Mannheim. Als sich die Spiegelmanufaktur des französischen Glasherstellers Saint Gobain 1853 als erste Fabrik auf dem Waldhof ansiedelte, wurde der Bezirk rasch zum Industrialisierungsmotor Mannheims. Obwohl große Flächen des historischen Areals seit Jahrzehnten brachliegen und Saint Gobain die Produktion am Mannheimer Standort 2020 einstellte, besitzt das Gebiet auch 170 Jahre später eine enorme Bedeutung: „Die Fläche ist nicht nur für den Stadtteil, sondern die ganze Stadt wichtig“, betont Hanno Ehrbeck, Fachbereichsleiter Geoinformation und Stadtplanung, im Bezirksbeirat des Stadtteils.
Alte Spiegelfabrik auf dem Luzenberg: 40 Hektar großes Gebiet
Zugleich sei die alte Spiegelfabrik auf dem Luzenberg keine einfache Fläche, was sich laut Ehrbeck am bisherigen Prozess erkennen lasse. So sind die städtebauliche Umgestaltung und Aufwertung des etwa 40 Hektar großen Gebiets keine neuen Ideen: Bereits 2001 wurde ein Rahmenplan erarbeitet, der vor allem auf eine neue Nutzung brachliegender Flächen und eine bessere Verbindung der Stadtteile Luzenberg und Waldhof-West abzielte. Während der alte Rahmenplan scheiterte, sei heute durchaus „ein gewisser Zwischenstand erreicht“, versichert Bereichsleiter Ehrbeck.
Leitbild fördert Erhalt und Wandel
Konkret handelt es sich beim „Zwischenstand“ um ein ausgearbeitetes Leitbild mit vier Eckpunkten. Zum einen soll die soziale Infrastruktur im Stadtteil gleichermaßen gesichert wie ausgebaut werden. Das betrifft etwa den Erhalt bestehender Vereine im nördlichen Bereich des Geländes aber auch die Schaffung neuer Flächen für Kitas oder Schulen. Die Bodenproben seien angesichts der Größe bislang eher grobmaschig ausgefallen, erklärt Ehrbeck auf Nachfrage von Stadträtin Andrea Jessen (SPD). Sobald aber feststehe, wo genau der Bau von Kitas oder Sportflächen geplant sei, würden weitere Untersuchungen des Geländes folgen.
Zweitens sieht das Leitbild vor, durch ein neues Stadtquartier zusätzliche Wohnungsangebote zu schaffen und Arbeitsplätze anzusiedeln. Hierfür soll auch eine Umnutzung denkmalgeschützter Gebäude stattfinden. Was die Art der Wohnbebauung angeht, stehe zumindest fest, „dass es sich um einen Mix handeln soll“, so Ehrbeck.
Da sich manche Teile des Areals über die Jahre hinweg zu „unberührter Wildnis“ verwandelt haben, sind Klima und Ökologie laut Ehrbeck ebenfalls bedeutende Gesichtspunkte.
Insbesondere im Norden will man den Wald weitgehend unberührt lassen und die dortigen Biotope sichern. Im östlichen Teil dagegen sind neben der Option Walderhalt auch eine Sportanlage oder Freifläche mit Freizeitwert denkbar.
Saint Gobain will Areal nicht komplett verkaufen
Auch die bessere Stadtteilverbindung ist nach wie vor ein wichtiger Eckpunkt. Realisiert werden soll die Verbindung durch einen Park zwischen Luzenberg und Waldhof-West, ebenso soll das Altrheinufer aufgewertet werden. Das sei zwar größtenteils im Besitz des Mannheimer Hafens, räumt Ehrbeck ein, als sich Bezirksbeirätin Pia Becker (Grüne) nach dem Gestaltungsspielraum beim Altrheinufer erkundigt. Was die Landseite betreffe, schätze Ehrbeck den Hafen aber als „relativ entspannt“ ein.
Abgesehen von den städtebaulichen Eckpunkten, bleibt auch die industrielle Rolle Saint Gobains wichtig. Das Unternehmen möchte das Areal nämlich nicht komplett verkaufen, sondern vier Hektar für die Neuansiedlung einer Tochterfirma im Bereich modularer Holzbau nutzen.
Unter den Bezirksbeiräten findet das Leitbild großen Anklang. Insgesamt lassen sich die meisten Anliegen aus einem Beteiligungsworkshop im vergangenen Jahr auch im Leitbild wiederfinden, bemerkt Thomas Seitz (Freie Wähler ML) positiv. Pia Becker freut sich besonders über das völlig naturbelassene Waldstück, während sich Stadtrat Stefan Höß (SPD) vor allem für die Berücksichtigung von Kindergärten und Schulen dankbar zeigt.
Der Schutz von Industriedenkmälern dagegen ist seiner Meinung nach noch nicht ausreichend bedacht. „Immerhin hat keine andere Firma so eine Tradition für den Industriestandort Mannheim wie Saint Gobain“, bemerkt Höß.
Kritisch äußert sich auch Jürgen Kurtz, Sprecher der Bürgerinitiative Waldhof-West: „Die Vernichtung von Waldfläche an der östlichen Seite werden wir so nicht mittragen“, verkündet er.
Wie sich die Planung auf Grundlage des Leitbilds fortsetzt, hängt weiterhin von den Gesprächen der Stadt mit Saint Gobain ab. Dass die Firma die Fläche mit Ausnahme der vier Hektar abtreten will, steht laut Ehrbeck außer Frage – spannend ist nur, zu welchem Preis. Ziel ist es daher, den Wert des Grundstücks noch in diesem Jahr zu ermitteln und entsprechende Verhandlungen zu führen.
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