In ihrer letzten Neujahrsrede als Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen sagt Jutta Steinruck Pessimismus den Kampf an. Mit ihm lasse sich keine Zukunft gewinnen. Gleichzeitig malt sie mit ihren Worten dann aber selbst ein ziemlich düsteres Bild. Globale Krisen, die dramatische Finanzlage der Stadt, das offenkundige Desaster bei der Integration migrantischer Kinder in das Bildungssystem – wieder einmal muss man sich an diesem Abend fragen, wer sich das Amt des Rathauschefs in der Chemiestadt in Zukunft wirklich antun will.
Steinrucks Ansprache gerät dabei zusehends auch zu einer Abrechnung mit Bund und Land. Fehlender Gestaltungsspielraum durch immer drastischeren Sparzwang bei gleichzeitig immer mehr zugewiesenen Aufgaben hat sie mürbe gemacht und zusehends frustriert. Und so bleibt der Oberbürgermeisterin ein Jahr vor dem Ende ihrer Amtszeit die Erkenntnis, dass sie längst nicht alle ihre ambitionierten Ziele von vor sieben Jahren auch in die Tat umsetzen konnte.
Ein wenig zu rosarot kommt vielleicht auch deshalb ihre Darstellung des geplanten Quartiers rund um die Helmut-Kohl-Allee daher. Steine und Beton werden nicht „verschwinden“, wie sie ankündigt. Das ist bei einer Straße von einer solchen Dimension reine Illusion. Und auch der Weg der Innenstadt zu einem „Ort zum Verweilen“ ist noch sehr weit. Allein durch ein neues Bürohaus am Berliner Platz wird er nicht zu bewältigen sein.
Insgesamt aber trifft Steinruck bei ihrer letzten Ansprache in diesem Rahmen durchaus den richtigen Ton – auch mit der Kritik an Bund und Land. Die finanzielle Schieflage betrifft schon längst nicht mehr nur Ludwigshafen und Kommunen in Rheinland-Pfalz, sondern auch in Baden-Württemberg, wie der Blick nach Mannheim, Heidelberg oder in kleinere Gemeinden zeigt, wo dieselben Probleme jetzt mit etwas zeitlicher Verzögerung ankommen.
Es ist etwas aus dem Gleichgewicht geraten, den Kommunen fällt es immer schwerer, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Das sorgt für Unzufriedenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern und untergräbt das Vertrauen in staatliche Institutionen – und letztlich in die Demokratie.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-die-letzte-neujahrsrede-von-jutta-steinruck-als-ob-ist-auch-eine-abrechnung-_arid,2276681.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-so-war-die-letzte-neujahrsrede-von-ludwigshafens-ob-jutta-steinruck-_arid,2276658.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die letzte Neujahrsrede von Jutta Steinruck als OB ist auch eine Abrechnung
Sparzwang, Schulden, Bildungskrise: Jutta Steinruck holt mächtig gegen das Land aus. Ihr Frust ist nachvollziehbar, kommentiert Julian Eistetter. Sind doch die Folgen der Unterfinanzierung weitreichend