Kunst (mit Video)

Porno-Künstlerin lädt zum öko-sexuellen Rundgang auf der Buga ein

Die Natur zu lieben ist eine Sache, sich auch erotisch mit ihr auseinanderzusetzen, etwas anderes. Was Besuchende beim Performance-Walk "The Earth As Lover" auf Spinelli erwartet

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Beth Stevens (v. l.), Annie Sprinkle, Joy Brooke Fairfield, Shayma Alqueer, Amina Flyingstone und Baküs Mejri im Rosengarten des Experimentierfelds. © Manfred Rinderspacher

Wie das im Allgemeinen so ist mit den Bienchen und den Blümchen, ist Annie Sprinkle bestens bekannt. Verklemmte Aufklärungsgespräche tun beim US-Ex-Pornostar, Jahrgang 1951, wirklich nicht not. Mit Co-Performerin, Ehefrau, Feministin und Professorin Beth Stevens ist Sprinkle aus ganz anderen Gründen zur Buga nach Deutschland gereist.

Aufklären will die Künstlerin und einst erste Porno-Akteurin mit Doktortitel in Kooperation mit dem Queeren Zentrum Mannheim (QZM) über ihre Öko-Sexualität.

„The Earth As Lover“ heißt ihre Idee und Ideologie, die sie unter Projektleitung von Carmen Göth (QZM) und mit gestalterischer Hilfe von Joy Brooke Fairfield zu einem geführten Spaziergang über das Spinelli-Gelände werden lässt. In der U-Halle am Rainbow Hub, übrigens dem ersten feststehenden LSBTIQ-Bestandteil einer Bundesgartenschau, geht es los. Mit einer bunten und freizügigen Drag-Parade halten Performerinnen, Ballroom Artists und Transaktivisten aus der Region Einzug, als wäre der CSD-Pride von letzter Woche immer noch am Laufen.

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Dann ziehen Sprinkle und Stevens unter Glockenklang und Jubel per E-Caddy ein. Gutgelaunt und in Frida-Kahlo-Outfits wollen sie die Verbundenheit zwischen menschlicher und nicht-menschlicher Materie erlebbar machen und verbreiten ihre Botschaft: „Behandle die Erde als Deine Geliebte!“

Wo Ideologien sind, müssen Regeln und Koordinaten her. Launig und sympathisch stellen die beiden Amerikanerinnen quasi am Flip-Chart Regeln und Grundsätze ihres „ecosex movements“ vor, forschen, in welcher von sechs Kategorien sich das Publikum selbst einordnen würde. Tipp: Gerne zu wandern, baden oder gärtnern, genügt da nicht.

Botschaften vom Vagina-Baum

Eine erotische Komponente wird eingestrickt. Wie erregend es sei, nackt „Doggy-Style“ am Meeresstrand zu knien und sich die Wellen auf den blanken Hintern schlagen zu lassen, erfährt man. Auch von steifen Brisen, Regenwürmern im Matsch und der Wollust des Sandes ist zu hören. Das Element Wasser sei eben doch eine „little sexy slut“. Der betörende Rosenduft im Experimentierfeld, in dem man (analog zum G-Punkt) den „E-Spot“ (also Öko-Punkt) sucht, wird abschließend als Beleg für einen veritablen Mannheimer „Öko-Porno“ gewertet, na ja.

In der nahe gelegenen Baumschule kommt es zwischen Blatt und Rinde mit Wortwitz zum „Flotten Dreier“ („A little Threesome/Treesome“). Hier mutiert beim Stamm-Kuscheln ein Amerikanischer Amberbaum sogar zum „Vagina-Baum“ – und das von zwei Flüssen umflossene Rhein-Neckar-Delta generell zum kleinen schmutzigen Dreieck. Kein Wunder also, dass mit Strohhut und Solar-Zug vorbeiziehende Senioren ob der bunten Kostüme und aufgeschnappten Wortfetzen freundlich irritiert lächeln.

Termine

  • Der Parcours ist zu erleben am Samstag, 19. August (10 Uhr und 18 Uhr), Montag 21. August und Dienstag 22. August (jeweils nur 18 Uhr).
  • Der Rundgang ist mit einer gültigen Parkzutrittskarte kostenlos und beginnt jeweils am „Rainbow Hub“ des QZM in der U-Halle auf dem Spinelli-Gelände der Buga 23.
  • Platzreservierungen sind nicht nötig. Die Veranstaltung ist barrierefrei.

„Mach langsam, Schlampe“, versteht Drag-Queen Shayma Alqueer die Pflanzensprache. Mit mir, dem Mann fürs Grobe, spricht er nicht, der Vagina-Baum. Doch böse sein, kann man dem Ganzen auch als Kritiker nicht. Dafür sind die knapp 90 Minuten voll süffiger Freundlichkeit und farbenfrohem Humanismus zu sympathisch – und harmlos. Mangelnde Niederschwelligkeit ist dem Rundgang also nicht zu unterstellen, der fraglos etwas internationalen Glanz und mediales Aufsehen nach Mannheim bringt. Die hübsche, wenn auch stark redundante These, Respekt und Hinwendung zur Natur in erotische Beziehungen zu übersetzen, bleibt indes weiter – zumindest kühn.

Originell und sympathisch

Der „Walk“ wurde speziell für die Buga 23 erarbeitet und ist – über die für manche vielleicht fragwürdigen erotischen Aspekte hinaus – ein gelungener Stationen-Parcours in geradezu klassischer Bauweise: Aufwärmen, Ritual, Vorstellung, Faktencheck, Aufbruch, szenischer Höhepunkt (eine orgiastische Einheit autogenen Trainings) – und appellatives Finale mit musisch-heiterem Wellness-Ausklang in Form von Barfuß-Schlendern durch die Wasserbecken vor der U-Halle.

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Ob der Ansatz gelungen ist, „in anderen den Wunsch wecken, die Erde zu lieben, zu schätzen und zu ehren als wäre sie ihre Geliebte anstatt von der Erde zu erwarten, dass sie sie wie eine Mutter versorgt“, dürfen Besucherinnen und Besucher selbst entscheiden. Die Zustimmung zu öko-sexuellen Einschätzungen wie „Kompostieren macht so heiß!“ auch. Das ist sexy.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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