Ein Storchenpaar kreist über den prächtigen Stadtvillen und repräsentativen Bauten des Jugendstils, des Historismus und der Neuen Sachlichkeit. Über den Dächern der zahlreichen namhaften Firmen in der prachtvollen Augustaanlage oder in der Otto-Beck-Straße ziehen Möven vom nahegelegenen Neckar kreischend ihre Bahnen. Wohnen, umgeben von Grün, Arbeits-, Einkaufs-, Sehenswürdigkeiten, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten direkt vor der Haustür sowie die Nähe zur Innenstadt - diesen urbanen Charme der Oststadt genieße ich mittlerweile schon vierzig Jahre.
Die Oststadt reicht vom Neckar bis (fast) zum Hauptbahnhof, von der Riedbahnbrücke bis zum Kaiser- und Friedrichsring. Ich gehe gern im historisch gewachsenen Viertel spazieren. Die ersten Planungen für die Oststadt begannen 1872. Denn den vielen Wohlhabenden, die sich im ersten Mannheimer Millionärsviertel in den L-Quadraten angesiedelt hatten, erschien diese Gegend wegen des Straßenlärms und den engen Grundstücken nicht mehr angemessen. 1888 wurde der Bau der Oststadt genehmigt.
Beste Adresse
Die beste Adresse für den Bau einer typischen Oststadtvilla war die Werderstraße. Eines der frühesten Gebäude in der Oststadt ist die Villa Pakheiser in der Werderstraße 36. Sie wurde 1900 durch die Architekten Köchler und Karch erbaut und ist heute Vereinshaus der Gesellschaft Räuberhöhle. Die Villa Giulini in der Werderstraße 38 wurde 1899 von Rudolf Tillessen erbaut in einem um 1900 ungewöhnlich zurückhaltendem Stil. Die Giulinis - eine Industriellenfamilie aus Como - betrieb damals bereits in der zweiten Generation ihre Chemiefabrik in Ludwigshafen. Die Villa Oskar Smreker in der Werderstraße 40 ist eine Stilmischung aus Renaissance, Barock und Jugendstil (Architekt Gustav Halmhuber). Der österreichische Wasserbauingenieur Smreker errichtete ab 1882 die Mannheimer Wasserversorgung und war verantwortlich für die Technik im Wasserturm - das Wahrzeichen Mannheims liegt ebenfalls in der Oststadt.
Die Villa Engelhorn in der Werderstraße 44 wurde 1904 ebenfalls von Tillessen für Friedrich Engelhorn (Sohn des BASF-Gründers) erbaut.
Infos zum Stadtteil
Der Engel auf der Spitze der Christuskirche ist 1,7 Meter groß.
Der Wasserturm fasst zwei Millionen Liter Wasser.
Auf dem Friedrichsplatz wurde während des zweiten Weltkriegs Gemüse angebaut.
Tennis statt Theater: Auf dem Goetheplatz konnte man früher auf 16 Plätzen spielen.
Das Durchschnittsalter der Bewohner und Bewohnerinnen in der Oststadt liegt bei 44 Jahren.
Mein Lieblingsspaziergang führt entlang der sehenswerten Stadtvillen zum Palais von Karl Lanz. Der Unternehmer und Förderer technischer Innovationen übernahm die Leitung von Lanz & Co (seit 1959 John Deere-Lanz AG) von seinem Vater, Heinrich Lanz. Die Lanz Villa wurde 1913 erbaut vom Architekten des Königs von Belgien und war mit 99 Zimmern damals das größte Privathaus Mannheims, das später lange als Fernmeldeamt genutzt wurde. Leider sind in den schönen Stadtvillen heute überwiegend Büros untergebracht.
Die mit Platanen bestandene Augustaanlage mit ihren zahlreichen Kunstwerken, dem 1833 gegründeten Mannheimer Kunstverein, dem Carl-Benz-Denkmal und Lipsi-Rad ist seit Umgestaltung der Allee für mich das schönste Entree der Stadt. Wenn ich von Frankfurt oder Stuttgart kommend die vierspurige Allee entlang fahre und vor mir den Wasserturm sehe, bin ich zu Hause.
Zur Oststadt gehören auch die kleinen Wohn- und Büroquartiere zwischen Tattersall, Rosengarten, Nationaltheater und altem OEG-Bahnhof. Am Tattersall könnte noch einiges zur Verschönerung und Entwirrung der Geh- und Fahrwege getan werden. Der Kaiserring sollte nach dem Entwicklungskonzept Innenstadt eigentlich schon seit 2020 zum Boulevard umgebaut werden. Eine größere Baustelle ist das Collini-Center. Am liebsten treffe ich mich mit Freunden auf der Außenterrasse des Café Flo unter den Arkaden mit Blick auf die Wasserspiele und Grünanlagen auf dem Friedrichsplatz, der als eine von Europas größten Jugendstilanlagen gilt. Dort finden auch die großen Stadtfeste, der Weihnachtsmarkt oder Sport- und Spiel am Wasserturm statt. Dies führt manchmal zu Problemen für die Anwohner sowie die denkmalgeschützte Anlage.
Schönste Parkanlage
Genossen habe ich die Sommernachmittage mit Freunden am Wasserspielplatz im Luisenpark. Mannheims größter Stadtpark gilt als eine der schönsten Parkanlagen Europas und ist nicht zuletzt auch eine grüne Lunge für die Stadt. Auch Kulturbegeisterte kommen in der Oststadt auf ihre Kosten. Das Nationaltheater lockt mit Schauspiel, Ballett und Oper. Die Kunsthalle, die ich wegen des ungestörten Kulturgenusses am liebsten am Sonntagmorgen besuche, bietet eine großartige Sammlung mit Gemälden, Skulpturen und Grafiken des 19. und 20. Jahrhunderts und hat den Begriff der „Neuen Sachlichkeit “ für eine ganze Kunstrichtung geprägt.
Unvergessen sind die Weihnachtskonzerte der Liederhalle und rauschenden Bälle der Harmonie Gesellschaft von 1803 im Rosengarten, dem heutigen Kongress- und Tagungscentrum. Spaß haben kleine Gäste beim Papierschöpfen imTechnoseum, das zu einem der drei großen Technikmuseen Deutschlands zählt. Unterhaltsam und interessant für Jung und Alt sind auch die Besuche im Planetarium, das ebenfalls in der Oststadt beheimatet ist.S
Silvester feiern Oststädter gern im Schatzkistl, der beliebten Kleinkunstbühne. Mit der katholischen Heilig-Geist-Kirche, die durch ihren durchgehenden neugotischen Stil für mich die schönste Kirche in Mannheim ist, und der barocken Christuskirche (1907-1911 von Frey und Schade erbaut) hat das Quartier zudem zwei beeindruckende Gotteshäuser zu bieten. Der sogenannte „Dom der Evangelischen“ lockt außerdem mit vielen musikalischen Höhepunkten. Anziehungspunkt hier ist auch das alljährliche Stiftungsfest auf dem Werderplatz. Die vom Ehepaar Schneider gegründete Stiftung Christuskirche zeugt ebenso vom ausgeprägten Bürgersinn der Oststädter, wie die Stiftungsschilder am Fuß der Platanen auf der Augustaanlage oder die zahlreichen Freundes- und Förderkreise der Kultur- und Bildungseinrichtungen im Stadtteil. Anziehungspunkt für Oststädter und Besucher von außerhalb ist auch die lebendige Kneipenszene der Oststadt, vor allem rings um den Friedrichsplatz.
Kleine feine Läden
Zu Geschäftsessen treffen Oststädter sich beim Italiener an der Augustaanlage. Auch in der Berliner- und der Lameystraße hat sich in den vergangenen Jahren eine gut besuchte Kneipenszene entwickelt. Die Galerientage tragen ebenfalls zum Leben bei in der Oststadt. Hier gibt es auch noch viele kleine, inhabergeführte Läden. In den Boutiquen findet der Oststädter ausgefallene, hochwertige Mode für Erwachsene und Kinder. Im schnuckeligen Weinladen in der Lameystraße treffen sich Freunde und Nachbarn.
Adressen für Genießer sind eine kleine Tortenbäckerei in der Berliner Straße und der französische Käseladen in der Elisabethstraße mit Außenbewirtung. In beiden Straßen gibt es auch Möbelgeschäfte mit besonderen Design. Im kleinen Buchladen in der Lameystraße wird die individuelle Beratung groß geschrieben. Die Metzgerei Hauk in der Elisabethstraße bietet nicht nur Wurst- und Fleischwaren, sondern auch Kultur. Die Reihe „wOrtwechsel - Kultur an außergewöhnlichen Orten“ in Kooperation mit KulturNetz Rhein Neckar ist ein Dauerbrenner.
Die Kulturerlebnisse, verbunden mit Gaumenfreuden, locken die Oststädter aus dem trauten Heim an diesen einzigartigen Ort. Nur Geschäfte zur Nahversorgung gibt es in der Oststadt nicht. Diese findet der Oststädter in der Schwetzingerstadt.
Oststadt und Schwetzingerstadt hängen zusammen, insbesondere weil die Bewohnerschaft die präzisen Stadtteilgrenzen kaum wahrnimmt.
Das Stadtteilfest Oststadt/ Schwetzingerstadt - das älteste Stadtteilfest in Mannheim - wurde vor über 40 Jahren vom einstigen Bürgerverein Schwetzingerstadt/ Oststadt (bso) ins Leben gerufen - bringt alljährlich Familien aus beiden Stadtteilen zusammen an einen Tisch. Die Menschen, die heute in der Oststadt wohnen, sind zum größten Teil nicht hier geboren, sondern kommen von überall her aus Deutschland und der ganzen Welt. Gerade weil die Oststädter aus den unterschiedlichsten Regionen kommen, gehen die Menschen offen aufeinander zu. Man kennt sich in den Straßen, die Nachbarschaften funktionieren.
Mittlerweile Tradition sind die Sommerfeste in den Hinterhöfen der Mehrfamilienhäuser. Dabei treffen sich Jung und Alt; jeder trägt etwas zum Büffet bei und es wird gemeinsam gegrillt. Auch wegen der guten Versorgung mit Kindergartenplätzen und Schulen zieht es junge Familien in die Oststadt. Das Betreuungsangebot für Schulkinder ist gut. Neben einer Grundschule und zwei Gymnasien, gibt es eine Realschule und zwei Berufsbildende Schulen.
Auch das Sport- und Freizeit-Angebot ist vielfältig.
Der TSV Mannheim von 1846 am Fernmeldeturm (mit 212,8 Metern das höchste Bauwerk in Mannheim) mit dem beliebten Sportkindergarten. Das Rhein-Neckar- und das Carl-Benz Stadion, der Reiterverein Mannheim und das Basketballfeld der Tornados sind weitere Publikumsmagnete. Vielfältige Angebote für Freizeit, Spiel, Sport und Erholung bieten der Untere Luisenpark, der Carl-Reiß-Spielplatz oder der Philosophenplatz, eine grüne Oase inmitten der Wohnbebauung.