Landgericht

Eltern von misshandeltem Baby aus Ludwigshafen erneut vor Gericht - so lief der Prozessauftakt

Von 
Agnes Polewka
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Die beiden Angeklagten sollen ihren sechs Wochen alten Säugling brutal misshandelt haben. © Agnes Polewka

Landau.

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Wenn ein Kind geboren wird, braucht es die Nähe und Liebe seiner Eltern, ihre Verbundenheit. Dadurch entsteht Urvertrauen, der Glaube an eine gute Welt und an sich selbst. Einem kleinen Jungen aus Ludwigshafen ist all das verwehrt geblieben. Sechs Wochen nach seiner Geburt im Herbst 2018 kommt der Säugling mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus. Der Körper des Kleinen trägt Spuren eines wochenlangen Martyriums. Äußerlich und innerlich. Eine Notoperation rettet sein Leben. Bis heute können Mediziner nur darüber mutmaßen, wie schwer die bleibenden Schäden seiner Kopfverletzungen sind, welche Beeinträchtigungen bleiben. Die Eltern des kleinen Jungen müssen sich seit Mittwoch vor dem Landgericht in Landau verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen erhoben. Ein weiteres Mal.

Bundesgerichtshof hat das Urteil aufgehoben

Denn Nina R. und Ismail I. aus Ludwigshafen standen schon einmal vor Gericht, weil sie ihren neugeborenen Sohn schwer misshandelt haben sollen. Das Landgericht Frankenthal verurteilte beide zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat das Urteil aufgehoben. Keinem der beiden Elternteile konnte während des Verfahrens in Frankenthal nachgewiesen werden, ihren Sohn gequält und schwer misshandelt zu haben. Deshalb wurden beide wegen Misshandlung durch Unterlassung verurteilt. Dafür, dem Baby in seiner Notsituation nicht beigestanden, ihm nicht geholfen zu haben.

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Damit folgte das Gericht dem strafrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“ - „im Zweifel für den Angeklagten“. Da das Gericht aber nicht feststellen konnte, wer den Jungen misshandelt hat und wer ihm nicht half, hätten beide laut BGH auch nicht wegen Unterlassung verurteilt werden dürfen. Deshalb wird der Prozess nun erneut aufgerollt - vor der Jugendschutzkammer des Landgerichts Landau.

Ismail I. faltet die Hände vor dem Gesicht, während Staatsanwältin Eveline Teutsch von der Frankenthaler Staatsanwaltschaft - die weiter die Anklage führt - die Verletzungen des Säuglings beschreibt. Den durchlöcherten Darm des Jungen, dessen Inhalt sich in seinen Körper ergoss, was zu einer Bauchfellentzündung führte, und einer Blutvergiftung. Den eingedrückten Kopf, die Gehirnblutung. Die Prellungen an Herz und Lunge. Rippenbrüche. Ein Hämatom im Genitalbereich. Einblutungen im Gesicht.

Regungslos sitzt der 28 Jahre alte I. auf der Anklagebank, während die Staatsanwältin beiden Angeklagten vorwirft, den Jungen in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober aus sexueller Lust heraus gequält und schwer verletzt zu haben. „Sie zogen keinen Notarzt hinzu, sondern überließen ihn seinem Schicksal und seinen Schmerzen.“ Erst am nächsten Morgen seien die Eltern mit dem Jungen bei einer Kinderärztin aufgeschlagen, die das Kind notfallmäßig in ein Krankenhaus bringen ließ.

Nina R.s Blick ist starr nach vorne gerichtet. Auch sie soll ihr Kind in der Tatnacht schwer verletzt haben. Die 30-Jährige möchte keine Angaben zu ihrem Leben machen, zu ihrer Biografie. Sie möchte nichts darüber sagen, wie sie zu dem Menschen wurde, der sie heute ist. Das öffentliche Interesse während des Gerichtsverfahrens in Frankenthal hätte ihr schwer zu schaffen gemacht, sagt sie. Sie habe Angst, erneut ihre Arbeitsstelle als Verkäuferin zu verlieren.

Verteidiger gibt Erklärung für Mandantin ab

Ihr Verteidiger Alexander Kiefer gibt eine Erklärung für seine Mandantin ab. R. streitet - wie bereits vor dem Frankenthaler Landgericht - alle Vorwürfe ab. Sie räumt ein, mit der Geburt ihres Kindes überfordert gewesen zu sein, deshalb habe sie sich auch hilfesuchend an das Jugendamt gewandt. „Sie hat ihrem Kind allerdings nie willentlich Verletzungen zugefügt“, so der Strafverteidiger. Und nicht weggesehen.

In der Oktobernacht, die Gegenstand der Hauptverhandlung ist, sei ihr damaliger Partner aggressiv und angetrunken „von einer Sauftour“ nach Hause gekommen. Seine Mandantin mutmaße, dass er seinen Zorn am gemeinsamen Sohn ausgelassen habe. „An dem Kind wurden keine sexuellen Handlungen vorgenommen - weder durch meine Mandantin noch durch den Kindsvater, das kann sie sich nicht vorstellen“, betont der Strafverteidiger. „Dafür gibt es auch keinerlei Anhaltspunkte“, so Kiefer nach der Verhandlung im Gespräch mit dieser Redaktion.

Ismail I. schweigt zu den Vorwürfen, auch zu seiner Beziehung, zu seinem Kind. Zu dem kleinen Jungen, dem der Glaube an eine gute Welt schon früh genommen wurde.

Redaktion

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