Landau/Ludwigshafen. Sechs Wochen nach seiner Geburt im Herbst 2018 ist ein Säugling aus Ludwigshafen mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Der Körper des Kleinen trug Spuren eines wochenlangen Martyriums. Seit Ende Oktober müssen sich seine Eltern erneut vor Gericht verantworten, ihr Fall ist vor dem Landgericht Landau neu aufgerollt worden.
Staatsanwältin Eveline Teutsch hatte am ersten Prozesstag minutenlang die Verletzungen des Säuglings aufgezählt: seinen durchlöcherten Darm, dessen Inhalt sich in seinen Körper ergoss, was zu einer Bauchfellentzündung und zu einer Blutvergiftung führte. Den eingedrückten Kopf, die Gehirnblutung. Die Prellungen an Herz und Lunge. Rippenbrüche. Verletzungen im Genitalbereich. Einblutungen im Gesicht.
Am vierten Prozesstag sitzt ein Mann im Zeugenstand, der den Jungen fast drei Jahre lang als Amtsvormund begleitet hat. Am Dienstag gewährt er der Kammer Einblicke, wie es dem Kind in den vergangenen Jahren ergangen ist, zu welchem kleinen Menschen er heranreift.
"Er tut sich schwer mit der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen"
„Der künstliche Darmausgang des Jungen konnte erfolgreich wieder entfernt werden“, berichtet er. Doch der Junge habe Probleme beim Laufen und beim Sprechen. Mit drei Jahren habe er nur einzelne Wörter gebrabbelt. „Mama“ und „Papa“, einzelne Mini-Sätze. „Außerdem hat er Probleme mit den Augen“, so der Sozialpädagoge, der seit Anfang des Jahres im Ruhestand ist und den Jungen bis dahin betreut hat. Der Kleine sei auf einem Auge weitsichtig, auf dem anderen kurzsichtig. „Und er tut sich schwer mit der Kontaktaufnahme zu anderen Menschen.“ Anfang 2022 sei das Kind, das in einer Pflegefamilie lebt, in den Kindergarten gekommen. „Dort hat man schnell festgestellt, dass er weitere Hilfen benötigt“, sagt der Zeuge. Um besser anzukommen - und mitzukommen. „Er brauchte eine lange Zeit, um sich von den Behandlungen, den Operationen, den Beeinträchtigungen zu erholen“, sagt der ehemalige Amtsvormund des Jungen. Das habe dazu geführt, dass er im Vergleich zu anderen Kindern in der Entwicklung hinterherhinke, mit vielem erst später angefangen habe, anfangen konnte.
Im Verfahren geht es um die schwierige Frage danach, wer den Jungen wie misshandelt hat. Das Frankenthaler Landgericht hat die Mutter und den Vater des Jungen im Oktober 2019 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hob das Urteil auf. Keinem der beiden konnte während des ersten Verfahrens nachgewiesen werden, den Sohn gequält und schwer misshandelt zu haben. Deshalb wurden beide wegen Misshandlung durch Unterlassung verurteilt. Damit folgte das Gericht dem strafrechtlichen Grundsatz „in dubio pro reo“ - „im Zweifel für den Angeklagten“. Da das Gericht aber nicht feststellen konnte, wer den Jungen misshandelt hat und wer ihm nicht half, hätten beide laut BGH auch nicht wegen Unterlassung verurteilt werden dürfen.
Mitinsassin belastet angeklagte Mutter schwer
Am vierten Prozesstag belastet eine Zeugin die Mutter schwer. Die Frauen haben sich im Gefängnis kennengelernt, während die Angeklagte in U-Haft saß. „Sie hat mir erzählt, dass sie bei dem Jungen Fieber gemessen und Gefallen daran gefunden hat, als er schrie.“ Immer wieder fragen Verteidigung und Staatsanwaltschaft nach, warum dies bei der Polizei und während des ersten Verfahrens nie zur Sprache gekommen sei. Sie antwortet: „Ich weiß ganz genau, dass sie das gesagt hat.“
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