Serie „Mein Stadtteil“, Folge 9 – Lindenhof

Stadtleben am großen Fluss

Von 
Thomas Groß
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© Manfred Rinderspacher

Angesagte Stadtteile gibt es in Mannheim einige. Gefragte Viertel sind nicht zuletzt seit Jahren schon die Schwetzingerstadt und die Neckarstadt (Ost). Auf der jeweiligen Haupteinkaufs- und Ausgehstraße gibt es im ersten Fall die mutmaßlich höchste Dichte an Eisdielen, an Cafés oder Bistros; auf der anderen Neckarseite sieht man sich in dieser Kategorie allenfalls leicht im Hintertreffen. Und auch der Stadtteil Lindenhof hat davon etwas zu bieten, aber zugegeben deutlich weniger.

Insgesamt ist hier die Situation des Einzelhandels ohnehin etwas dürftiger, was gerne mit der Zentrumsnähe erklärt wird: Der starken Konkurrenz durch die City sei eben nur schwer standzuhalten. Unverwechselbar macht den Lindenhof Anderes – seine geografische Lage, genauer: die Nähe zum Rhein und, ihm vorgelagert, die Uferpromenade, der Waldpark und die an seinem Rand gelegene Reißinsel.

Fakten über den Lindenhof

  • In keinem Stadtteil ist die Beschäftigungsquote unter Frauen so hoch wie auf dem Lindenhof: 65 Prozent der Frauen gehen einer Tätigkeit nach.
  • Auf dem Lindenhof gibt es Mannheims größten Schachclub.
  • Das Durchschnittsalter auf dem Lindenhof liegt bei 43,5 Jahren.
  • Im zweiten Weltkrieg wurden 80 Prozent der Gebäude im Stadtteil zerstört.
  • Bis 2038 werden auf dem Lindenhof Prognosen zufolge 9,3 Prozent mehr Menschen leben.
  • In nur 14 Prozent aller Wohnungen auf dem Lindenhof leben Kinder. Für die Mädchen und Jungen gibt es sieben Kindertagesstätten und eine Grundschule.
  • Auf dem Lindenhof sind die Wohnungen oft etwas größer: Mehr als 80 Prozent der Wohnungen haben zwei oder mehrere Zimmer.
  • Die Johanniskirche wurde 1907 im Jugendstil erbaut und bietet heute Platz für bis zu 600 Personen im Kirchenschiff und auf den Emporen.
  • Auf 1000 Bewohner des Lindenhofs kommen 634 Privat-Pkw

Etwas ruhigere Dynamik

Anderswo mag (noch) mehr Leben brodeln und pulsieren, in der Oststadt mag die Villenlage (noch) nobler sein. Hier auf dem Lindenhof ist die reine Natur zuhause – und sind es die Bewohner in ihr. Der Rhein fließt nicht nur, er strömt; der viel kleinere Neckar, seien wir ehrlich, fließt allenfalls noch in Seckenheim, weiter nördlich kaum mehr. Und nirgendwo strömt er.

Im Rhein ist buchstäblich etwas los, wirbeln Strudel, wechseln immerzu in sich bewegte Stellen mit planen Flächen. Am Ufer rollen zuweilen echte Wellen an, sofern das vorbeifahrende Schiff von zureichender Größe oder Schnelligkeit war. Der Blick vom Ufer aus geht ins Weite, Offene; nach Süden hin ruht er gerne auf den Wipfeln der Reißinsel aus. Gegenüber, auf der anderen Flussseite, lockt die Aussicht auf die Parkinsel, den wohl schönsten Flecken Ludwigshafens.

Promenade und Park laden zu ausgiebigen Spaziergängen ein, die sich nach Feierabend oder an Wochenenden nicht nur viele eigentliche Stadtteilbewohner gönnen und die vielfach bis zum freilich zu Neckarau zählenden Strandbad führen. So geht Abschalten, Ruhigwerden, so lebt man wieder auf. Und daraus wird auch leicht verständlich, weshalb die Diskussion um notwendige oder doch überflüssige Pläne, zahlreiche Bäume am Rheindamm für dessen als dringlich erachtete Ertüchtigung zu fällen, so viele Anwohnerinnen bewegt.

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Städtischer Dynamik lässt sich hier eine andere, viel ruhigere Dynamik entgegensetzen, die Erfahrung der Natur. Wobei der Lindenhof allerdings auch ein insgesamt sich entwickelnder, wachsender Stadtteil ist – besonders seitdem das Glückstein-Quartier entlang der Ludwigshafener Straße, zwischen Victoria-Turm und John-Deere-Gelände, wächst und wächst. Das neue Technische Rathaus der Stadt ersteht hier ebenso wie hochwertige Wohngebäude und Bürohäuser. So mancher Bewohner des Lindenhofs fragt sich allerdings, ob letztere künftig wirklich im geplanten Umfang noch nachgefragt werden, zumal angesichts des vermutlich weiterhin anhaltenden Trends, Berufsarbeit zunehmend von zuhause aus zu verrichten.

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Am Rhein hält man aber auch meistens Abstand zu solchen Fragen. Eine Zunahme von Baustellen, kleineren und größeren, verzeichnet man auf dem Lindenhof freilich überall. Entsprechend werden Zeitgenossen, die vielleicht vor 20 Jahren oder mehr auf den Lindenhof umgezogen sind, den Eindruck haben, dass es hier insgesamt doch merklich lauter geworden ist.

Wer zum erwähnten Personenkreis zählt, hat in der Regel auch eine charakteristische Veränderung der Altersstruktur registriert. Zog man damals als werdende Familie hierher, fand man sich womöglich, besonders wenn der neue Wohnort in Rheinnähe lag, in einem Haus wieder, das mehrheitlich von älteren Paaren und Witwen bewohnt wurde. Seitdem haben sich die Gewichte verschoben, was auch in der einen oder anderen Initiative für weitere Kindertagesstätten Ausdruck findet. So ist der Lindenhof heute wohl insgesamt deutlich weniger ruhig als früher – er ist aber auch wesentlich lebendiger geworden. Dass der Stadtteil zu den gesuchten Wohnlagen in Mannheim zählt, muss niemanden wundern. Er hat eigenes Flair nicht nur wegen der erwähnten Naturnähe. Berufspendler schätzen die kurzen Wege zum Hauptbahnhof oder zu den Ausfallstraßen, die zur Autobahn führen. Und wer seine Freizeit nicht ausschließlich im Viertel und seinem Waldpark verbringen möchte, schätzt diese kurzen Wege ebenfalls.

Ob es Menschen gibt, die nicht gerne hier wohnen? Uns ist noch niemand begegnet, auf den das zutreffen würde. Natürlich gibt es auch viele andere Flecken in dieser Stadt, wo sich gut leben lässt. Ein Leben am Fluss wie hier wird sich aber nicht anderswo finden. Die rege Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof sorgt übrigens dafür, dass über den Veränderungen nicht die Historie des Viertels vergessen wird – zum Beispiel durch Hinweisschilder mit kundigen Kommentaren an markanten Orten. Auf dem Lindenhof lebt man am Fluss – und eben auch ganz bewusst im Fluss der Zeit.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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