Ludwigshafen

Jutta Steinruck bei Neujahrsrede in Ludwigshafen: "Weniger Hetze, mehr Dialog"

Angesichts all der Probleme in der Welt erkennt Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck eine Krisenmüdigkeit bei den Menschen. Warum sie dennoch Zuversicht verbreitet und welche Themen ihr wichtig sind

Von 
Julian Eistetter
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Jutta Steinruck bei ihrer Neujahrsrede im voll besetzten Konzertsaal des Pfalzbaus. Links neben ihr als Glücksbringer der Schornsteinfeger Matthias Bauer. © Thomas Tröster

Krisen haben dafür gesorgt, dass Jutta Steinruck in den vergangenen drei Jahren ihre Neujahrsansprache nur rein digital an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt bringen konnte. Vor einer Videokamera und ohne Publikum vor Ort hielt die Oberbürgermeisterin Ludwigshafens von 2021 bis 2023 ihre Reden. Corona war der Auslöser, im vergangenen Jahr dann die finanzielle Misere der Stadt. In diesem Jahr konnten Interessierte erstmals wieder im Pfalzbau anhören, was ihr Stadtoberhaupt zur Einstimmung auf das noch neue Jahr zu sagen hat. Rund 1300 Menschen folgten der Einladung.

Krisen standen dabei in Steinrucks Ansprache ebenfalls im Mittelpunkt. „Auch 2023 war Krise der Normalfall“, sagte die Rathauschefin in der Rückschau. Insgesamt blickten Politik und Gesellschaft nun schon auf zehn Jahre Ausnahmesituationen zurück, angefangen mit der Finanz- und Bankenkrise über die Corona-Pandemie, den russischen Angriff auf die Ukraine, die folgende Energiekrise mit Kostensteigerungen und Inflation sowie zuletzt die Eskalation in Nahost. Und auch die globale Klimakrise zeige sich in Deutschland und in Ludwigshafen immer konkreter.

„Weniger Hetze, mehr Dialog“

Dass all diese Krisen und Herausforderungen etwas mit den Menschen machen, das erlebe Steinruck tagtäglich in Gesprächen. „Das, was ich im persönlichen Austausch erfahre, ist häufig eine Art Krisenmüdigkeit“, sagte sie. Die Gesellschaft sei den Umbrüchen und Veränderungen gegenüber nicht mehr so aufgeschlossen wie in der Vergangenheit. „Ich kann diese Veränderungserschöpfung zumindest ein stückweit durchaus verstehen“, so Steinruck.

Doch genau das sporne sie an, die Situation in der Stadt zu verbessern. Denn Kommunen seien die Heimatstadt der Demokratie, zitiert sie den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck.

Dort würden die übergeordneten Entscheidungen für die Menschen praktische Realität. Für die gemeinsame Zukunft ruft Steinruck die Bürgerinnen und Bürger auf, mit Mut und Zuversicht nach vorn zu schauen. Demokratie lebe von konstruktivem Dialog und vom Wettbewerb der Argumente. „Weniger Hetze und Empörung, mehr Dialog. Zuhören statt diffamieren“, so der klare Appell der OB.

Das Orchester der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz begeisterte das Publikum mit dem musikalischen Rahmenprogramm. © Pressefotoagentur Thomas Tröste

Grund zur Zuversicht sieht Steinruck in vielen Bereichen auch beim Blick auf Ludwigshafen. Diese weiteren Themen hat sie in ihrer Rede angesprochen:

Die Hochstraßen

Drei Jahre nach dem Abriss der Pilzhochstraße wurde Ende Oktober der Grundstein für den Neubau der Hochstraße Süd gelegt. Die Freigabe der Trasse ist für Anfang 2026 geplant. „Das ist einmalig schnell – so schnell, wie es innerhalb des gesetzlichen Rahmens möglich war“, sagte Steinruck. Auch beim Bau der Helmut-Kohl-Allee werde es in diesem Jahr konkret. Das Finanzierungspaket von Bund und Land sei gesichert, die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss seien zurückgenommen worden. „All das sind gute Nachrichten für Ludwigshafen und die gesamte Metropolregion.“

Die Innenstadt

„In den kommenden Jahren sollen die City und die angrenzenden Quartiere moderner werden und sich für neue und zeitgemäße Formen des Lebens, Wohnens, Arbeitens und Einkaufens in der Stadt öffnen“, so Steinruck.

Unter anderem werde der Friedrich-Wilhelm-Wagner-Platz umgestaltet, das Förderprogramm Innenstadt-Impulse setze weitere Akzente wie die bunte Unterführung vom Berliner Platz zum Rheinufer. Mit der City-Vision 2053 soll die heute eher triste Innenstadt zu „einem Erlebnisraum“ werden. Damit verbindet Steinruck auch die Hoffnung, „endlich eine Lösung für das Metropol am Berliner Platz zu finden – einer „Zumutung für die Stadtgesellschaft“.

Das Klima

Kommunen komme beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle zu, betonte die Rathauschefin. „Auf dem Weg in die Klimaneutralität legt Ludwigshafen mit der kommunalen Wärmeplanung das Fundament für den Umstieg auf erneuerbare Energien“, sagte sie. „Bis spätestens 2045 wollen wir klimaneutral sein.“

Die Betreuung

In Ludwigshafen herrscht ein erheblicher Mangel an Kita-Plätzen. Das ist der Oberbürgermeisterin bewusst. „Ich weiß, dass vielen Eltern die angespannte Lage Sorge bereitet. Wir wissen, da müssen wir besser und schneller werden.“ Mitte des Jahres sollen die Arbeiten für eine neue Kindertagesstätte in Maudach für 110 Kinder beginnen. Daneben würden aktuell die Strukturen in der Verwaltung überarbeitet, um den Kita-Ausbau schneller vorantreiben zu können.

Die Gräfenauschule

Für Steinruck steht die Gräfenauschule im Hemshof stellvertretend für die Situation in der Bildungspolitik generell. „Ich bin der Leiterin Barbara Mächtle sehr dankbar, dass sie die Courage hatte, die Probleme offen anzusprechen“, betonte Steinruck. Es helfe nichts, Dinge nur schönzureden, es müsse schnell und zielgerichtet gehandelt werden. Gerade Ludwigshafen mit seiner Bevölkerungsstruktur mit einem hohen Anteil ausländischer Bürgerinnen und Bürger stehe in Sachen frühkindliche Bildung vor besonderen Herausforderungen. Dabei brauche die Stadt dringend Unterstützung seitens des Landes.

Die Finanzlage

Bei diesem Thema gibt es auch für die OB wenig Anlass für Zuversicht.

Bund und Land lassen ihrer Ansicht nach die Kommunen allein mit einer ungelösten Altschuldenfrage und einer unzureichenden Finanzierung für Pflichtaufgaben. „Das starre Festhalten am Spardiktat in diesen schwierigen Krisenzeiten gefährdet die lokale Daseinsvorsorge“, kritisierte sie. Deshalb werde die Stadt gemeinsam mit einem Landkreis eine angemessene finanzielle Ausstattung durch Bund und Land einklagen, kündigte sie an. „Wer bestellt, bezahlt. Und zwar alles!“ Das gelte auch für die Unterbringung von geflüchteten Menschen, bei der sich Ludwigshafen nicht aus der Verantwortung ducken werde.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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