Der Prozess gegen Nina R. und Ismail I. aus Ludwigshafen neigt sich ein zweites Mal dem Ende entgegen. Am Freitag erstatteten in dem neu aufgerollten Verfahren wegen schwerer Misshandlung eines wenige Wochen alten Säuglings am Landauer Landgericht die Sachverständigen ihre Gutachten. Während Rechtsmedizinerin Barbara Stöttner nochmals ausführlich auf die zahlreichen, teils schweren Verletzungen des Babys einging, zeichnete Ralf Werner, Facharzt für Psychiatrie, ein detailliertes Persönlichkeitsbild der angeklagten Mutter Nina R.. Ergebnis wie schon beim ersten Prozess vor mehr als drei Jahren: Die heute 30-Jährige ist voll schuldfähig.
Teils schlimme Verletzungen
Als Stöttner all die schlimmen Dinge noch einmal auflistet, die dem kleinen Jungen im Jahr 2018 in seinen ersten Lebenswochen widerfahren sein müssen, reagieren die Eltern ganz unterschiedlich. Während Nina R. aufmerksam die Mappe mit den Lichtbildern studiert, die die Verletzungen des Babys dokumentieren, stützt Ismail I. seinen Kopf auf die Arme und verdeckt mit den Händen das Gesicht.
Die Rechtsmedizinerin erläutert, wie dem Säugling mit einem langen Gegenstand, mutmaßlich einem Fieberthermometer, ein Loch im Rektum zugefügt wurde, durch das Kot in den Bauchraum gelangte und für eine lebensgefährliche Entzündung sorgte. Sie berichtet von den Risswunden am Penis, von dem eingedrückten Hinterkopf, von Hirnblutungen, gebrochenen Rippen und Schienbeinen, von einer Herzmuskelprellung und blauen Flecken im Gesicht. „Wir haben es hier mit einer Vielzahl von Verletzungen zu tun, die jede für sich hochauffällig ist“, sagt die Sachverständige. Dass es dem Baby sehr schlecht geht und es Schmerzen hat, hätten die Eltern ihrer Ansicht nach merken müssen.
Wer hat den Jungen misshandelt?
Genau datieren und zuordnen lassen sich all die Verletzungen nicht. Zumindest bei den Wunden im Rektal- und Genitalbereich ist es jedoch anhand der Beweisaufnahme wahrscheinlich, dass sie in der Nacht zum 15. Oktober 2018 zugefügt wurden. Am Morgen dieses Tages brachte das ehemalige Paar den Säugling schließlich zum Kinderarzt, der ihn unmittelbar in ein Krankenhaus bringen ließ.
Im Verfahren geht es um die schwierige Frage danach, wer den Jungen wie misshandelt hat. Das Frankenthaler Landgericht hat die Mutter und den Vater im Oktober 2019 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil auf. Keinem der beiden konnte während des ersten Verfahrens nachgewiesen werden, den Sohn gequält und schwer misshandelt zu haben. Deshalb wurden beide wegen Misshandlung durch Unterlassung verurteilt. Damit folgte das Gericht dem strafrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“ - „im Zweifel für den Angeklagten“. Da das Gericht aber nicht feststellen konnte, wer den Jungen misshandelt hat und wer ihm nicht half, hätten beide laut BGH auch nicht wegen Unterlassung verurteilt werden dürfen.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
So beschreibt der Sachverständige Nina R.
Der psychiatrische Sachverständige Ralf Werner wiederholte im Wesentlichen sein Gutachten aus dem ersten Prozess. Er beschreibt Nina R- als eine kindliche, egozentrische und selbstgefällige Person, die pubertäre Verhaltensweisen an den Tag lege und in ihrer Entwicklung verzögert sei. Hinweise auf eine Psychose oder eine andere schwere psychische Erkrankung, die ihre Steuerungs- oder Schuldfähigkeit beeinflussen könnten, hätten sich bei der Untersuchung der damals 26-Jährigen jedoch nicht ergeben. Sie sei voll schuldfähig, wenn auch mit auffälliger Persönlichkeitsstruktur. „An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert“, so Werner.
Plädoyers beim nächsten Termin?
Bereits im Gespräch damals habe Nina R. gesagt, dass die Darmperforation womöglich mit einem Fieberthermometer zugefügt worden sein könnte. Man habe ihr nie gezeigt, wie man es richtig anwende. Insbesondere diesen Aspekt wollte der BGH im neu aufgerollten Prozess noch einmal ausführlich beleuchtet wissen. Der Prozess wird am 16. Januar fortgesetzt. Womöglich wird noch ein weiterer Zeuge angehört, dann könnten die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung erfolgen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-baby-in-ludwigshafen-misshandelt-so-schaetzt-ein-psychiater-die-mutter-ein-_arid,2037465.html