Interview

Politikwissenschaftler König: Maskenaffäre von Löbel kann sehr explosiv sein

Von 
Marco Pecht
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© Thomas Tröster

Mannheim. Schleppende Impfungen, Probleme beim Schnelltesten und bei der Maskenbeschaffung: Der Mannheimer Politikwissenschaftler Thomas König fürchtet, dass wegen dieser Schwierigkeiten die Akzeptanz in die Corona-Politik drastisch sinkt. Wenn sich Mandatsträger wie Nikolas Löbel oder Georg Nüßlein durch die Krise privat bereichern, könnte das die gesamte Stimmung im Land zum Kippen bringen.

Herr König, mit Nikolas Löbel und Georg Nüßlein haben zwei CDU-Bundestagsabgeordnete private Provision für die Vermittlung von Schutzmasken eingestrichen. Glauben Sie, solche Vorgänge erschüttern grundsätzlich das Vertrauen der Menschen in die Politik?

Thomas König: Ja, ich denke, dass wir zwei aufeinander zurasende Politikentwicklungen haben: die Auswüchse eines ungebremsten Lobbyismus und die Unzufriedenheit der Menschen mit dem Krisenmanagement der Politik in der aktuellen Corona-Lage. Von daher können solche Affären unter Umständen sehr explosiv sein und die Stimmung ins Gegenteil umschlagen lassen.

In der Bevölkerung mehren sich die Stimmen, dass sich zwar die Menschen stark einschränken, die Politik ihre Hausaufgaben in der Pandemiebekämpfung aber nicht ordentlich macht. Und jetzt kommt noch eine Maskenaffäre obendrauf. Was hat das aus Sicht des Politikwissenschaftlers für eine Dimension?

König: In Sachen Pandemiebekämpfung kommt Deutschland aktuell nur schleppend voran und die Stimmung gegenüber dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 dreht sich: Damals herrschte der Eindruck vor, dass alle ihren Beitrag leisten und Deutschland vergleichsweise gut abschneidet. Mittlerweile wird immer deutlicher, dass einige gesellschaftliche Gruppen die Kosten für andere tragen. Hinzu kommt, dass Deutschland beim Krisenmanagement durch Defizite bei Masken, Impfungen und Schnelltests vergleichsweise schlecht abschneidet. Wenn nun das Gefühl aufkommt, dass es nicht fair zugeht, und Mandatsträger noch Profit aus den Defiziten ziehen, dann können sich daraus gesellschaftspolitische Verwerfungen ergeben und das politische Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern.

Wie kann man diese schwierige Gesamtsituation wieder verbessern? Ist es da mit Rücktritten der in die Affäre verwickelten Abgeordneten getan?

König: Politisches Vertrauen ist oftmals genauso diffus wie das Infektionsgeschehen. Kaum einer kennt die einzelnen politischen Entscheidungsmechanismen, die in Ministerrunden und Ausschüssen vorherrschen. Politisches Vertrauen baut sich daher eher auf den Erfahrungen der Bevölkerung mit den Ergebnissen dieser Entscheidungen auf, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg Deutschland vergleichsweise gut dastehen lassen. Allerdings baut sich politisches Vertrauen durch einzelne Ereignisse auch schneller wieder ab als auf. Eine Krise kann – wie auch zu Beginn der Pandemie – Vertrauen schaffen. Aber sie kann auch schnell ins Gegenteil führen.

Sind wir aktuell schon an diesem Punkt?

König: Oftmals wird auf die recht hohe Zustimmung in Umfragen verwiesen, aber diese sind nicht krisenerprobt und können selten ausmachen, wann die Stimmung ins Gegenteil umschlägt. Tendenziell erkennt man bereits eine größer werdende Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit dem Krisenmanagement, so dass beispielsweise die Unterstützung für die Maßnahmen sinkt. In solchen Situation reichen manchmal einzelne Ereignisse wie die Affäre um die Maskenbeschaffung aus, um die Stimmung kippen zu lassen. Wir haben das vor einigen Jahren in der Migrationspolitik erlebt. Nach der Silvesternacht von Köln, als viele Frauen von Flüchtlingen belästigt wurden, ist die bereits sinkende Zustimmung zur Migrationspolitik rasch ins Gegenteil umgeschlagen. Ich sage nicht, dass wir bei der Corona-Krise schon an diesem Kipppunkt sind. Aber man muss schon aufpassen, wenn man leichtfertig Maßnahmen wie Ausgangssperre oder Mobilitätseinschränkungen propagiert, die für viele bislang den Unterschied zwischen Demokratien und Autokratien ausgemacht haben.

Lassen Sie uns noch einmal auf die Affäre um die Maskenbeschaffung schauen: Sind das einfach zwei, drei Halunken im Bundestag, die sich die Taschen voll machen wollen? Oder haben wir ein Systemproblem?

König: Wenn das jetzt ein Einzelfall wäre, könnte man den Rücktritt fordern und die Sache ist erledigt. Wenn Abgeordnete nur ihr Amt nutzen, um Unternehmen zu helfen, bürokratische Hürden zu nehmen,  wäre alles wieder in Ordnung. Seltsam erscheint mir jedoch der Umstand, dass Abgeordnete eigene Beratungsfirmen gründen, um ihre Ausschussexpertise für ihr privates Unternehmertum zu nutzen. Das deutet auf einen ungebremsten Lobbyismus hin, der sich aus dem Amtszugang von Mandatsträgern zu wichtigen Informationen ergibt. Was mich also stutzig macht: Wofür braucht es eigene Beratungsfirmen, wie sie Nikolas Löbel, Georg Nüßlein und womöglich noch andere Abgeordnete haben? Wenn das die Regel und nicht die absolute Ausnahme ist, dann muss diesem Lobbyismus ein Riegel vorgeschoben und Abgeordnete verpflichtet werden, Auskunft über ihre Firmen zu geben und welche Geschäfte sie damit machen. Denn: Nur Transparenz kann sicherstellen, dass das Mandat für öffentliche und nicht für private Zwecke genutzt wird, was in vielen Fällen zu Lasten der Bevölkerung geht.

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