Es gibt nichts Unschuldigeres, Liebens- und Beschützenswerteres als ein Baby. Doch dieses lebt, wenn es in Mannheim geboren wird, statistisch gesehen mehr als drei Jahre weniger als ein in Heidelberg zur Welt gekommenes. Warum das so ist, hat diese Redaktion in den letzten Wochen zu ergründen versucht. Eine abschließende Antwort kann es nicht geben, dafür ist das Thema, das Leben zu komplex. Dennoch reichen die Erkenntnisse, um einige Lehren zu ziehen.
Natürlich muss man dabei bedenken, dass der Vergleich der Städte schwierig ist. Während Heidelberg oft wie eine Blase wirkt, herrscht in Mannheim das wahre Leben. Und die Sozialstruktur erklärt den Unterschied am besten, heißt es immer wieder. Das ist eben so, schwingt manches Mal dabei mit. Das muss aber nicht so sein. Auch wenn es schwierig und langwierig ist: Eine Sozialstruktur lässt sich verändern. Sei es durch Förderprogramme, die Ausweisung neuer Wohngebiete oder die Durchmischung bestehender.
Mannheim macht da schon viel. Klar kann man mehr fordern. Ob es auch realistisch ist, ist eine andere Frage. Sicher ist aber, dass die Mittel begrenzt sind. Ohne weitere Hilfen des Landes und Bundes lässt sich vieles nur punktuell, nicht strukturell verändern.
Damit sind wir bei der Bildung. Sie beeinflusst, das hat das Projekt gezeigt, die Lebenserwartung wesentlich. Gebildete Menschen leben länger! Darum ist es himmelschreiend ungerecht, dass die Chancen der Kinder hier immer noch vom Elternhaus abhängen. Bildung ist nicht nur der Schlüssel für so vieles. Bildungspolitik ist auch die beste Sozialpolitik.
Der Faktor Arbeit, nächstes Ergebnis, bestimmt die Lebenserwartung ebenfalls stark. Arbeitslose sterben früher! Es ist also Zeit, das Fördersystem zu überdenken. Materielle Unterstützung ist zwar wichtig – aber längst nicht alles. Denn ein Job bringt neben Geld auch Struktur, soziales Umfeld, Selbstwertgefühl.
Die Lebenserwartung offenbart soziale Ungerechtigkeit. Finden wir uns nicht damit ab – sondern gleichen wir sie aus.
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