Hintergrund

Der Mannheimer Nikolas Löbel: Eine politische Karriere mit Dellen

Von 
Stefan Proetel
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Selbstsicher ist seine Antwort: Nein, seine Projektmanagement GmbH sei nicht in Insolvenzgefahr. Im Gegenteil: Die Bilanz für das Jahr 2020 werde ganz anders aussehen. Das sagt Nikolas Löbel an jenem Donnerstag im Oktober vergangenen Jahres bei seiner Pressekonferenz in der Mannheimer Maruba. Auf die Frage nach dem Zustand seiner GmbH ist der CDU-Bundestagsabgeordnete vorbereitet. Er hatte sie erwartet, schließlich betrug die Bilanzsumme seiner GmbH nur noch 10 600 Euro (2018), beziehungsweise knapp 6000 Euro (2019). Der CDU-Politiker antwortet bei jener Pressekonferenz offensichtlich mit dem beruhigenden Gefühl, dass das Konto seiner Projektmanagement GmbH mittlerweile mit einer dicken Summe gefüttert ist: mit den 250 000 Euro Provision aus den Masken-Deals.

Den Kopf in kritischen Situationen gerade noch aus der Schlinge ziehen - das beherrscht Nikolas Löbel in seiner politischen Karriere meisterhaft. Der Mechanismus ist immer derselbe. Wenn Löbel den Bogen überspannt hat, zeigt er öffentlich Reue, entschuldigt sich brav und verspricht Besserung. Gleichzeitig verweist er reflexartig auf angebliche Kampagnen gegen ihn, auf Personen oder die Medien, die ihm schaden wollen. Beispiele:

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Juli 2010

Nikolas Löbel bittet in einer Mail vom 13. Juli 2010 an den damaligen Mannheimer Bundestagsabgeordneten Egon Jüttner, für den bevorstehenden Landtagswahlkampf (Löbel ist als Kandidat im Mannheimer Norden nominiert) fünf Personen anzustellen. Sie sollen ihn als „engeres Wahlkampfteam“ unterstützen. Eine der Hauptfiguren soll dabei Katharina Dörr werden, schreibt Löbel, „die über den Wahlkampf erste Erfahrungen sammeln möchte“. Katharina Dörr heißt nach Heirat heute Funck und ist CDU-Stadträtin. Die fünf Personen sollen, so schlägt Löbel in der Mail vor, die dem „Mannheimer Morgen“ vorliegt, auf 300-Euro-Basis beschäftigt werden. „Natürlich sollen die Personen auch Ihnen zur Verfügung stehen“, schreibt Löbel an Jüttner weiter. „Ich weiß um die Größe meines Vorschlags und um die Kosten, würde mich aber dennoch sehr freuen, wenn es Ihnen möglich wäre, diese Personen vom 1. August 2010 bis 31. März 2011 zu beschäftigen“, so Löbel.

August 2012

Zwölf von 18 Mitgliedern des baden-württembergischen Landesvorstands der Jungen Union entziehen ihrem Vorsitzenden Nikolas Löbel das Vertrauen. Grund sind inhaltliche Differenzen, etwa bei Löbels Forderung einer Rente mit 70 und nach Streichung von Lehrerstellen im Land. Der damals 26-jährige Mannheimer sagt Medien daraufhin, es sei sein Ziel, die JU „stark und wahrnehmbar zu positionieren“. Gleichwohl nehme er die Kritik sehr ernst: „Ich bin keinesfalls frei von Selbstkritik.“ Er müsse „im Bereich der Abstimmung“ das eine oder andere dazulernen.

November 2012

JU-Chef Nikolas Löbel wirbt das aserbaidschanische Studentennetzwerk ASN als Sponsor des JU-Landestages in Sinsheim an. Delegierte bezeichnen das Land als „Schurkenstaat“ mit einem „Regime, das seine Bürger einsperrt“. Löbel verzichtet auf die 2000 Euro des Studentennetzwerkes, weil der politische Druck auf ihn zu hoch wird. Laut „Stuttgarter Zeitung“ ordnet Löbel Nachfragen zu dem umstrittenen Sponsoring als „erneute Angriffe gegen mich“ ein. Er sei „schockiert, in welcher Massivität hier eine Schlammschlacht geführt wird, um mir persönlich zu schaden“. Löbel sagt weiter, er vermute hinter der Aktion eine Kampagne, die ihm schaden solle.

Auf dem Landestag wird Löbel nur mit knapper Mehrheit im Amt bestätigt. Zuvor erklärte der Mannheimer, er habe nach seiner Wahl zum Vorsitzenden ein Jahr zuvor erst lernen müssen, mit welcher großen Verantwortung das Amt verbunden sei: „Ich musste lernen, mein Herz nicht zu oft auf der Zunge zu tragen.“ Er habe viel Vertrauen in den vergangenen Monaten verspielt. Dafür bitte er um Entschuldigung. Löbels Herausforderin, Rechtsanwältin Maria-Lena Weiss, hatte vor der Abstimmung wiederholte Alleingänge des Vorsitzenden kritisiert. „Team ist nicht die Abkürzung für: Toll, einer alleine macht’s“. Löbel wird mit dünnem Vorsprung wiedergewählt. Bei seiner nächsten Wiederwahl im April 2014 versichert Löbel: „Ich habe gelernt, an mir zu arbeiten.“

Mai 2014

Die Vorstandsmitglieder aus Südbaden ziehen sich aus der Führungsriege der JU Baden-Württemberg zurück. Sie kritisieren Landes-Chef Nikolas Löbel scharf: Seit seinem Amtsantritt 2011 werde der knapp 2000 Mitglieder zählende Bezirksverband Südbaden systematisch ausgegrenzt. Löbel reagiert enttäuscht auf die Kritik und den Rücktritt seiner Vorstandskollegen: „Bei vereinzelten JU-Mitgliedern in Südbaden scheinen persönliche Vorbehalte gegen meine Person unüberbrückbar zu sein“, schreibt er in einer Erklärung.

Mai 2015

Es gibt Streit um die Finanzen der CDU Mannheim. Heinrich Braun, damals Schatzmeister der CDU Oststadt/Schwetzingerstadt, versucht mehrmals, vom CDU-Kreisvorsitzenden Löbel Auskunft über die Finanzlage der CDU zu bekommen, insbesondere zum Schuldenstand des Kreisverbands. Er weigert sich schließlich, seinen Kassenbericht zu unterzeichnen. Braun fürchtet, dass die Gelder aller Ortsverbände durch zwangsweisen Cash-Pool als Einnahmen des Kreises verbucht wurden. Löbel gerät unter Druck und macht den Schuldenstand erstmals öffentlich: angeblich 95 000 Euro. Steuerberater Braun darf die Zahl allerdings nicht nachprüfen. Löbel wirft ihm „schädigendes Verhalten“ vor. Braun wird als Schatzmeister geschasst.

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Oktober 2015

„Pöbel-Löbel“ nennt ihn die „Bild“-Zeitung, nachdem er Winfried Kretschmann scharf attackiert hat („Da tritt ein altersschwacher Ministerpräsident zur Wiederwahl an. Und jeder von uns weiß: Der schafft keine fünf Jahre mehr.“) Löbels Entschuldigung danach: „Wenn ich den Ministerpräsidenten in seiner Gefühlslage getroffen habe, dann war das nicht meine Absicht. Ich habe nicht sein Lebensalter gemeint, ich habe vielmehr seine politische Schaffenskraft gemeint.“

Juni 2016

Am 7. Juni 2016 verfassen und unterschreiben die beiden Bundestagsabgeordneten Egon Jüttner (Mannheim) und Roderich Kiesewetter (Aalen-Heidenheim) eine Erklärung, die dieser Redaktion vorliegt. In ihr steht, dass Nikolas Löbel sie zur verdeckten Parteienfinanzierung aufgerufen habe. Sie seien von ihm in seiner Funktion als Landesvorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg aufgefordert worden, für ihn einen Mitarbeiter im Stuttgarter Büro der JU-Landesgeschäftsstelle anzustellen. Dieser Mitarbeiter sollte je zur Hälfte von Jüttner und Kiesewetter im Rahmen ihrer Mitarbeiterpauschale bezahlt werden. „Dieses Ansinnen haben wir mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass eine solche Konstellation verdeckte Parteienfinanzierung wäre und somit nicht erlaubt sei“, schreiben die beiden Abgeordneten.

Löbel erklärt auf Anfrage von Medien, „die Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage“. Es habe im Jahr 2012 Überlegungen gegeben, dass sich die JU im Land mit Roderich Kiesewetter eine Personalstelle teilen und diese zu je 50 Prozent anteilig finanzieren könnte. Das bezeichnet Löbel als „ganz üblichen Vorgang“. Er schreibt weiter: „Jedoch kam es nie dazu. Es blieb bei einer Idee.“ Mit verdeckter Parteienfinanzierung habe das überhaupt nichts zu tun. „Der Vorwurf ist völlig absurd und aus der Luft gegriffen.“

Sommer 2020

Eine für Nikolas Löbel sehr unangenehme Zeit beginnt. Zunächst wird bekannt, dass der Abgeordnete in seinem Haus in der Neckarstadt-Ost für möblierte Studentenwohnungen Mietpreise von bis zu 14 Euro pro Quadratmeter kalt verlangt. Dann entdeckt der „Mannheimer Morgen“, dass Löbel vier der zehn Wohnungen über eine Agentur an Vermietungsportale wie Airbnb vermietet und sie somit dem Mannheimer Wohnungsmarkt entzieht. Das Pikante an der Sache: Im Bundestagswahlkampf 2017 hatte der CDU-Mann auf großen Plakaten für „mehr“ und „bezahlbaren Wohnraum“ geworben.

Zudem steht Löbel in der Kritik, weil er einem Mieter nach dessen sanierungsbedingtem Auszug fristlos kündigte. Die Prozesse zur Frage der einstweiligen Verfügung um die Wiedereinräumung des Besitzes der Wohnung verlor der Politiker zunächst am Amtsgericht und in zweiter Instanz am Landgericht. Löbel hatte die Kündigung mit persönlichen Beleidigungen begründet. Das Verfahren zur Kündigung am Amtsgericht ist noch nicht terminiert.

Im Herbst machen Gerüchte die Runde, wonach es bei Miet- und Untermietverträgen der CDU Mannheim in ihrer Kreisgeschäftsstelle Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll. Die CDU Mannheim vermietet dort Räumlichkeiten an den Bundestagsabgeordneten Löbel, an die Löbel Projektmanagement GmbH und an die Junge Union Mannheim.

Dem „Mannheimer Morgen“ verweigert die CDU Mannheim mit dem Hinweis auf Datenschutz die Einsichtnahme in die Unterlagen. Auch CDU-Mitglieder interessieren sich für die Verträge und Buchungen. Chris Rihm und Andreas Pitz bekommen sie am 12. Oktober gezeigt. Beide treten nach dem Termin in der Kreisgeschäftsstelle mit sofortiger Wirkung aus dem Kreisvorstand zurück. Pitz, der Beirat war, sagt, er habe Dinge gesehen, bei denen er nicht ausschließen kann, dass sie strafrechtlich relevant seien. Löbel lässt sich in einem Gutachten des ehemaligen CDU-Stadtrats Ralph Landsittel bestätigen, dass es „keine Unregelmäßigkeiten“ gegeben habe.

Das Gutachten präsentiert Löbel auf der eingangs erwähnten Pressekonferenz, auf der er auch sagt, er habe eine „dramatische Lernkurve“ hinter sich. Einen Tag später wird er vom CDU-Kreisverband mit 86 Prozent der Stimmen zum Bundestagskandidaten bestimmt. Im Laufe der Wochen hatte der CDU-Politiker immer wieder von einer Medienkampagne gegen ihn gesprochen.

Ehemalige Mitarbeit Ressortleiter Lokales/Regionales und Mitglied der Chefredaktion

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