Ludwigshafen. Die Finanzierung der Hochstraßensanierung und des Neubaus einer Stadtstraße mit dem Namen Helmut-Kohl-Allee in Ludwigshafen sorgt angesichts überall spürbarer Preissteigerungen für extreme Sorge bei einzelnen Fraktionen des Stadtrats. Die desaströse Haushaltslage lasse weitere Belastungen nicht zu, so der Tenor.
Aussagen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in einem Interview mit der Zeitung „Die Rheinpfalz“ in der vergangenen Woche haben vorhandene Ängste zuletzt noch befeuert. Auf 1,5 Milliarden Euro werden die Gesamtkosten für das System Hochstraße im bisher schlimmsten Szenario taxiert. Über deren Aufteilung zwischen Bund, Land und Stadt bestand zwar in den vergangenen Jahren keine schriftliche Übereinkunft, aber man ging davon aus, dass - wie anderswo - der Bund 60, das Land 25 und die Stadt 15 Prozent trägt. Das Gute für Ludwigshafen ist nun, dass sich Wissing - wohlgemerkt ohne Legitimierung durch die Parlamente - öffentlich zu dieser Aufteilung bekannt hat, aber gleichzeitig mitteilt, dass dieser Verteilerschlüssel nicht für weitere Kostensteigerungen gelten könne. Muss die mit mehr als 1,6 Milliarden Euro verschuldete Stadt also eventuell zukünftig noch mehr Lasten tragen, als sie ohnehin schon zu tragen hat?
Telefonat mit Verkehrsminister
Die Klärung dieser Frage stand am Montag im Mittelpunkt eines Antrags im Stadtrat von Grünes Forum und Piraten sowie der Freien Wähler (FWG). „Wir müssen als Stadtgesellschaft ernsthaft darüber nachdenken, ob dieses Bauvorhaben aufgegeben wird“, stand wörtlich in dem Papier, das zur Abstimmung stand. Erreicht werden sollte eine Mehrheit für eine Klausel, die vorsieht, dass der Bau nur unter der Maßgabe der genannten Kostenverteilung (60/25/15 Prozent) im Falle von Teuerungen stattfindet. Dies wiederum kann Wissing nicht zusagen, da es einen Präzedenzfall für andere Bau- und Sanierungsprojekte in Deutschland bedeuten würde.
Eine Bredouille stellt das für Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) dar. Es ging in der Stadtratsdiskussion um den Antrag also wesentlich darum, ob es der OB gelingen kann, trotz fehlenden rechtlichen Rahmens im Gespräch mit dem Verkehrsministerium zu Lösungen zu kommen, die Ludwigshafen nicht als Verlierer dastehen lassen. Oder anders ausgedrückt: Existiert bei den Fraktionen des Stadtrats genug Vertrauen in die Verhandlungskünste von Steinruck in Berlin und Mainz? Und: Steht Wissing zu dem Wort, dass es am Ende andere Lösungen für Ludwigshafen geben wird?
„Wir sind so verblieben“, berichtete die 60-Jährige aus einem eigentlich diskreten Telefonat mit dem Bundesverkehrsminister vom vergangenen Freitag.
„Das wäre der Tod dieser Stadt“
Volker Wissing hatte bereits im Jahr 2019 in einem Interview mit dieser Redaktion ausgedrückt, wie intensiv er mit der Sache befasst sei und wie wichtig die Hochstraßen nicht zuletzt für die Wirtschaft in der Metropolregion seien. Damals drückte er - noch als rheinland-pfälzischer Verkehrsminister - seinen Willen zur Unterstützung Steinrucks aus. Auf eine Anfrage vom Montag reagierte sein Ministerium bisher nicht.
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Hundertprozentiges Vertrauen in Wissings Aussagen haben die Ludwigshafener Stadträte und Stadträtinnen nicht. Johannes Thiedig formulierte das für die AfD. Auch die Linke ist skeptisch und brachte in Person von Bernhard Wadle-Rohe wieder eine Schenkung der Hochstraßen an den Bund ins Gespräch. Vom Bund hatte die Stadt einst die Baulastträgerschaft übernommen, weil Ludwigshafen so stolz - unter anderem auf die Architektur - war. Seit 2018 versucht Steinruck, den Spieß wieder umzudrehen. Es handle sich schließlich um überregional relevante Straßen. Ohne Erfolg bisher. Die OB betonte, alles in dieser Hinsicht unternommen zu haben und fragte Wadle-Rohe ironisch nach der Adresse des Rechtsanwaltes, der diesen Prozess für Ludwigshafen gewinne. Steinrucks Sozialdemokraten, die Bürger für Ludwigshafen, die FDP und auch CDU-Chef Peter Uebel lehnten für ihre Fraktionen den Antrag ab und verbanden damit jeweils ein Bekenntnis zu Neubau- und Sanierungen der Hochstraßen.
Die OB selbst hatte zuvor einmal mehr zu einer ihrer Blut-, Schweiß- und Tränen-Reden gegriffen. Eine Zustimmung zu diesem Antrag bedeute das Aus für die Hochstraße Nord. „Das wäre der Tod dieser Stadt“, warnte sie. Es wirkte. Die Fraktionen, die den Antrag formuliert hatten, zogen ihn zurück.
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