Wenn er spricht, ist er stärker geladen als jeder Akku: Harte Kritik an der Politik hat Stephan Kolb, Obermeister der neu formierten Elektroinnung Kurpfalz, geäußert. Denn die Energiewende und die fehlenden Lehrlinge machen dem Handwerk ganz enorm zu schaffen.
Die Montage von Solaranlagen und Wärmepumpen sowie der Ladeinfrastruktur für Elektroautos könnte für die Branche „eigentlich eine große Chance sein“, so der Obermeister, zumal ja meist in den Häusern auch Zähler installiert sowie Mess- und Steuerungstechnik erneuert werden müsse. Doch stattdessen stelle die Wärme- und Energiewende „eine große Herausforderung“ für die Elektrofachbetriebe dar. „Bei uns landet die Verunsicherung der Bürger“, klagte Kolb.
Offen sei nämlich die Frage, wie die Wärmewende finanziert werden solle. Dazu würden die Mitarbeiter der Betriebe immer wieder mit Fragen konfrontiert. „Die Fördermöglichkeiten sind viel zu gering, viel zu kompliziert“, kritisierte der Obermeister die Gesetzgebung des Bundes. So sei jedenfalls das Ziel, die Klimaneutralität zu schaffen, nicht zu erreichen, beklagte Kolb.
Dazu komme der enorme Fachkräftemangel. Kolb führte ihn darauf zurück, dass in den Schulen Werkunterricht mit handwerklichen Tätigkeiten kaum mehr stattfinde und auch Tugenden des Handwerks, Benimmregeln oder die Bedeutung von Fleiß für den Wohlstand gar nicht mehr vermittelt würden. „Die Wertschätzung in den Schulen für das Handwerk ist nicht groß“, bedauerte Kolb und verwies auf das Beispiel von zwei Abiturientinnen, die sich kürzlich nach Praktika im Handwerk erkundigt hätten, aber von ihren Lehrern stark abgeraten bekommen hätten.
Er könne sich ferner nicht vorstellen, welchen Sinn es haben solle, bereits in Grundschulen auf künstliche Intelligenz zu setzen. „Wir brauchen eine anständige Schulbildung“, forderte der Obermeister. Zudem bräuchten die Mitarbeiter eine verlässliche Kinderbetreuung. „Bildung und Jugend sowie die Integration der ausländischen Mitbürger“ müssten, so Kolb, das wichtigste Ziel der Politik sein. „Wir brauchen insgesamt ein Umdenken der Bevölkerung und der Politik dem Handwerk gegenüber“, verlangte der Obermeister mehr Wertschätzung.
Mannheims OB Specht regt Wärmewendeakademie an
Um ihre Interessen besser zu vertreten, haben sich die Elektroinnungen von Mannheim-Schwetzingen-Weinheim sowie Heidelberg nun zu einer neuen Innung Elektro- und Informationstechnik Kurpfalz zusammengeschlossen. „Nach mehr als hundert Jahren getrennten Wirkens“ sei dieser Schritt unerlässlich geworden, um wirtschaftlich handlungsfähig zu bleiben und den Interessen besser Gehör verschaffen zu können. Geführt wird die Innung von den beiden bisherigen Obermeistern Stephan Kolb (Mannheim) und Martin Illing (Heidelberg), Stellvertreter sind Andreas Köhler (Heidelberg) und Axel Kehrberger (Mannheim). Zusammen repräsentieren sie 200 Betriebe mit zusammen etwa 2400 Mitarbeitern. Sie ist damit die zweitgrößte Elektroinnung in Baden-Württemberg.
Mit den Kollegen vom Neckar-Odenwald-Kreis gibt es einen Innungsverbund, der dann zusammen 260 Unternehmen mit 2800 Beschäftigten vertritt. Der Verbund gestaltet auch gemeinsam den Maimarkt-Stand unter dem Motto „Bei uns kommt der Strom aus der Steckdose“, wo Berufsorientierung und Nachwuchswerbung sowie die Wärmewende die Hauptthemen sind. Zudem wirbt die Innung für einen regelmäßigen E-Check, damit die Elektroinstallationen stets den neuesten Standards entsprechen. Schon im Vorgriff auf den Erlös des Verkaufs von Getränken am Stand spendete die Innung jetzt 3500 Euro, verteilt auf das Jugenddorf Klinge (Seckach), die Kinderbrücke Heidelberg sowie die beiden Mannheimer Brennpunktschulen Neckarschule und Zulliger-Schule.
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht gratulierte zu der Fusion und sagte zu, künftig für einen „ständigen Dialog“ der Stadtverwaltung mit den Vertretern des Handwerks zu sorgen. Den hatte nicht nur Kolb bisher vermisst. Zudem regte Specht an, dass Handwerk und MVV Energie AG gemeinsam eine Wärmewendeakademie in Mannheim gründen, um sowohl die Umsetzung der Energiewende zu erleichtern, als auch Fachkräfte dafür aus- und fortzubilden.
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