Ludwigshafen. Der Abriss der Pilzhochstraße war eines der spektakulärsten Ereignisse in Ludwigshafen in den vergangenen Jahren. Im Sommer 2020 wurde der 500 Meter lange Abschnitt der Hochstraße Süd in der Innenstadt dem Erdboden gleich gemacht. Dabei kam während der Arbeiten eine außergewöhnliche Stützkonstruktion zum Einsatz, die aus insgesamt 1200 Baumstämmen bestand und unter die einsturzgefährdete Brückenkonstruktion geschoben wurde. Und genau um diese geht es in einem Rechtsstreit zwischen der Abrissfirma Moß (Lingen) und der Stadt Ludwigshafen, in dem das Unternehmen Nachtragszahlungen in Höhe von sieben Millionen Euro einfordert. Am Dienstag hat vor dem Frankenthaler Landgericht die Hauptverhandlung in dieser Sache begonnen.
Dass es in der Auseinandersetzung keine gütliche Einigung geben wird, ist für die Vorsitzende Richterin Therese von Schwichow früh klar. Es bestehe „keine Vergleichsbereitschaft“ bei den Parteien. „Die Finanzlage der Stadt Ludwigshafen ist ja bekannt“, sagt sie mit Blick auf den hohen Schuldenberg, in dessen Angesicht Nachtragszahlungen in Millionenhöhe besonders schmerzhaft wären. Gegen die Forderungen der Abrissfirma setzt sich die Verwaltung also heftig zur Wehr und hat sogar ihrerseits eine Widerklage erhoben. Darin werden Schadenersatzzahlungen in Höhe von 585 000 Euro von der Firma Moß geltend gemacht, da durch Verzögerungen im Ablauf der Schienenersatzverkehr der Rhein-Neckar Verkehr GmbH (RNV) länger habe aufrechterhalten werden müssen. Daneben sei es bei den Abbrucharbeiten auch im Umfeld der Brückenkonstruktion zu Beschädigungen am Pflaster gekommen.
Logistische Herausforderung
Wesentlicher Streitpunkt des Verfahrens ist aber die Abstützkonstruktion aus Bäumen. Die Firma Moß gibt an, dass die Stadt von ihr verlangt habe, dass die Stützpfeiler oben direkten Kontakt zur Brücke haben. Dies sei aus Sicht des Unternehmens aber nicht erforderlich gewesen und habe letztlich zu Mehraufwand, Verzögerungen und Mehrkosten geführt, weshalb sich das Auftragsvolumen von vereinbarten 5,1 Millionen Euro mehr als verdoppelt habe. Die Stadt vertritt den Standpunkt, dass es allein Sache der Firma Moß gewesen sei, mit den Prüfingenieuren ein tragfähiges Konzept auszuhandeln.
Zur Erinnerung: Da die Pilzhochstraße einsturzgefährdet war, durften sich keine Personen mehr unter ihr aufhalten. Die Installation der Stützkonstruktion entwickelte sich also zu einer logistischen Herausforderung. Die Holz-Stahl-Türme wurden letztlich mit ferngesteuerten, fahrenden Plattformen, Self-Propelled Modular Transporter genannt, unter die Hochstraße geschoben. Da sie dort abgesetzt werden mussten, bildete sich oben zwischen Beton und Stützkonstruktion ein Spalt von etwa 15 bis 20 Zentimetern. Die Brücke lag also nicht direkt auf den Holzpfeilern auf.
Nach der Darstellung der Verantwortlichen der Firma Moß wäre das kein Problem gewesen. Das Konzept sah vor, dass oben an den Stützen sogenannte Big Packs, also Säcke, gefüllt mit Sand oder Kies, aufgebracht werden, die ein mögliches Absenken der Brücke dann abfedern könnten. Dem Prüfingenieur war das jedoch nicht sicher genug. Er forderte, dass die kleine Lücke aufgefüllt wird, was die Firma Moß dann letztlich auch tat. Unter der Aufsicht des Statikers durften sich dafür dann doch Personen kurzzeitig unter der einsturzgefährdeten Brücke aufhalten.
Vom Konzept abgewichen?
Gegenstand der Befragungen am ersten Tag der Hauptverhandlung ist insbesondere ein Termin am 18. Dezember 2019, bei dem die Firma Moß der Stadt ihr Abrisskonzept präsentiert hat. Projektleiter Stefan Feldmann von Moß gibt als Zeuge an, damals die Arbeit mit dem Spalt zwischen Brücke und Stützkonstruktion als technisch einzige Möglichkeit benannt zu haben. Nach der Präsentation sei für die Stadt und die Prüfer also klar gewesen, was Moß plant. Im schriftlichen Moß-Konzept ist jedoch von einer „kraftschlüssigen Verkeilung“ zwischen Stützen und Brücke die Rede, was auf einen Kontakt zwischen ebendiesen schließen lässt. Darauf beruft sich auch die Stadt.
Was wie eine Kleinigkeit wirkt, wird wohl letztlich darüber entscheiden, in welche Richtung das Verfahren verläuft. Nach der Vernehmung von sieben Zeugen zeichnet sich noch kein klares Bild ab. Mit einer schnellen Entscheidung ist nicht zu rechnen. Das Verfahren wird im Dezember fortgesetzt.
Zahlen zum Abriss
- Am 22. November 2019 wird die Einsturzgefahr der Pilzhochstraße in der Innenstadt bekannt.
- Der reine Abriss dauert vom 11. Juni bis 25. September. Es fallen 30 000 Tonnen Beton an.
- Für die jeweils 20 Tonnen schweren Stützkonstruktionen werden insgesamt 1200 Baumstämme, 4000 Meter Stahlprofile, 640 Betonzahnräder, 7200 Meter Flachstahl und 15 000 Unterlegscheiben benötigt.
- Vereinbart sind 5,1 Millionen Euro, die Abrissfirma fordert sieben Millionen Euro nach.
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