Der Ort, den sich Nina Wellenreuther und Daniel Bockmeyer zum Fotografieren ausgesucht haben, ist keine große Überraschung: Der Radschnellweg auf Spinelli ist schließlich nicht nur ein Symbol für die Mobilitätswende. Die Spitzenkandidaten der Grünen sind auch selbst leidenschaftliche Fahrradfahrer, wie sie sagen.
Nina Wellenreuther und Daniel Bockmeyer sind auf den ersten Blick ein eher ungleiches Duo an der Spitze der Grünen-Liste. Der eine ist als berufstätiger Familienvater Ende 40 ein in der vordersten Reihe der Kommunalpolitik noch recht unbeschriebenes Blatt. Bockmeyer sitzt weder im Gemeinderat noch in einem Parlament. Er füllt auch keine hohen Parteiämter aus. Als Quartiersmanager in der Schwetzingerstadt will Bockmeyer vor allem Erfahrungen in der Sozialpolitik in den Gemeinderat einbringen.
Spitzenduo der Grünen-Liste
- Nina Wellenreuther wurde in Mannheim geboren und ist 27 Jahre alt. Sie studiert in Darmstadt Umweltingenieurwesen im letzten Bachelor-Semester. Sie plant, einen Master anzuschließen und auch nach ihrem Studium in Mannheim zu bleiben.
- Vor ihrem Studium absolvierte Wellenreuther eine Ausbildung als Medienkauffrau bei der HAAS Mediengruppe, der auch der „Mannheimer Morgen“ angehört.
- Wellenreuther wurde 2019 in den Gemeinderat gewählt und führt seit 2022 gemeinsam mit Stefanie Heß die Grünen-Fraktion an.
- In ihrer Freizeit ist sie gerne auf Inlinern in der Natur unterwegs oder ist bei Handballspielen des TV Friedrichsfeld auf der Tribüne.
- Daniel Bockmeyer ist 49 Jahre alt und wurde in Grünstadt geboren. Er lebt seit 1998 in Mannheim.
- Bockmeyer leitet das Quartierbüro in der Schwetzingerstadt und engagiert sich auf kommunaler und auf Landesebene beim Deutschen Roten Kreuz.
- Bockmeyer ist verheiratet und Vater eines Sohns. Neben Zeit mit seiner Familie verbringt er Freizeit gerne im Pfälzer Wald oder mit Sport.
- Bockmeyer wandert gerne, reist in die Berge und hört Punk. „Punk bedeutet für mich Machen und Entwickeln und nicht jahrelanges Projektieren, Zerreden und nicht in die Gänge kommen“, sagt er.
Der Mann mit den auffällig grau-weißen Haaren, den Ohrringen und dem pfälzischen Dialekt ist diskussionsfreudig. Respekt oder gar Angst vor der Arbeitsbelastung als Stadtrat hat er nicht. „Dafür gibt es keinen Grund“, antwortet er und fügt dieser noch eine, wie er sagt, „klassische Antwort eines Grünen“ hinzu: „Das einzige, vor was ich großen Respekt und ein bisschen Angst habe, sind die Auswirkungen des Klimawandels.“ Die würden sich schon jetzt mit Wetterkapriolen oder vielen Hitzetagen im Sommer zeigen.
Grüne wollen Parkleitsystem und Radwege in Mannheim ausbauen
Wellenreuther dagegen hat mit Mitte 20 bereits eine vergleichsweise steile Karriere hinter sich. Erst seit 2019 im Gemeinderat führt sie dort bereits die größte Fraktion - und nun ihre Partei als Spitzenkandidatin in die Kommunalwahl. Die Studentin aus Seckenheim gilt als politisches Talent. Oder ist sie vielleicht schon mehr als das?
Wie dem auch sei. Fünf Jahre Gemeinderat sind ihr nicht genug. „Ich bin hier noch nicht fertig und misch’ den Laden auf“, singt Nina Chuba im Song „Nina“. In einem Video auf Instagram ist der Song zu hören, während Wellenreuther gut gelaunt durch die Stadt läuft. „Für mich steht fest, dass wir Mannheim klimaneutral machen wollen“, sagt sie im Gespräch. „Ob wir das 2030 oder 2031 erreichen, ist nicht so wichtig. Hauptsache, wir kommen jetzt mal voran.“ Die Grundlagen dafür seien etwa mit dem Klimaschutzaktionsplan gelegt.
Dass Wellenreuther und Bockmeyer unterschiedliche Hintergründe haben, ist gewollt. Die Grünen möchten mit einer heterogenen Mischung auf den ersten vier Plätzen ihrer Liste - Umweltpolitikerin Gabriele Baier und der wirtschaftsaffine Chris Rihm komplettieren das Quartett - möglichst viele Schichten ansprechen. Die Wahl steht aber unter für sie schwierigen Vorzeichen: Die politische Stimmung und der negative Bundestrend bereiten auch den Mannheimer Grünen Sorge. Standen vor fünf Jahren die Folgen des Klimawandels noch im Fokus der Debatten, habe sich das geändert, sagt Wellenreuther. „Die Argumente, die die rechte Seite des Gemeinderats anführen, machen wenn überhaupt nur kurzfristig Sinn. Die Folgen des Klimawandels sind langfristig und gefährden uns alle.“
Wir wollen nicht ganz Mannheim autofrei machen.
Zurück zum Radschnellweg auf Spinelli und damit thematisch zur Mobilitäts- und Verkehrswende. „Wir wollen nicht ganz Mannheim autofrei machen“, stellt Wellenreuther klar. Dennoch müsse man diskutieren, wie viel Platz man - vor allem parkenden - Autos einräumen wolle. Der Verkehrsversuch sei von Anfang an zerredet und die Innenstadt schlechtgemacht worden. „Irgendwann hat man gesagt, man könne wegen des Verkehrsversuchs nicht mehr in die Innenstadt fahren - und dann ist auch niemand mehr gekommen.“ Für Wellenreuther sei das eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Eine bessere Luftqualität, weniger Lärm, mehr Platz für Außengastronomie und mehr Innenstadterlebnisse wie Fußgängerzonen sprechen laut Wellenreuther und Bockmeyer für „punktuell“ weniger Autoverkehr in der Innenstadt - beispielsweise in der Kunststraße -, aber auch in den Stadtteilen. „Mit einem funktionierenden Parkleitsystem, über das in Mannheim gefühlt seit 150 Jahren diskutiert wird, wäre schon viel geholfen“, sagt Bockmeyer. Zudem müssten Fahrradwege ausgebaut werden. „In der Innenstadt sind die teilweise lebensgefährlich“, kritisiert er im Gespräch.
Nach dem Gespräch und vor der Veröffentlichung dieses Textes ist Bockmeyer verunglückt. Ein Auto hat ihn vergangene Woche in der Nähe des Rosengartens auf dem Fahrrad erfasst. Dank schneller Versorgung hat Bockmeyer den Genickbruch wohl ohne große Folgeschäden überstanden, teilt er auf Nachfrage hin mit, bittet aber ausdrücklich darum, den Unfall nicht zum Hauptthema zu machen. Er wolle ihn nicht zum Polarisieren nutzen.
Stadtteilzentren für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt in Mannheim
In der Stadt gibt es ja auch sowieso noch mehr Themen. Immer wieder verweist Bockmeyer im Gespräch auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Nicht nur mit Blick auf eine starke politische Polarisierung. Aufgrund seiner Erfahrungen als Quartiersmanager mache er sich Sorgen um das alltägliche Miteinander. Gerade mit Blick auf die heterogene Stadtbevölkerung brauche jeder Stadtteil ein eigenes Zentrum, das „professionell“ begleitet und finanziell vernünftig ausgestattet wird. Hier könnten Menschen zusammenkommen und aufeinanderzuzugehen. Verwaltung und Politik könnten für mehr Verständnis und Vertrauen werben, hofft Bockmeyer.
VideoKommunalwahl 2024 Grüne Short
Apropos Verständnis: Wie stehen die beiden zu den Kosten rund um die Sanierung des Nationaltheaters? Man habe sich nun mal auf den Weg der Sanierung gemacht, antworten sie unisono. „Die Kosten sind aber ausgeufert. Deshalb müsste man - auch mit Blick auf Finanzierung und Leistung der freien Szene - irgendwann mal ein Ende finden“, sagt Bockmeyer. Wellenreuther hält sich mit einer klaren Antwort zunächst bedeckter. Auch wegen der generell angespannten finanziellen Lage der Stadt müsse man sich im nächsten Gemeinderat aber noch Fragen stellen, gibt sie schließlich zu Protokoll. „Das sollen aber die machen, die in der Kulturpolitik mehr Kompetenzen vorweisen können als ich.“
Finanzielle Mittel sind rar. Braucht es dann eine neue Bibliothek? Ja, sagen Wellenreuther und Bockmeyer. Ein Neubau helfe der Bildungsgerechtigkeit und gegen den Fachkräftemangel. Bildung werde vor allem von Jugendlichen wegen maroder Schulen oder Problemen mit Lehrerinnen und Lehrer oft als lästig angesehen, sagt Wellenreuther. „Mit einer modernen Bibliothek können wir einen Ort schaffen, an dem Jugendliche gerne lernen können, wenn sie das mit einem positiven Erlebnis verbinden.“
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-gruene-spitzenkandidaten-fuer-mannheim-das-sind-ihre-ideen-_arid,2211086.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/schwetzingerstadt-oststadt.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim/seckenheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html