Ludwigshafen. Ein Säugling wird in seinen ersten Lebenswochen schwer misshandelt. Zahlreiche Verletzungen an dem kleinen Körper zeugen von dem Martyrium, das er mutmaßlich im engsten Familienkreis erdulden musste. Beschuldigt werden die Eltern des Jungen. Seit Oktober muss sich das Ex-Paar aus Ludwigshafen in einem neu aufgerollten Verfahren vor dem Landauer Landgericht dafür verantworten.
Die Mutter Nina R. und der Vater Ismail I. schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Wie der Prozess ausgeht, ist offen. Am jüngsten Verhandlungstag wurde nun bekannt: Trotz der schwerwiegenden Vorwürfe wollen beide Elternteile wieder einen Kontakt zu ihrem Sohn aufbauen.
So geht es dem Kind heute
Der Junge ist inzwischen vier Jahre alt und lebt bei einer Pflegefamilie. Während des Prozesses hat sein ehemaliger Amtsvormund von den Folgen der frühkindlichen Misshandlungen berichtet.
So habe das Kind Probleme beim Laufen und Sprechen sowie mit den Augen. Mit der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen tue sich der Junge schwer. Im Vergleich zu anderen Kindern hinke er in der Entwicklung hinterher.
Antrag auf Umgang bereits 2020
Bereits im Jahr 2020 stellten die Eltern einen Antrag auf begleiteten Umgang mit ihrem Kind, wie aus einem jetzt in das Verfahren eingeführten Gutachten hervorgeht. Begleiteter Umgang bedeutet, dass bei Treffen eines der Elternteile mit dem Jungen eine dritte Person anwesend sein müsste, die in schwierigen Situationen unterstützt und insbesondere eine Gefährdung des Kindswohls ausschließen soll.
Das Verfahren
Nina R. und Ismail I. sollen ihren damals wenige Wochen alten Sohn im Oktober 2018 schwer misshandelt haben.
Im Oktober 2019 wurden sie vom Landgericht Frankenthal zu je dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das Landgericht Landau, wo es im Oktober 2022 neu begann.
Der nächste Verhandlungstermin ist der 16. Januar. Es werden die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erwartet.
Der Antrag wurde jedoch abgelehnt, wie eine Anfrage beim zuständigen Amtsgericht Ludwigshafen ergibt.
Gericht muss erneut prüfen
„Es trifft zu, dass das hiesige Familiengericht den persönlichen Umgang beider Elternteile im November 2020 ausgeschlossen hatte“, teilt der stellvertretende Direktor Stephan Beth mit. Eine solche Entscheidung sei aus Rechtsgründen jedoch nur befristet.
In der Zwischenzeit sei die vom Gericht bestimmte Ausschlussfrist abgelaufen. „Das Familiengericht hat daher zu überprüfen, ob eine Fortdauer des Umgangsausschlusses weiterhin gerechtfertigt oder den Eltern Umgang zu gewähren ist - gegebenenfalls auch in begleiteter oder überwachter Form“, so Beth.
Für eine entsprechende Entscheidung bedarf es laut Gericht der Einschätzung eines psychologischen Sachverständigen. Ein entsprechendes Gutachten wurde in Auftrag gegeben und werde derzeit erstellt.
So urteilte ein Sachverständiger
Bereits der Entscheidung aus dem Jahr 2020 lag ein solches Gutachten zugrunde. Der Psychologe, der es erstellt hatte, war beim vergangenen Verhandlungstag im Strafprozess gegen die Eltern als Zeuge geladen.
Er erläuterte, dass die Stabilisierung des misshandelten Kindes in seinem neuen Umfeld damals aus seiner Sicht höchste Priorität genoss und die Umgangswünsche der Eltern hinten angestellt werden müssten. Bei der Mutter Nina R. hätten seiner Einschätzung nach insbesondere egoistische Motive überwogen, in die Situation ihres Sohnes habe sie sich nur unzureichend einfühlen können.
Von einem Umgang der Eltern mit dem Kind riet er damals auch wegen der eigenen problematischen Biografien von Mutter und Vater ab. Sie hätten zudem schon einmal unter Beweis gestellt, dass der angemessene Umgang mit ihrem Kind sie deutlich überfordere.
Gleichwohl erhoffen sich sowohl Nina R. als auch Ismail I., eine Beziehung zu ihrem Kind aufbauen zu können. Beide hätten dies während der Untersuchungen als größten Wunsch angegeben, berichtete der Psychologe. „Über den Ausgang des Verfahrens kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden“, sagt der stellvertretende Amtsgerichtsdirektor dazu.
Gefahr der Retraumatisierung?
Reinhart Enßlin, Fachanwalt für Familienrecht in Mannheim, schätzt die Chancen für die Eltern eher als gering ein. Zwar könne bei einem begleiteten Umgang durch eine dritte Person die körperliche Unversehrtheit des Kindes sichergestellt werden. „Allerdings könnte ein Treffen mit einem Elternteil auch der seelischen Gesundheit eines Kindes schaden, da ein solches zu einer Retraumatisierung führen kann“, sagt er. In einem solchen Fall sei auch ein begleiteter Umgang auszuschließen.
Wie mehrfach berichtet, steht das Ex-Paar aus Ludwigshafen derzeit erneut vor Gericht. Das Landgericht Frankenthal hatte beide im Oktober 2019 zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Misshandlung durch Unterlassung verurteilt, weil weder Mutter noch Vater konkrete Misshandlungen nachzuweisen waren. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies es nach Landau zurück.
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