlos“

Seit der Insolvenz und bis zum endgültigen Beschluss steht die Baustelle still. Es hätten „nur Sicherungsmaßnahmen stattgefunden“, sagt Marcus Augsburger, Technischer Betriebsleiter der Generalsanierung. Das betraf Arbeiten zur Standsicherheit und Abdichtungen am Dach. Denn Teil der Insolvenzmasse ist der halbfertige Bau nicht – ob die Stadt aber weitere Ansprüche geltend machen kann, ist auch offen. Als die Stadt einen Großteil der als Festpreis verabredeten Summe von pauschal 16,1 Millionen Euro überwies, veranlasste sie jedoch wenigstens eine Sicherungsübereignung. „Sonst hätten wir jetzt keinen Zugriff darauf“, stellt Augsburger klar. Zugleich prüfte das Nationaltheater, ob es den Bau selbst fertigstellen kann.

Bauarbeiten am Goetheplatz: Im Innern läuft die Entkernung, auf dem Vorplatz sind die Arbeiten im Gange, um unterirdischneue Proberäume zu schaffen. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Nun hat Kulturbürgermeister Michael Grötsch dem Hauptausschuss und dem Kulturausschuss das Ergebnis dieser Prüfung unterbreitet. Danach ist der Weiterbau möglich und, so Grötsch, „alternativlos“.

Zunächst gab es eine juristische Hürde – nämlich die Frage, ob das ganze Projekt neu ausgeschrieben werden muss. Das kann aber, so Grötsch, entfallen, weil die von metron beauftragten Firmen ja bereits – so nennen Juristen das – mit dem Projekt „vorbefasst“ seien. „Deshalb gehen wir davon aus, dass wir auf eine Ausschreibung verzichten können“, so der Bürgermeister.

Mängel am Bau

Nach der formalen kam aber die technische Hürde: Lässt sich der Bau überhaupt fertigstellen, und das trotz fehlender und nicht mehr in Aussicht stehender Unterlagen von metron? Die Antwort des Gutachters fiel positiv aus, „allerdings ohne Aussicht auf die gängigen Gewährleistungsansprüche“, wie der Gemeinderat in einem Nebensatz erfuhr.

Ein Prüfstatiker habe festgestellt, dass sich der Bau „mit vertretbarem Aufwand“ fertigstellen lasse: „Grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf die Standsicherheit des Tragwerks bestehen nicht.“

Mängel allerdings gibt es schon: Die bis zur Insolvenz geleisteten Bau- und Montagearbeiten seien „in Teilbereichen fehlerhaft ausgeführt“ und „relevante Planungsleistungen, die für ein mängelfreies und genehmigungsfähiges Gebäude erforderlich gewesen wären, durch metron gar nicht beauftragt bzw. von den Planern aufgrund offener Forderungen nicht erbracht“ worden.

Zahlen zur Sanierung

  • Die Generalsanierung des von 1957 stammenden Spielhauses des Nationaltheaters am Goetheplatz kostet nach der letzten Kostenberechnung 247,08 Millionen Euro.
  • Bundesregierung und Landesregierung haben dafür Zuschüsse von 120 Millionen Euro zugesagt.
  • Dazu kommen Infrastruktur- und Logistikmaßnahmen sowie die Sanierung und der Ausbau des Probebühnenzentrums in Neckarau für 40 Millionen Euro und – bisher – 33,9 Mio. Euro für Ersatzspielstätten.
  • Zunächst war von vier Jahren Bauzeit ausgegangen worden. 

„Die Mängel sind aber nicht so gravierend, dass nicht weitergebaut werden kann“, versichert Marcus Augsburger. Die Stahlhalle ist fertig, Bühne und Drehbühne sind montiert, das Foyer ist zu zwei Dritteln komplett, „aber es fehlen Stühle, der komplette Innenausbau, die Technik“, so Augsburger. Schon vor ihrer Insolvenz hatte die Firma metron Mitte 2022 gegenüber der Stadt darauf hingewiesen, dass sie mit dem vereinbarten Festpreis nicht auskommt – wegen der massiven Kostensteigerungen im Bausektor. Die Stadt konnte das zwar im Detail nicht mehr prüfen, geht aber nach dem Grundsatz des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage“ davon aus, dass sie dem hätte nachgeben müssen – auf bis 21,8 Millionen Euro. Nun, nach erneuter Planung und Berechnung, rechnet das Theater damit, dass das gesamte Projekt 22,7 Millionen kostet.

„Aber was wäre denn die Alternative?“, fragt Grötsch – und gibt gleich die Antwort: „Wenn wir nicht weiterbauen, müssten wir die bisher ausgegebenen Millionen in die Tonne kicken und stünden ganz ohne Ersatzspielstätte da – das kann nicht sein“, argumentiert Grötsch. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung stellt daher die erhöhten Kosten eines Weiterbaus den Risiken beim Abriss des unfertigen Projekts gegenüber. Ohne „Opal“ könnten viele Veranstaltungen aus dem Bereich Oper und Tanz nicht stattfinden, was Einnahmeausfälle, Besucherschwund und Rückgang der Abonnements ebenso bedeuten würde wie eine „nachhaltige Bedrohung des Repertoire- und Ensemblebetriebs“ bis zur Wiedereröffnung sowie die Gefahr, dass Bundes- und Landeszuschüsse für die Theatersanierung zurückzuzahlen sind, so die Stadt.

Später weiterverkaufen

Noch etwas erhöht laut Grötsch die Wirtschaftlichkeit: Auch wenn „Opal“ erst Mitte 2024 fertig wird, wird es doch auch länger gebraucht – da sich die gesamte Generalsanierung länger hinzieht. Das liegt an einer „hohe Anzahl an Schadstofffunden und Anomalien“, so Augsburger, die auch bei den Folgegewerken für deutliche Verzögerungen sorgten und damit einer Wiederaufnahme des Spielbetriebs erst zur Spielzeit 2028/2029 zu rechnen sei – ein Jahr später als geplant. Daher ist es für Tilmann Pröllochs, den Geschäftsführenden Intendanten, „umso wichtiger, dass wir zuende bauen und damit unserem Publikum eine Opernheimat bieten können“. Ebenso spricht laut Grötsch dafür, „Opal“ fertigzustellen, dass große Teile ein Fertigbau aus Stahlelementen sind. Der Kulturbürgermeister sieht daher „große Chancen auf eine Verwertbarkeit“, sprich: Mannheim könne „Opal“ 2028 an andere Städte verkaufen, die ihre Theater sanieren müssten: „Da gibt es ja einige!“

Redaktion Chefreporter

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