Nürburg. Es ist einer der prägenden Sätze am ersten Tag von Rock am Ring. Denn auch, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Konzertstunde des Großfestivals vorüber ist, spricht Donots-Frontmann Ingo Knollmann aus, was nach zwei Jahren Corona-Zwangspause gesagt werden muss: „Der echte Headliner, das seid ihr – das Publikum!“
Es ist ein Satz, der sitzt – und an diesem Pfingstwochenende in der Eifel gleich doppelt stimmt. Denn einerseits haben 90 000 Menschen den Veranstaltern – aller noch vorhandenen Zögerlichkeit im sonstigen Kulturbetrieb zum Trotz – das Vertrauen geschenkt und ein Festival schon vor seinem Start damit vollständig ausverkauft. Andererseits füllen die Anhänger von Rap, Rock und Metal das Gelände auch von der ersten Minute an mit positiver Energie, die sich zwischen lang gehegter Wiedersehensfreude und echter spontaner Euphorie zu einem wahren Enthusiasmus auswächst.
Man könnte das durchaus sogar durchdeklinieren, doch Festival-Fan Yannick sagt es im Gespräch mit dieser Redaktion eigentlich in aller Unmissverständlichkeit: „Bei Rock am Ring geht es nicht nur um Rock, es geht um die Rockstar-Attitüde, die auf, vor und hinter den Bühnen gelebt wird. Und die wollen wir feiern.“ Inhaltlich ist solch geflügelten Sätzen der Überzeugung nicht viel hinzuzufügen. Man kann, darf und sollte jedoch beschreiben, wie sich die Umsetzung dieses Leitsatzes von den italienischen Glamrockern Måneskin über die brettharten Riffs der Metalcore-Spezialisten von Caliban bis hin zum guten alten Reggae-Sound der Disko No. 1 um Jan Delay in die Tat umsetzt.
Denn auch, wenn nicht ausnahmslos die gigantischen Massen vor den Bühnen auf die jeweiligen Künstler lauern: Diejenigen, die vor die einzelnen Bühnen kommen, zelebrieren das Dargebotene in erhabener Ausgelassenheit. So wird am Ende des Tages selbst ein zwar um Interaktivität bemühtes, aber insgesamt doch recht routiniertes Green Day-Set zu einem Highlight. Noch nicht einmal die Nacht kann die Entschlossenen abhalten. Da mag es längst in Richtung 1 Uhr in der Frühe marschieren: Als der gute alte HP Baxxter mit Scooter der Boxen auf ihre Vibrationsgrenzen testet, sind die Fans hellwach, zu völliger Ekstase bereit und blitzaufmerksam.
Insgesamt darf man die exponierte Rolle der Fans zur Kenntnis nehmen, denen eine Aufgabe übertragen scheint, die sinniger und wertvoller nicht sein könnte: Die Seele dieses Traditionsortes Rock am Ring zu verkörpern und nach außen zu tragen. Etwas Schöneres als die Gewissheit, wie vortrefflich das bereits zum Auftakt gelang, konnten sich wohl auch die Besucher selbst kaum wünschen.
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