Anfangs kannte ich die Gartenstadt nur vom Vorbeifahren. Oft musste ich auf meinem Weg von oder zur Arbeit in der Lampertheimer Redaktion des „Südhessen Morgen“ an der Ampelkreuzung auf der Waldstraße, Höhe Waldpforte, bei Rot halten und dann fiel mein Blick stets auf die markanten Gebäude an der Ecke. Neugierig geworden bog ich irgendwann einmal ab in die Gartenstadt.
Da wusste ich noch nichts von der gleichnamigen aus England stammenden Bewegung, kannte als aus der nordhessischen Provinz in die Kurpfalz „Neigeplackte“ weder den Karlstern noch die Freilichtbühne. Doch der besondere Charme der Gartenstadt erfasste mich schon beim ersten Hindurchfahren. Vielleicht war es genau dieser erste Eindruck, der hängengeblieben ist, und dazu führte, dass wir Jahre später hier ein Haus kauften. Bei einer Besichtigung an einem heißen Sommertag entdeckten wir so manche Vorzüge der Lage: Ein Spaziergang führte uns zum Karlstern und wir genossen die kühle Luft im Käfertaler Wald ebenso wie die leckere Pizza in der dortigen Gaststätte. Eindeutig kein schlechter Ort zum Leben.
Infos zum Stadtteil
1910 wurde die Gartenstadt-Genossenschaft gegründet, 1912 mit dem Bau der ersten Wohnhäuser an der Waldpforte begonnen.
1930 entstand die sogenannte Kinderreichen-Siedlung der Gemeinnützigen Baugesellschaft (GBG) zwischen Walkürenstraße und Waldfrieden.
Das Carl-Benz-Bad wurde 1962 eingeweiht, der Waldfriedhof 1992.
Die Gartenstadt hat nach Angaben der Kommunalen Statistikstelle 10 371 Einwohner (Stand: 31.12.2019). Davon sind 5337 weiblich und 5034 männlich.
2657 (also etwa ein Viertel) haben einen Migrationshintergrund. Knapp die Hälfte aller Gartenstädter sind verheiratet oder verpartnert.
Kleine Wohnungen sind hier die Ausnahme: Mehr als drei Viertel aller Wohnungen in der Gartenstadt haben mindestens drei Zimmer.
36 Prozent aller Haushalte sind Ein-Personen-Haushalte. Der Durchschnitt in Mannheim liegt bei 51 Prozent aller Haushalte. s wa/jwd
Das gilt auch nach etlichen Jahren noch: Es ist schön hier. Schön grün und schön ruhig. Manchmal fast schon zu ruhig. Oft sitzen wir im Garten und wundern uns über die Stille – oder besser über das, was alles zu hören ist: Leise der Verkehr auf der Waldstraße, je nach Wind das Rauschen der Autobahnen oder das Rattern der Züge auf der Riedbahnstrecke, die Flugzeuge aus Frankfurt ziehen leise über uns in die Ferne. Eine Geräuschkulisse, die von Großstadt und Metropolregion kündet.
Raus mit Rad oder Bahn
Ansonsten ist es eher beschaulich im Stadtteil. Das pulsierende Großstadtleben beginnt frühestens jenseits der Waldstraße. Wer es erleben möchte, fährt hin – mit dem Rad, dem Auto, dem Bus oder seit einigen Jahren auch mit der Straßenbahnlinie 4/4A. Sie bringt die Gartenstädter dorthin, wo mehr Leben ist: an ihren Arbeitsplatz, in die Schulen und Hochschulen, in die Innenstadt oder zum Hauptbahnhof.
Im Viertel selbst gibt es aber auch allerhand: Kindergärten, Schulen, Kirchen, Ärzte, Banken, Bäcker mit Poststelle, Kioske, Lebensmittel- und Wochenmarkt, Restaurants, Eisdiele und Café, Friedhof, Freibad und gleich zwei Fußballvereine: den VfB Gartenstadt und den SV Waldhof. Was fehlt sind über Jahrhunderte gewachsene Strukturen wie es sie in anderen Stadtteilen gibt, die ehemals eigenständige Ortschaften waren und eingemeindet wurden. Es fehlt der lebendige Ortskern und der mit Traditionsveranstaltungen gefüllte Terminkalender. Immerhin bringt der Wochenmarkt immer freitags Leben auf den Freyaplatz.
Viel zu entdecken
Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten, gibt es ebenfalls. So gibt es für Kinder zahlreiche Spielplätze, vor allem der große am Karlstern ist ein attraktives Ausflugsziel. Wildgehege und Vogelpark sorgen ebenso für Abwechslung wie Minigolfanlage oder die beliebten Grillhütten. Auf unzähligen Wegen lässt sich im Käfertaler Wald wunderbar spazieren oder radeln.
Jugendhaus, Kirchengemeinden, Bürgerverein und das Waldhaus bereichern das Leben mit ihren Angeboten und Veranstaltungen, wenn nicht gerade eine Pandemie alle(s) ausbremst. Hart ausgebremst wurden auch die Ehrenamtlichen der Freilichtbühne, die üblicherweise in den Sommermonaten tausende Zuschauer mit spannenden oder lustigen Stücken in ihrem Theater unter freiem Himmel unterhalten. Die Atmosphäre hier an einem lauen Sommerabend ist wirklich großartig und ein wahrer Schatz der Gartenstadt.
Ein anderer Schatz ist der denkmalgeschützte Teil des Viertels. Er beginnt an der Kreuzung Waldstraße/Waldpforte. Dort entstanden nach Gründung der Gartenstadt-Genossenschaft ab 1912 die ersten Wohnhäuser der auf dem Reißbrett entworfenen Arbeitersiedlung. Die Mannheimer Architekten Hermann Esch und Arno Anke waren mit der Planung beauftragt worden und hatten ein Wohngebiet nach dem Vorbild der englischen Gartenstadt-Bewegung entwickelt. Die Grundidee: Günstiger Wohnraum für Arbeiterfamilien in kleinen Häusern mit reichlich Licht und Luft und großen Gärten, um für die Selbstversorgung Obst und Gemüse anzubauen sowie Hühner oder auch Schweine zu halten. Insgesamt entstanden mit viel Eigenleistung der Bewohner 420 solcher Einfamilienhäuser. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 geriet das ambitionierte Bauvorhaben ins Stocken, die ursprünglichen Pläne wurden nie vollständig umgesetzt.
Wenn ich durch die historischen Straßenzüge und noch viel lieber hinter den langen, schmalen Gärten entlang schlendere, komme ich mir vor, wie aus der Zeit gefallen. Dann wünsche ich mir, in die hoffnungsvollen Anfangsjahre meines Stadtteils reisen zu können. Gerne würde ich die ersten Bewohner treffen, um zu erfahren, was es damals für sie bedeutete, in diese schmucken Häuser einzuziehen – raus aus engen, stickigen Mietskasernen, rein ins Eigenheim mit großem Garten. Oft denke ich: Eigentlich hat sich genau dieser Wunsch doch erhalten. Noch immer träumen viele vom eigenen Haus im Grünen.
Damals war es die genossenschaftliche Idee, die es Menschen mit geringen Einkommen ermöglichte, ein besseres, gesünderes Leben zu führen. Später waren es Siedlergemeinschaften und Erbpachtverträge der Pflege Schönau, die den Hauskauf erschwinglich machten. Die Gartenstadt ist ein steinernes Zeugnis dafür, dass Solidarität alle weiterbringen kann. Ich bilde mir gerne ein, dass dieser Gemeinschaftsgeist noch immer durch die Straßen weht. Und dann freue ich mich, dass ich nicht mehr bloß an der Gartenstadt vorbeifahre, sondern hier lebe.
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