Heddesheim. Der scheidende Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler denkt noch nicht an seinen Ruhestand. Klimaschutz und Wohnungsbau sind zwei seiner Schwerpunkte im kommenden Jahr. Aus der Diskussion um seine Nachfolge hält er sich heraus.
Herr Kessler, das Jahr neigt sich dem Ende. Was ist trotz Corona gut gelaufen in Heddesheim?
Michael Kessler: Wir haben das Arbeitsprogramm, das wir uns Anfang des Jahres vorgenommen haben, auch umgesetzt. Das war schon eine große Leistung, gerade angesichts der Corona-Einschränkungen. Das ist nur gelungen durch den besonderen Einsatz der Mitarbeiter. Insofern bin ich zufrieden.
Wo lagen denn die Schwerpunkte?
Kessler: Wir hatten einige Schwerpunkte in diesem Jahr. Das war zum einen die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie. Da haben wir extrem viel investiert und sind da erheblich nach vorne gekommen. Nicht zu unterschätzen sind die Tiefbaumaßnahmen. Das kann man nicht so blumig verkaufen, aber wir haben viel in den Straßen gemacht. Die Zufahrt zur Autobahn, lange Zeit ein Aufreger, wird umgesetzt. Das ist zwar nicht unsere Aufgabe, aber wir haben darauf gedrängt. Wir haben den 1,5 Kilometer langen Radweg nach Viernheim saniert, der die Situation deutlich verbessert.
Wir haben eine Million im Abwassersystem investiert. Und nicht zu vergessen das Hallenbad, das jetzt über einen komplett neuen Umkleidebereich und eine neue Saunalandschaft verfügt. Ein Schwerpunkt mit erheblicher Arbeitsbelastung lag auch auf den planerischen Vorbereitungen der großen Vorhaben des Jahres 2022.
Michael Kessler
- Geboren am 23. November 1958, aufgewachsen in Heddesheim, verheiratet, zwei Kinder.
- Diplomverwaltungswirt, (Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl), bis 1998 Verwaltungsbeamter bei der Stadt Heidelberg.
- Seit 1998 Bürgermeister von Heddesheim, parteilos. 1998 holte er gegen Amtsinhaber Fritz Alles bereits im ersten Wahlgang 53 Prozent. 2006 votierten 93 Prozent der Bürger für Kessler. Bei der Wahl 2014 siegte Kessler mit 63,3 Prozent gegen Günther Heinisch von den Grünen.
- Bei der Wahl am 20. März 2022 tritt Kessler nach 24 Amtsjahren nicht erneut an.
Gab es Projekte, die sich durch Corona deutlich verzögert haben?
Kessler: Nein, eigentlich nicht.
Corona war und ist eine Herausforderung für die Gemeinden. Haben Sie, hat Heddesheim diese bislang gut gemeistert?
Kessler: Ich glaube schon. Es ist in der Tat eine große Herausforderung für die Mitarbeiter, aber auch für Akteure in Schulen und Kindergärten und an vielen anderen Stellen. Ich bin der Auffassung, dass uns das gut gelungen ist. Wir haben eigene Aktionen aufgelegt, beispielsweise „Wege aus der Krise gemeinsam gehen“. Mit diesem Gutscheinsystem konnten wir in relativ kurzer Zeit 157.000 Euro einsammeln für die Geschäfte. Wir haben uns gewagt, einige Veranstaltungen zu machen. Da haben wir sehr positive Rückmeldungen bekommen.
Heddesheim hat sich auch dann noch an kulturelle Veranstaltungen gewagt, als andere es längst aufgegeben hatten. Wie haben Sie das geschafft?
Kessler: Das ging auch hier nur, weil die Bereitschaft der Mitarbeiter da war. Alle haben an einem Strang gezogen, Verantwortung übernommen, Ideen eingebracht. Wir mussten das Prozedere immer wieder anpassen an die Gegebenheiten. Wir mussten aus frei zugänglichen Veranstaltungen solche mit Eingangskontrollen machen. Das war kompliziert, aber der Erfolg hat uns am Ende Recht gegeben.
Das Theater im Bürgerhaus hat trotzdem gelitten, musste zeitweise in die Nordbadenhalle ausweichen. Hat die beliebte Reihe nach Corona eine Zukunft?
Kessler: Auf jeden Fall. Die Nachfrage ist weiterhin hoch. Ich bin immer wieder überrascht, der Besuch ist hervorragend. Wir haben das Programmjahr 2022/23 schon zu 80 Prozent gebucht. Das läuft auf jeden Fall weiter, hoffentlich wieder im Bürgerhaus. Das in der Nordbadenhalle zu machen, ist schon ein großer technischer und personeller Mehraufwand. Da ist der Bauhof vorher und nachher zwei halbe Tage beschäftigt.
Wie wird sich Corona auf die Finanzen der Gemeinde auswirken?
Kessler: Vor 18 Monaten hätte ich gesagt, sicherlich mit stärkeren Einschränkungen. Heute kann ich das nicht mehr so sagen. Die Situation ist gut, die Prognosen und Steuerschätzungen sind ebenfalls positiv. Die wirtschaftliche Erholung drückt sich auch in unseren Zahlen aus.
Bleiben wir bei den Finanzen. Sie haben im Gemeinderat einen sehr positiven Zwischenbericht für 2021 vorgelegt. Wo kommen jetzt plötzlich die drei Millionen Euro her?
Kessler: Das sind Steuermehreinnahmen, im wesentlichen Gewerbesteuer. Das macht alleine mehr als zwei Millionen aus. Außerdem sind es Zuweisungen aus dem Finanzausgleich. Die Entwicklung zeigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unserer Gemeinde.
Seit mehr als einem Jahr hat Heddesheim eine eigene Klimabeauftragte. Zahlt sich diese Stelle aus?
Kessler: Frau Hornig macht eine sehr strukturierte und hervorragende Arbeit. Im Januar werde ich darüber ausführlich berichten. Sie hat tolle neue Ideen. Sie hat es geschafft, dass das Engagement der Bürger im Klimabeirat deutlich größer geworden ist. Ja, es hat sich ausgezahlt und wird sich gerade auch im nächsten Jahr in eigenen Projekten niederschlagen
Zum Beispiel?
Kessler: Wir haben uns für das Projekt „Natur nah dran“ beim Land beworben. Frau Hornig hat mit Kollegen die kommunalen Dächer auf Eignung für Photovoltaik geprüft. Das führt im Jugendhaus zu entsprechenden Investitionen. Die Fortschreibung unserer Förderrichtlinien ist ihr Anliegen. Wir haben das Stadtradeln, die Thermographie-Aktionen und das Repair-Café, das Thema ist sehr vielseitig.
Mit dem Nahwärmenetz im Sportzentrum wagt sich die Gemeinde an eine Mammutaufgabe. Was bringt das für das Klima?
Kessler: Das ist natürlich ein großes Infrastrukturprojekt, weil wir die gesamten Leitungsnetze neu aufbauen. Das geht weit über den Klimaschutz hinaus. Es führt die Infrastruktur im Sportzentrum in die Zukunft. In Sachen Klimaschutz hat es Vorbildcharakter, weil es bisher verpuffte Wärme nutzt und jetzt der Wärmeversorgung dient. Das sind zweieinhalb bis drei Millionen Kilowattstunden. Da spielen wir eine Vorreiterrolle.
Was passiert, wenn der Zeitplan nicht zu halten ist?
Kessler: Das kann nicht passieren, sonst wäre das Geld weg. Das Projekt wird im Dezember 2022 im Betrieb sein.
Wie sehen Sie die Chancen, dass Heddesheim insgesamt bis 2035 klimaneutral wird?
Kessler: Wir gehen Schritt für Schritt vor und machen, was möglich ist. Bei den kommunalen Einrichtungen bin ich optimistisch. Das sieht man in unserem Energiebericht. Wir haben seit 2000 über 70 Prozent CO2 eingespart. Kommunal sind wir also auf einem sehr guten Weg. Für die gesamte Gemeinde kann ich das schwer beurteilen, da dies vom Verhalten unserer Bürgerschaft und den weiteren gesetzlichen Maßnahmen abhängt.
Die Leitung der Volkshochschule ist jetzt hauptamtlich. Was versprechen Sie sich davon?
Kessler: Eine Verstetigung der hohen Qualität der Arbeit von Herrn Graser und mehr Zeit auch über neue Inhalte nachzudenken. Die Aufgaben der neuen Leitung sind aber auch breiter ausgerichtet. So ist die Koordination der Bildungsangebote von VHS und Bücherei eine wichtige Zukunftsaufgabe.
Im Zuge der Ortskernsanierung ist gerade der Abriss der ehemaligen Bäckerei Bosch erfolgt. Wann und wie geht es an dieser Stelle weiter?
Kessler: Da wollen wir im Laufe des Jahres 2022 ein umsetzungsfähiges Konzept vorstellen, das an der Stelle in Richtung Parkplätze gehen wird.
Neue Parkplätze für Autos? Ist das angesichts der Klimakrise das richtige Signal?
Kessler: Es geht da nur zum Teil um neue Parkplätze, mehr um Ersatz für wegfallende. Wir denken ja gleichzeitig an eine Neuordnung des Quartiers hinter der Volksbank. Wir wollen einen Durchgang zur Schulstraße schaffen, nicht alle Parkplätze werden dadurch zu erhalten sein, genauso wird eine Umgestaltung der Unterdorfstraße mit mehr Aufenthaltsqualität die Stellplätze berühren. Daneben brauchen wir aber neben den überwiegend zeitlich begrenzten Parkplätzen auch mehr Dauerparkplätze, da in den letzten Jahren die Zahl der Arbeitsplätze im Ortskern gestiegen ist. Stichworte: Görtz, Edeka, Ärztehaus u.a. Viele Mitarbeiter kommen von außerhalb und haben damit Probleme.
Kommen wir an das andere Ende der Unterdorfstraße. Was wird aus dem Badischen Hof?
Kessler: Der Gemeinderat hat sich ja festgelegt, dass wir als Gemeinde das selbst in die Hand nehmen. Da sind wir in Planungsgesprächen und gehen davon aus, dass wir 2022 ein erstes Konzept vorstellen können. Wir wollen dort Gastronomie anbieten und einen Pächter suchen, der das in unserem Sinne macht.
Nach dem Abriss des Bahnhofs steht eine Lösung ebenfalls noch aus. Sind Sie da optimistisch?
Kessler: Die weitere Umsetzung hängt mit einem angrenzenden Grundstück zusammen, bei dem ein schwieriges Auseinandersetzungsverfahren läuft. Im Moment haben wir da keinen Zugriff. Es macht keinen Sinn, unseren Teil alleine zu entwickeln. Da müssen wir abwarten.
Das Baugebiet Mitten im Feld II läuft weiter nach Plan?
Kessler: Wir haben in den städtebaulichen Verträgen die Verpflichtung aufgenommen, innerhalb von fünf Jahren zu bauen. Es ist enorm, wie schnell sich dieses Baufeld füllt. Auch für die Nahversorgung sind die Strukturen bereits gut zu erkennen. Eröffnung soll 2023 sein.
Denken Sie bereits an einen dritten Abschnitt?
Kessler: Sicher nicht in Kürze. Der Abstand zum ersten Baufeld war ja auch sechs, sieben Jahre. So ähnlich wird man das auch mit dem dritten halten.
Gibt es etwas Neues zum Sportkindergarten?
Kessler: Wir liegen im groben Zeitplan. Im Januar soll ein Großteil der Arbeiten ausgeschrieben werden. Die Planung läuft auf Hochtouren. Wir sind da guten Mutes. Die Inbetriebnahme ist im Frühjahr 2023 geplant. Sorge machen uns da derzeit die stark steigenden Kosten im Bausektor.
Was sind die großen Maßnahmen 2022?
Kessler: Da verwende ich gerne das Zitat von Olaf Scholz: Wir holen die Bazooka raus. Wir planen Rekordinvestitionen von 15,5 Millionen Euro. Neben dem Wärmenetz sind der Bau des Sportkindergartens, die Erweiterung des Gewerbegebiets und die neue Freilufthalle die wichtigsten Projekte.
Es geht aber auch um Klimaschutz…
Kessler: Ja, dafür stehen alleine 3,5 Millionen Euro im Haushalt. Natürlich mit dem Wärmenetz als größtem Anteil, aber auch Photovoltaik-Anlagen auf dem Kindergarten, dem Jugendhaus und der Freilufthalle. Das Sportplatzflutlicht wird auf LED umgestellt. Wir wollen im Alten Schulhaus die Heizungsanlage- und Lüftungstechnik modernisieren und neue Fenster im alten Teil der Hans-Thoma-Schule einbauen. Auch die kommunalen Zuschüsse für private Klimaschutzmaßnahmen bleiben mit 60.000 Euro auf hohem Niveau.
Wie steht es mit Wohnungsbau?
Kessler: Preiswerter Wohnraum ist angesichts steigender Mieten ein ganz wichtiges Ziel der Gemeinde. Wir wollen dazu eine große kommunale Baufläche im Neubaugebiet einsetzen und rund 80 geförderte Wohnungen bauen lassen. Der gegenüber der Marktmiete deutlich reduzierte Mietpreis wird 30 Jahre lang gebunden sein. Nachdem wir im Jahr 2021 im Rahmen eines Wettbewerbs eine interessante städtebauliche Lösung ausgewählt haben, bin ich zuversichtlich, im Februar den künftigen Eigentümer präsentieren zu können.
Das wird jetzt Ihr letzter Jahreswechsel als Bürgermeister sein. Mit welchem Gefühl nähern Sie sich dem Ende Ihrer Amtszeit?
Kessler: Da ist gar keine Zeit, daran zu denken. Die Aufgabenfülle und die Themen fordern einen komplett. Man reflektiert das, aber ich habe da im Moment noch keine besonderen Gefühle.
Noch vor Beginn der Bewerbungsfrist gab es bereits vier Bewerber für Ihre Nachfolge, inzwischen sind es sogar fünf. Was macht Heddesheim so attraktiv für einen Bürgermeister?
Kessler: Ich glaube schon, dass Heddesheim eine Gemeinde ist, die aus eigener Kraft gestaltungsfähig ist und die Chance bietet, sich
Sie wollen Kesslers Nachfolger werden
Am 20. März 2022 wählt Heddesheim einen neuen Bürgermeister. Stand 23. Dezember haben sich folgende Kandidaten beworben:
- Daniel Gerstner (SPD)
- Norbert Hölscher (parteilos)
- Tobias Köber (FDP)
- Jens Römer (Grüne)
- Achim Weitz (parteilos, von der CDU unterstützt)
auch in den kommenden Jahren fortzuentwickeln, weil auch die finanziellen Strukturen stimmen. Das vorhandene Potenzial bietet Raum, die Attraktivität weiter zu steigern. Die Rahmenbedingungen sind gut.
Wenn Sie entscheiden könnten, wem würden Sie Ihr Amt gern übertragen?
Kessler: Das steht mir nicht zu. Das entscheiden die Bürger.
Dann fragen wir anders: Welche Voraussetzungen muss jemand mitbringen, der Bürgermeister in Heddesheim sein will?
Kessler: Er muss die Bürger davon überzeugen, dass er in der Lage ist, die Herausforderungen in einem solchen Amt zu meistern.
Egal, wer es am Ende wird: Was raten Sie Ihrem Nachfolger?
Kessler: Er muss das Amt mit allem, was auf ihn zukommt, annehmen. Und er muss mit Begeisterung und mit vollem inhaltlichem und zeitlichem Einsatz das Amt leben.
Werden Sie ihm oder ihr auch Ratgeber sein?
Kessler: Wenn ich gefragt werde, gebe ich Antworten. Ansonsten werde ich mich sicher nicht in kommunalpolitischen Angelegenheiten zu Wort melden.
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