Kommunalwahl

Mannheimer AfD-Kandidaten: Sorgen wegen Müll und Drogen - aber nicht wegen Höcke

Heinrich Koch und Nihal Sariyildiz wollen für die AfD in den Mannheimer Gemeinderat. Aus ihrer Sicht läuft Vieles in der Stadt nicht gut. Was sie vorhaben - und warum sie in ihrer Partei keine Probleme sehen

Von 
Timo Schmidhuber
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Die AfD-Kandidaten Heinrich Koch und Nihal Sariyildiz vor der Ruine des Alten Relaishauses in Mannheim. Diese sehen sie als eine der „Problemzonen“ in ihrem Heimatstadtteil Rheinau. © Timo Schmidhuber

Mannheim. Einen Spaziergang auf der Rheinau. Das schlagen die beiden AfD-Kandidaten Heinrich Koch und Nihal Sariyildiz für das Gespräch mit dem „MM“ vor. Beide sind in dem südlichen Stadtteil aufgewachsen und wohnen noch heute dort. Beim Rundgang wollen sie die „Problemzonen“ zeigen, wie sie vorab in der E-Mail schreiben. „Hier können wir vieles auch für unsere Heimatstadt Mannheim ableiten.“

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Treffpunkt ist das „Rheinauer Pizza & Kebap Haus“ an der Relaisstraße. Koch, 62, ein kräftiger Mann, Ingenieur mit Büro für Unfallrekonstruktion, sitzt für die AfD im Bezirksbeirat des Stadtteils. Die zierliche Sariyildiz, 48, kam mit zehn als Tochter einer türkischen Gastarbeiterfamilie nach Mannheim, machte Abitur und arbeitet als Küchenplanerin. „Wir wollten uns nicht mit Ihnen im Luisenpark treffen oder an einer anderen schönen Stelle - sondern hier, wo der Schuh drückt“, erklärt Koch. Und er hoffe, dass es im Artikel jetzt nicht „zu 75 Prozent um Höcke geht“.

Es kann keinen Artikel über die AfD geben, ohne über Leute wie Höcke zu reden

Natürlich kann es keinen Artikel über die AfD geben, ohne über Leute wie Höcke zu reden. Am Tag vor dem Treffen wurde der thüringische AfD-Landeschef wegen der Verwendung einer Nazi-Parole zu 13 000 Euro Geldstrafe verurteilt. Und zwei Tage zuvor hatte ein Gericht die Einschätzung des Verfassungsschutzes bestätigt, wonach die Bundes-AfD ein „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ sei und überwacht werden dürfe. Es gebe Bestrebungen der AfD, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet seien, so das Gericht. Auch hier drückt also der Schuh.

Die AfD-Kandidaten ärgern sich über die Mannheimer Stadtreinigung

Aber gerne erst den Spaziergang. Koch schimpft über den Dreck auf der Relaisstraße, er zeigt auf ein Gebüsch, in dem Verpackungen liegen, „manchmal auch Spritzen“. Es werde einfach nicht saubergemacht. „Die Stadtreinigung ist in grüner Verantwortung.“

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Kommunalwahl 2024: Mannheimer AfD-Duo Heinrich Koch und Nihal Sariyildiz



Die Straße weiter runter steht die Ruine des Relaishauses - abgesperrt von einem Bauzaun, auf der einen Seite ist der Gehweg deshalb nicht nutzbar. Seit dem Feuer vor fast neun Jahren passiere hier nichts, ärgert sich Koch, „das Gebäude ist zu einem Dreckspfuhl geworden“. Auch hinter dem Zaun liegt jede Menge Müll, das Unkraut wuchert meterhoch. Aus Sicht des AfD-Kandidaten haben hier „alle versagt, insbesondere die roten Bürgermeister“. Der Eigentümer des denkmalgeschützten Gebäudes war 2016 wegen Brandstiftung zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Stadt hatte versucht, ihn zu enteignen, scheiterte aber an den hohen rechtlichen Hürden. Auch die Kosten für die Sicherung des Gebäudes wollte sich die Verwaltung zurückholen, doch der Eigentümer ging insolvent.

Wunsch nach mehr Polizei und Wertschätzung fürs Ehrenamt

Heinrich Koch redet viel und weiß das. Immer wieder sagt er zu Sariyildiz, sie müsse darauf achten, dass sie im Gespräch mit dem Reporter nicht zu kurz komme. Was sind neben der Sauberkeit also weitere Themen, die die AfD in einem künftigen Gemeinderat angehen will? Mehr Sicherheit, antwortet Sariyildiz. „Die Drogenkriminalität auf der Rheinau ist hoch, Sie können in der Relaisstraße sehen, wie die Geschäfte gemacht werden.“ Sie habe einen 16-jährigen Sohn, „und ich habe Angst um ihn“. Die Polizei müsse präsenter sein, auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad.

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Koch ist es wichtig, den Einsatz von Ehrenamtlichen stärker zu honorieren. „Wer sich bei der Feuerwehr engagiert, der muss mit seiner Familie kostenlosen Eintritt in den Luisenpark bekommen“, fordert er. Sariyildiz macht sich für mehr Deutschunterricht schon im Kindergarten stark. „Damit die Kinder dann in der Schule keine Probleme mehr haben.“ Als Alleinerziehende fordert sie zudem weniger Bürokratie beim Einsatz von Tagesmüttern.

Auf ihrem blauen Flyer, den die Zwei während des Spaziergangs verteilen, stehen noch weitere Forderungen: „Großkraftwerk Mannheim erhalten“, „Mehr Geld für die Sanierung von Straßen und Brücken“, „Ausreisepflichtige abschieben, um Wohnraum zu schaffen“. Vor einem recht neu wirkenden Mehrfamilienhaus bleiben sie stehen. „Das Haus steht leer, und ich weiß nicht, warum. Wissen die im Bauamt von der Wohnungsnot in Mannheim nichts?“, fragt sich Koch. Ob er denn als Mitglied des Bezirksbeirats nicht herausfinden konnte, warum es leer steht? „Nein“, sagt Koch. Sie hätten vor vier Wochen nachgefragt.

Rassistische Äußerungen seien nur „individuelle Meinungen“, finden die beiden Kandidaten

„Unsere Wähler sind keine Nazis“, erklärt er. „Sondern alles Sozen, die die Nase voll haben vom sozialdemokratischen Filz.“ Viele Wähler mögen keine Rechtsextremen sein. Aber was ist mit weiten Teilen der Partei? Stichwort Höcke und Einstufung der Partei als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“. Für Koch sind rassistische Äußerungen von Parteimitgliedern lediglich „individuelle Meinungen“ Einzelner, die der Partei schadeten. Auf den Einwand, dass zu viele solcher angeblich „individueller Meinungen“ zu hören sind - Höckes Landesverband Thüringen etwa ist als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft - fragt Koch nur: „Was ist zu viel?“

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Und Sariyildiz sagt: „Glauben Sie, ich wäre in dieser Partei, wenn sie rechtsextremistisch wäre? Ich habe Migrationshintergrund.“ Sie habe in der AfD „kein einziges Mal menschenverachtende oder rassistische Äußerungen mitgekriegt“. Und was ist mit den Remigrationsplänen, um die es Ende November bei einem Treffen in Potsdam unter anderem mit AfD-Mitgliedern ging? Nach diesen Plänen müsste womöglich auch jemand wie Sariyildiz zurück in die Türkei. Das sieht sie anders. Bei diesen Gesprächen sei es „um kriminelle Migranten gegangen, die unsere Kinder und Frauen gefährden“.

Mit welchem Ergebnis rechnen die beiden bei der Kommunalwahl? „Mit deutlich mehr Sitzen als den vier jetzt“, erklärt Koch. Am Ende des Spaziergangs sagt er dann noch etwas, das - je nach politischer Einstellung - als Programm oder als Drohung zu verstehen ist. „Wenn wir stark genug in den Gemeinderat kommen, dann werden wir die Revoluzzer. Dann führen wir die anderen Parteien vor.“

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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