Neujahrsempfang

So war die letzte Neujahrsrede von Ludwigshafens OB Jutta Steinruck

Zwischen globalen Krisen und Hochstraßen war auch Platz für Emotionen: Jutta Steinruck hat in Ludwigshafen ihre letzte Neujahrsrede gehalten. Wen sie kritisierte und wo es Applaus gab

Von 
Julian Eistetter
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Jutta Steinruck bei ihrer letzten Neujahrsrede als OB. © Thomas Tröster

Ludwigshafen. Von globalen Krisen zu lokalen Herausforderungen: In ihrer rund 40-minütigen Neujahrsansprache beim offiziellen Empfang der Stadt Ludwigshafen schlägt Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos) einen großen Bogen von aktuellem Weltgeschehen zu den Themen direkt vor der Haustür.

Neben dem Blick auf die Großprojekte wie die Hochstraßen und die geplante City West, das 100. Jubiläum des Ebertparks 2025, die finanzielle Situation der Stadt und die Bildungskrise ist dabei auch Platz für Persönliches und Emotionen. Denn Steinruck spricht letztmals in diesem Rahmen als Oberbürgermeisterin zu den Bürgerinnen und Bürgern Ludwigshafens. Ende 2025 scheidet die 62-Jährige aus dem Amt aus, bei der Wahl im September tritt sie nicht mehr an.

Mit Neujahrsbrezel und Glückstorte (v.l.): Daniel Knepple, Maurice Maurer, Sebastian Lanzet, Jutta Steinruck und Ulf Lanzet. © Thomas Tröster

Sparzwang für Steinruck ein Grund für Verzicht auf erneute Kandidatur als Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen

Begründet hat die Rathauschefin diese Entscheidung schon mehrfach, und auch an diesem Mittwochabend im Konzertsaal des Pfalzbaus tut sie es noch einmal, als es um die städtischen Finanzen geht. „Ludwigshafen steht unter enormem Druck, vor allem durch hohe Altschulden und fehlende Unterstützung von Bund und Land. Unsere Stadt droht, an dieser Last zu zerbrechen - das muss ich auch am heutigen Abend so deutlich sagen“, betont sie.

Das sei einer der Gründe, weshalb sie nicht erneut kandidiere. „Land und Aufsichtsbehörde zwingen uns zu Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich - und das jedes Jahr aufs Neue. Ohne dass ein echter Finanzausgleich die Versäumnisse der Vergangenheit oder die Besonderheiten unserer Industriestadt berücksichtigt", klagt Steinruck. Die geforderten Einschnitte würden ihrer Ansicht soziale und infrastrukturelle Schäden verursachen, die die Stadtgesellschaft schwer belasten würden.

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Den fehlenden Mitteln und der finanziellen Überforderung stünden stetig wachsende Aufgaben gegenüber, die von Bund und Land auf Kommunen abgewälzt würden. „Als ich mein Amt antrat, hatte ich viele Pläne für unsere Stadt. Doch schnell wurde klar, dass einige davon angesichts der finanziellen Belastungen der Kommunen kaum umsetzbar waren“, zieht die Rathauschefin bereits ein kleines Resümee ihrer Amtszeit. Es bedürfe dringend einer nachhaltigen finanziellen Entlastung und eines Abbaus von Bürokratie, die Verwaltung und Bürger Zeit und Energie koste.

Steinruck über Bildungspolitik des Landes: "Eklatantes Versagen"

Deutliche Kritik am Land äußert Steinruck auch im Zusammenhang mit der Bildungspolitik. „Wenn über 40 Prozent der Erstklässler an der Gräfenau-Grundschule wegen fehlender Deutschkenntnisse die erste Klasse wiederholen müssen, zeigt das ein eklatantes Versagen der bisherigen Bildungspolitik“, sagt Steinruck unter lautem Applaus. Überfüllte Klassen, dramatischer Personalmangel und eine inkonsequente und nicht ausreichend finanzierte Sprachförderung seien die Realität an den Ludwigshafener Schulen. Das Konzept des Landes verfehle in Städten wie Ludwigshafen seine Wirkung. „Wir brauchen verpflichtende Schulvorbereitungsklassen, eine deutliche Aufstockung von Personal in Kitas und Schulen und endlich kleinere Klassen“, fordert die Verwaltungschefin.

Das Orchester des Carl-Bosch-Gymnasiums sorgte für eine erstklassige musikalische Umrahmung des Neujahrsempfangs.

© Thomas Tröster

Die Hochstraßen-Projekte und die neue City West sieht Steinruck als große Chance

Gleichzeitig sieht Steinruck „ihre stolze Stadt“ im Aufbruch. Der Rohbau der neuen Hochstraße Süd wachse, die Arbeiten liefen planmäßig. „Anfang 2026 wollen wir die neue Brücke wieder für den Verkehr freigeben - ein Ziel, das für unsere Stadt und die gesamte Metropolregion von großer Bedeutung ist.“ Die Hochstraße sei aber nur ein Teil des großen Ganzen.

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Der Abriss der Hochstraße Nord und der Bau der ebenerdigen Helmut-Kohl-Allee schaffe Platz für Stadtentwicklung. „Die Helmut-Kohl-Allee ist nicht nur eine Verkehrsachse, sondern auch der Ausgangspunkt für ein ambitioniertes Vorhaben, das das Gesicht unserer Innenstadt nachhaltig verändern wird“, sagt die OB. „Stein und Beton werden verschwinden“, verspricht sie. Ludwigshafen werde moderner, grüner und lebenswerter.

Beim Thema Berliner Platz gibt es viel Applaus: "Wir die Wunde heilen"

Dazu beitragen, dass sich die Innenstadt zu einem Ort entwickelt, „der zum Verweilen einlädt“ und „Begegnungen ermöglicht“ soll auch das neue Büro und Geschäftshaus, das vom Investor Unmüssig am Berliner Platz geplant wird. „Der Kaufvertrag ist unterzeichnet, und ab Sommer 2025 könnte Baurecht erteilt werden. Wir werden die Wunde am Berliner Platz endlich heilen“, sagt Steinruck unter dem Applaus des Publikums.

Trotz großer Herausforderungen wie Pandemie, Kriegen und Inflation sei in ihrer Amtszeit bislang einiges angepackt und vorangetrieben worden, blickt die 62-Jährige zurück. Und auch in ihrem letzten Jahr als OB werde sie weiter mit vollem Einsatz und ohne Zurückhaltung die Zukunft ihrer Heimatstadt mitgestalten. Das Miteinander sei in ihrer Amtszeit immer ihr Leitgedanke gewesen. Und wenn sie sich nun in ihrer letzten Neujahrsrede an die Bürger wende, verspüre sie in erster Linie Stolz - und Freude. Vorfreude auch auf ein besonderes Ereignis in diesem Jahr: Der Ebertpark wird 100 Jahre alt. Das werde gebührend gefeiert.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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