Mannheim. „Bunt wie das gelungene Spielzeitheft“ sei das Team der NTM-Mitarbeiter, stellt Mannheims Kulturbürgermeister Thorsten Riehle an seinem 77. Amtstag zur Begrüßung in der prallvollen Werkhauslobby gut gelaunt fest. Dort sitzen fünf Journalisten unter 100 NTM-Freunden und Mitarbeitern fünf Intendanten – Letztere auf Sofas – lauschig gegenüber. Es ist warm, die Stimmung gut, man ist zufrieden.
Wenn Thorsten Riehle und das Intendantenquintett reihum alle guten und wohltätigen Geister begrüßt haben, wenn all denen in Politik, Bürgertum, Wissenschaft und Wirtschaft gedankt ist, wenn alle Freundeskreise, Förderer und die Belegschaft reihum freundlich gewürdigt wurden, erst dann beginnt das, was man eine Pressekonferenz zur Spielplanvorstellung nennt.
Junges Nationaltheater (JNTM)
Wahrlich märchenhaft steigt das Junge Nationaltheater unter Ulrike Stöck in die kommende Saison ein, folgt doch auf „Rotkäppchen“ bald „Die Schneekönigin“. Zu viel Grimm und Andersen sollte aber nicht erwartet werden, setzt Manuel Gerst den Klassiker doch modern als „interaktives Game-Theater“ für Kinder ab fünf Jahren um. Neu erzählen will die Schnawwl-Intendantin selbst auch „Die Schneekönigin“. Die Koproduktion mit dem Schauspiel kann diesmal – mit Premierentermin 17. November – zumindest von der Spielplanposition her als klassisches „Weihnachtsmärchen“ benannt werden. Ulrike Stöck und Christian Holtzhauer wollen den „klassischen“ DDR-Kindertheaterdauerbrenner eben genau auf diesen Aspekt hin untersuchen.
Auch getanzt wird – für Kleinkinder. Nach Matsch und Seife geht es bei Choreographin Barabara Fuchs und Musiker Jörg Ritzenhoff diesmal federleicht zu – auch titelgemäß: „Federn federn“ heißt die Produktion für das Studio Feuerwache. Mit Musik arbeitet das JNTM heuer eifrig. Das Kollektiv Subbotnik arbeitet an der Schwelle von Performance, Konzert und Live-Hörspiel an einem „Remix“ zum Thema Schauspiel-„Klassiker!“ und untersucht für Jugendliche ab 15, wie viel emotionale und politische Bedeutung „die Leseliste für den Deutschunterricht“ mit Goethe, Schiller, Kleist & Co heute noch hat.
Eine echte Musiktheaterproduktion stemmt Stöck in Eigenregie in Form einer „Blockflötenkomödie“ mit Autorin Sally Anger und Musiker Robin Plenio. Den großen Problemen des Erwachsenwerdens, der Suche nach Vorbildern und den Bildern von Männlichkeit und Vaterschaft widmet sich das JNTM mit der Uraufführung von Nando von Arbs „3 Väter“ und mit „Hall of Fans“, einer Forschungsresidenz des Theaterkollektivs Henrike Iglesias an Mannheimer Jugendhäusern.
NTM Tanz
Wenn auch nicht märchenhaft, so doch poetisch geht es im Mannheimer Tanz von Stephan Thoss zu, der zum Tanzauftakt am 18. Oktober mit zwei Gästen und einem Eigenbeitrag den Dreiteiler „Just a Game“ zu live gespielter Kammermusik präsentiert. „Engelsgrüße“ entsenden darauf im November die beiden Ensemblemitglieder Albert Galindo und Luis Torres und widmen sich damit zu Harfenmusik von Frauke Adomeit der Endlichkeit und Himmelsboten, deren flatterhaftes Treiben man im Tanzhaus kontemplativ vom roten Plüschsofa aus betrachten kann. Mit dem Doppelabend „Poem an Minotaurus/Sacre du Printemps“, das sich zwei starken künstlerischen Positionen aus Malerei und Musik nähert: Picasso und Strawinsky. Das 2006 für Hannover choreographierte Stück wird er nun mit seinem Mannheimer Ensemble zur Premiere bringen. Zeichen von Frieden, Toleranz und Menschlichkeit setzt Andrew Skeels und Martin Harriagues Uraufführung von „One Love“, es bleibt also zunächst poetisch, um dann politisch zu werden.
Schauspiel
Darin macht freilich Schauspielintendant Christian Holtzhauer am NTM mit 17 Premieren, darunter acht Uraufführungen, keiner etwas vor. Er beginnt den Saisonauftakt mit Roman Dolzhanskiys Bühnenfassung zu Erich Maria Remarques Exilantenroman „Die Nacht von Lissabon“, den Maxim Didenko inszenieren wird.
Was passiert, wenn sich die Bewohner eines Alpendorfs weigern, einem geplanten Stausee zu weichen? Danach fragt die Uraufführung „Der Grund. Eine Verschwindung“ von Sokola/Spreter. Mit der Uraufführung „Druck“ von Arad Dabiri, dem just frisch gekürten Gewinner des Heidelberger Stückemarkts, untersucht Regisseurin Ayse Güvendiren „das Leben junger Menschen in der Großstadt“.
„Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau“, hieß es einst politisch unkorrekt. Feministische Richtigstellung verspricht Hausregisseur Christian Weise mit Selina Fillingers „Die Schattenpräsidentinnen“ im März. Selbst alte Bühnenbekannte treten heuer auf: Gogols „Der Revisor“, Goethes „Faust“ (in Leichter Sprache) und zur Eröffnung der 23. Internationalen Schillertage (19. bis 29. Juni 2025) sogar „Kabale und Liebe“. Ein Zitat Luises daraus verknappt Holtzhauer nicht nur zum Festival-, sondern auch zum Spielzeitmotto: „Wenn Menschen nur Menschen sind.“ Das wäre schön.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Auch Christian Holtzhauers Schauspiel gibt Grund zur Hoffnung