Mannheim. Dieses leuchtfarbene Plakat – es fällt sofort ins Auge, weil daran so viele Erinnerungen hängen. Es wirbt für das Deutsch-Amerikanische Volksfest, es erinnert an American Ice Cream, an Hot Dogs, an Bullenreiten. Seit 2011 gibt es das nicht mehr in Mannheim, aber nun tauchen Plakate dafür in der U-Halle auf, in der Blumenhalle Floristik. In der Ausstellung „Attention!“ wird an die Ära der Amerikaner erinnert. Es ist die einzige von insgesamt 19 Blumenhallenschauen, die eine Mannheimer Floristin gestaltet: die Feudenheimerin Stephanie Büchler.
„Ich habe gehadert, ob ich das machen soll“, gesteht Büchler. Erst im November hat sie erfahren, dass sie auserwählt ist, diese Ausstellung zu arrangieren – als Ersatz für einen Kollegen, der den Auftrag abgeben musste. Es ist eine besondere Ausstellung: Eröffnung kurz vor Muttertag, wenn alle Floristen ausgelastet und Blumen besonders teuer sind. Und das Thema hat die Bundesgartenschau ihr, wie bei allen Hallenschauen, vorgegeben.
Persönliche Erinnerungen
„Aber es ist ein tolles Thema, ein toller Auftrag“, sagte sie sich dann –– denn sie ist genau die Richtige dafür. 1974 geboren und in Feudenheim aufgewachsen, hat sie die Entwicklung der Spinelli-Kaserne persönlich erlebt. „Ich erinnere mich noch an die Soldaten, die um die Kaserne herum joggen gegangen sind, und ein Freund meiner Eltern hat dort gearbeitet – und nicht darüber sprechen dürfen, denn es war ja alles geheim“, weiß sie noch: „Ich bin mit den Amis groß geworden.“
Allein ging die Feudenheimer Floristmeisterin, die in einem alten Kiosk am Fuß des Wasserturms ihre Werkstatt „Grünzone“ hat, den großen Auftrag aber nicht an. Mit ihr gestaltete die Floristmeisterin Petra Schwörer, die aus dem Schwarzwald stammt und schon lange in Schifferstadt lebt, die florale Installation. Beide arbeiten auch sonst oft bei Events zusammen. Die Monate, die ihnen bei der Vorbereitung fehlten, haben sie durch die große Erfahrung und ihr Netzwerk an professionellen Dekorateuren und Lieferanten ausgeglichen.
„Wir haben versucht, uns viele Gedanken im Detail zu machen“, sagt Stephanie Büchler – und das sieht, das spürt man. Auch wenn sie und Petra Schwörer insgesamt 2800 frische Schnittblumenstiele, darunter besonders viele Nelken, und über 2000 Pflanzen verarbeitet, arrangiert und drapiert haben, so ist es doch keine reine Blumenschau geworden. Vielmehr gelang dem Floristinnen-Duo auf 950 Quadratmetern eine sehr interessante, kleine zeitgeschichtliche Ausstellung mit vielen Zitaten, Original-Exponaten und einer Gestaltung, die auch den Wandel der Rolle der Amerikaner von den Besatzern zu Verbündeten und Freunden, aber manchmal auch schwierigen Freunden zeigt.
Stiefel im Baum
Die Ausstellung beginnt mit Backsteinen, zerbröseltem Kalk, mit ein paar Trümmern – stammend von Abbrucharbeiten auf Spinelli. Das alles steht symbolisch für das Kriegsende, die Besatzung, den Wiederaufbau. Das Porzellan der Großmutter von Stephanie Büchler ist ein Hinweis auf das beginnende Wirtschaftswunder, dazwischen gibt es Fotos und alte Zeitungen, alte Koffer als Zeichen für Flucht und Vertreibung oder Nylonstrumpfhosen, mit denen die Soldaten die deutschen „Frolleins“ beschenkt haben, auch wenn sie offiziell lange gar keinen Kontakt haben durften . . .
Was auffällt, sind viele Türen und Fensterrahmen. „Sie sind ein Sinnbild, dass sich in der Zeit viele Türen schließen, aber auch wieder öffnen“, sagt Büchler. Ein besonderer Glücksfall: Ihr Mann ist Architekt, baut in Feudenheim gerade ein Haus um, das zur Besatzungszeit von Amerikanern bewohnt war. Heute weiß ja kaum noch jemand, dass es in dem Stadtteil bis Mitte der 1950er Jahre eine „Residential Area“ gab, wo US-Soldaten in beschlagnahmten Wohnungen lebten, mit eigenem Supermarkt und Tanzclub.
Stichwort schwierige Freunde – dazu passt das Thema „Panzerwald“, das intensiv genutzte Übungsareal der US-Armee im Käfertaler Wald. Aus Bäumen der Baumschule Huben haben Stephanie Büchler und Petra Schwörer mehrere Waldstreifen nachempfunden, wo dann eben Cola-Dosen und Flaschen amerikanischer Herkunft herumliegen, manches abgerissene Kettenglied von Panzern, halb verrostete Kisten aus Militärbeständen. Und in einem Baum hängt tatsächlich ein Stiefel. „Die Amerikaner haben oft an ihrem Dienstende ihre Stiefel in Bäume geworfen, oft noch mit Zettelchen mit Botschaften für den Finder“, weiß Büchler.
Das Deutsch-Amerikanische Volksfest hat sie sehr positiv in Erinnerung. Viele Blechdosen, aus denen Blumen sprießen, stehen für das dort übliche Dosenwerfen. „Es ist ein Sinnbild dafür, wie gut man miteinander gefeiert hat“, so Büchler.
Doppelte Goldmedaille
Viele Exponate sind Originale, die auf Gefahren im Wald hinweisenden Schilder „Danger“ etwa oder die Tafeln, die an Kasernenzäunen den „Militärischen Sicherheitsbereich“ abgrenzten („Vorsicht Schusswaffengebrauch!“) Dafür sind die beiden Floristmeisterinnen Marvin Kuhn dankbar. Er arbeitet bei der städtischen Projektentwicklungsgesellschaft MWSP auf dem Franklin-Gelände. Sein Vater war amerikanischer Soldat, seine Mutter bei der Armee beschäftigt. Er engagiert sich heute für das Projekt „Memories“, sammelt Erinnerungsstücke an die US Army. „Er hat uns toll unterstützt“, so Büchler dankbar. Andere Exponate hat sie über Second-Hand-Kaufhäuser besorgt oder gemietet. „Wir wollen ja nachhaltig arbeiten, möglichst nichts wegwerfen nach der Ausstellung.“
Bei den Blumen wird das schwierig – weil Pfingsten einbezogen wird, ist „Attention“ die mit 17 Tagen Laufzeit längste Hallenschau der Buga. „Wir haben schon auf haltbare Schnittblumen geachtet, werden aber wohl einen Teil zwischendurch austauschen müssen“, nimmt Petra Schwörer an.
Aber sehr zufrieden sein dürfen die beiden Floristmeisterinnen mit ihrer fantasievoll inszenierten Ausstellung, die ja auch – wie bei den als „Olympiade der Gärtner“ geltenden Gartenschauen üblich – bewertet worden ist. Sowohl für die, so die Juroren, „Verbindung der stilistischen Einheit, die gezielt ausgewählten Dekorationselemente und die Umsetzung des Themas“ als auch für „die künstlerisch, floristisch und symbolisch sehr professionell umgesetzten, historisch konnotierten Einzelthemen mit hohem ästhetischem Anspruch“ erhielten sie gleich zwei Goldmedaillen – und dazu den Ehrenpreis des Fachverbands Deutscher Floristen.
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