Mannheim. Wer den Brauch nicht kennt, zuckt zusammen. Krachend lässt Hans Schwab das Weinglas fallen, das er vorher in einem Zug ausleert. „Drum werf ich es zu Boden nieder, zerschmettert braucht das keiner wieder“, reimt der Dachdeckermeister beim Richtfest für das Haus, das Lehrlinge von mehreren Gewerken in der Halle des Handwerks auf dem Maimarkt gebaut haben. Zum Richtfest kommen prominente Gäste, und die sollen auch etwas arbeiten.
Mannheimer Maimarkt eröffnet: Peter Hauk, Christian Specht und Klaus Hofmann ziehen einen gelben Helm auf
„Die Feierstunde hat geschlagen, es ruhet die geübte Hand“, lautet sein Vers dazu. Der stimmt mehr als er beim Reimen gedacht hat, denn geübte Hände sind es nur zum Teil, die da jetzt den Hammer in die Hand nehmen und symbolisch den letzten Nagel in den Dachbalken schlagen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk, Oberbürgermeister Christian Specht und Handwerkskammerpräsident Klaus Hofmann ziehen dazu einen gelben Helm auf, greifen zum Hammer. Hofmann, von Haus aus Tischlermeister, kann das, bei den Politikern sieht das eher nicht nach „geübter Hand“ aus. Aber vorher haben ja „tüchtige Handwerksleut“, so Hans Schwab, das Haus gebaut. „Und stolz und froh ist jeder heut, der wacker mit am Haus gebaut!“
Stolz und froh ist auch Hofmann. „Wir zeigen hier, wie leistungsstark wir sind“, stellt Hofmann die Aktionen der 13 Innungen dar, ehe die Prominenz von Schreinern und Malern, Gipsern und Dachdeckern, Zahntechnikern und der Kfz-Innung Details vorgeführt bekommt. Von den Schornsteinfegern gibt es sogar einen Glücksbringer. „Den kann ich gebrauchen im Gemeinderat“, dankt Specht lachend. Minister Hauk muss dagegen erleben, dass sein Bekanntheitsgrad nicht so groß ist. Beim Maßkrugschieben am Stand der Inter-Versicherung drückt ihn ein Maimarktbesucher einfach weg, denn jetzt sei erst er an der Reihe, betont der. Als er hört, dass er einen Minister vor sich hat, bleibt der Mann von der Bergstraße völlig gelassen: „Der kann auch warten, er wird ja von uns bezahlt!“, sagt er.
Besondere Ehrung auf dem Maimarkt für den früheren OB Peter Kurz
Zu seinem Job als Minister gehört es traditionell, den Maimarkt zu eröffnen. In seiner Rede im Festzelt indes geht er kaum auf den Maimarkt ein, nicht einmal auf die drängenden Mannheimer Probleme. Ganz anders Oberbürgermeister Christian Specht, dem der Stolz anzumerken ist, dass er erstmals bei dieser Gelegenheit im Festzelt am Rednerpult steht. „Schon als kleines Kind durfte ich auf den Maimarkt, und es war für mich immer ein großes Erlebnis“, so Specht. Der Maimarkt sei „in Zeiten großer Veränderung ein Stück Stabilität“, während andere Verbrauchermessen gar nicht mehr stattfänden. Für die Mannheimer sei der Maimarkt „ein besonderer Tag und eine besondere Jahreszeit“, für die Wirtschaft „ein Signal der Zuversicht und der Hoffnung“, sagt er.
Seinen Vorgänger Peter Kurz zeichnet Specht gemeinsam mit Stefany Goschmann, Geschäftsführerin der Mannheimer Ausstellungsgesellschaft (MAG), mit der nur sehr selten verliehenen Maimarktmedaille aus. Ob Infrastruktur, Ausbau des Ausstellungsgeländes oder die schwierige Situation während der Corona-Pandemie - Kurz habe in seiner 16-jährigen Amtszeit über die elf Maimarkt-Tage hinaus „immer ein offenes Ohr“ für die Belange des Maimarkts gehabt, danken ihm Specht und Goschmann.
Nun ist es Specht, der ein offenes Ohr hat, auf dem Rundgang mit dem Minister immer wieder von Bürgern oder Ausstellern angehalten, angesprochen und freudig begrüßt wird. Mal muss er mit dem Minister Spargel schälen, mal die Nöte von Bauern, mal die Sorgen der Gewerkschaft der Polizei anhören, mal dürfen er und der Minister bei den Feudenheimer Landfrauen frische Milch mit Beeren genießen. „Habe ich jetzt die Regierung verhaftet“, scherzt Specht beim Stand der Justizvollzugsanstalt, als er mit Hauk und Verkehrs-Staatssekretärin Elke Zimmer die Musterzelle besichtigt.
Maimarkt in Mannheim: „Wir präsentieren die Vielfalt der Region“
In seinem Element ist Specht als ehemaliger Sicherheitsdezernent beim „Schulterschluss“, der gemeinsamen Präsentation der Feuerwehren und Hilfsorganisationen der Region. „Das ist es, was die Metropolregion ausmacht“, lobt Specht die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, schließlich haben an dem Tag gerade Ehrenamtliche aus Speyer einen Behandlungsplatz für 20 Verletzte bei Großeinsätzen aufgebaut. Bewusst holt Specht auch den Mann aus dem Hintergrund, der 2007 die Idee zum „Schulterschluss“ hatte und der inzwischen Ehrenvorsitzender des Stadtfeuerwehrverbandes ist: Karl F. Mayer. „Wenn die Blaulichtfamilie so zusammenhält, zeigt das die Schlagkraft des Katastrophenschutzes“, lobt auch Hauk, ehe der Rundgang weitergeht.
„Salve“ grüßt gleich darauf in der Halle der Region ein Römer mit Helm und Oberkörperpanzerung die Prominenz. Als er sein Kurzschwert zückt, überlegt Specht kurz lachend, ob der Maimarkt nicht unter die Waffenverbotszone fällt - aber der Auftritt ist ja nur als Werbung gedacht für das Heimatmuseum vom Verein für Kultur- und Heimatpflege Neidenstein. Die Aktiven nutzen den Stand der Metropolregion, um für ihr Museum zu werben. Auch weitere Ausflugsziele aus dem Kraichgau sind an diesem Tag da, jeden Tag wechseln sich hier attraktive kulturelle oder touristische Einrichtungen ab. „Wir präsentieren die Vielfalt der Region“, formuliert es Ralph Schlusche, Direktor des Verbands Region Rhein-Neckar.
Die Vielfalt der Stadt ist an deren Stand zu erleben, wie Specht erläutert. „Die Bürger lassen hier auch ab, was sie stört - aber das gehört dazu“, berichtet der Oberbürgermeister dem Minister. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr aber das Ehrenamt, das dem neuen OB besonders am Herzen liegt. Die Stadt verteilt zudem kostenlos Exemplare des Grundgesetzes, das 75 Jahre alt wird. Specht schenkt auch Hauk ein Exemplar und verweist ihn besonders auf Artikel 28. Der gewährleiste die kommunale Selbstverwaltung.
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