Kabarettkritik

Lisa Eckhart lockt in Mannheim dreimal so viel Menschen an als Greta Thunberg

Inhaltlich bleibt sie eine Kaiserin ohne Kleider, aber die kontrovers diskutierte österreichische Kabarettistin bringt mit ihrem Programm „Kaiserin Stasi die Erste“ 2400 Zuschauerinnen und Zuschauer im Rosengarten handwerklich glänzend zum Lachen

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Handwerklich kann Lisa Eckhart durchgängig glänzen und watscht amüsant in alle Richtungen, aber ihr Programm bleibt inhaltlich  fast ähnlich leer wie ihr Reifrock ohne Stoff. © Rudolf Uhrig

Mannheim. Es ist schon erstaunlich: Da tritt in Mannheim am Freitag  eine globale Klimaschutz-Ikone auf einer propalästinensischen Demo auf, die durch totale Einseitigkeit Antisemitismus-Vorwürfe provoziert. Und fast gleichzeitig zieht die ebenfalls kontrovers diskutierte Kabarettistin Lisa Eckhart ein paar Quadrate weiter mehr als dreimal so Menschen in den ausverkauften Rosengarten als die 21-jährige schwedische Aktivistin. Beide polarisieren enorm, dabei besteht ein enormer Unterschied: Thunbergs Haltung ist zu klar, um den komplizierten Weltlagen gerecht zu werden. Die gut zehn Jahre ältere Österreicherin lässt dagegen fast alles in der Schwebe, was sich an wechselhaftem Szenenapplaus von fast schon verschiedenen Lagern unter den fast 2400 Zuhörerinnen und Zuhörern ablesen kann.

Cancel Culture

Sind Auftrittsverbote etwa gegen Lisa Eckhart gerechtfertigt?

Veröffentlicht
Von
Uwe Rauschelbach
Mehr erfahren
Kabarettkritik

Auftritt in Mannheim: Lisa Eckhart will Ungeimpfte als Biowaffe gegen Putin einsetzen

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren

Es mag selbst unter Kulturmenschen aus der Mode gekommen sein, aber man muss Lisa Eckhart schon zugutehalten, dass es sich bei ihr um eine teilweise grotesk übersteigerte Kunstfigur handelt, hinter der die Poetry-Slammerin und Autorin Lisa Lasselsberger steckt. Für viele ist die in Dieter Nuhrs Satiresendung „Nuhr im Ersten“ populär gewordene moderne Mephistophela  furchtlos, scharfzüngig, brillant und originell, für ähnlich viele völlig kontrovers, mindestens umstritten, rechts, wenn nicht gar eine Antisemitin.

„Dieter Nuhr ist der heimliche Chef der Grünen. Seine Witze sollen Regimefeinde überführen“ 

Letzteres ist trotz einiger unnötiger, aber weit verbreiteter Pointen nicht der Fall und von einer Vereinnahmung etwa durch die AfD hat sich die Satirikerin umgehend distanziert. Sie kontert viele Vorwürfe locker mit Selbstironie, etwa damit, dass sie den Wagnerianern in Bayreuth zu wenig antisemitisch sei. Oder indem sie das dunkle Geheimnis ihres Anmoderators in der ARD  verrät: „Dieter Nuhr ist der heimliche Chef der Grünen. Seine Witze sollen Regimefeinde überführen.“  Aber der Gegenwind mit teilweise hoher Proteststurmstärke hat sie ähnlich wie ihren Mentor in eine Trotzhaltung versetzt, die man bei derart intelligenten Persönlichkeiten schon erstaunlich finden kann: „Jetzt erst recht“, scheint die Parole zu sein.

Und da schwach begründete Cancel Culture meistens nicht nur nichts, sondern oft das Gegenteil bewirkt, erreicht Eckhart am Freitag nicht nur ein dreimal so großes (und zahlendes Publikum) wie Thunberg – es sind auch gut 1700 Leute mehr gekommen als bei ihrem letzten Mannheimer Auftritt ins ebenfalls ausverkaufte Capitol 2022.

Am Anfang erklingt Rammsteins Text „Hier kommt die Sonne“

Inhaltlich war sie vor zwei Jahren eher schärfer, auch wenn immer Tabuthemen wie Kannibalismus, Nekrophilie, Inzest et cetera mit maliziösem Lächeln huldvoll gestreift werden. Aber das läuft unter österreichische Morbidität. Und natürlich gibt es auch relativ harmlose Pointen. Vor allem legt die stets glamourös und exaltiert wie Lady Gaga in einem früheren Leben gekleidete Künstlerin in punkto Glanz im Rosengarten noch einen drauf: Kurz nach 20 Uhr wandelt sie sie zu einem thronartigen Prunk-Sessel in der Mitte der riesigen Bühne im Mozartsaal, die sie mit ihrer Präsenz sofort füllt - zu elektronisch-chansonesken Klängen von - na klar - Rammstein. Die reizvolle Coverversion mit dem Refrain „Hier kommt die Sonne. Sie ist der hellste Stern von allen“ – sie passt perfekt  zu diesem Auftritt im Fantasie-Reifrock ohne Stoff mit Sonnenkrone. Und zur Rahmenhandlung ihres Programms „Kaiserin Stasi die Erste“, die Eckhart am Anfang mit majestätischer Grandezza zu Protokoll gibt. Man habe es in Mannheim und Westdeutschland zwar noch nicht gemerkt, aber seit zwei Jahren regiere sie Österreich und Ostdeutschland mit ihrer eigenen Form der KuK-Monarchie: kaiserlich-kommunistisch. „Ich bin eine Mischung aus Stalin und Sisi – Stasi“, erklärt die Wahl-Leipzigerin und erklärt sich zur „ossimilierten Österreicherin“.

Glamourös wie Lady Gaga in einem früheren Leben: "Sonnenkönigin" Lisa Eckhart im Rosengarten. © Rudolf J.Uhrig

Sprache, Timing, Bühnenpräsenz, Lacherdichte – viel besser und unverwechselbarer kann man Satire handwerklich nicht verkaufen. Aber inhaltlich bleiben die 100 Minuten meist ähnlich leer wie der stofffreie Reifrock, den sie bald ablegt. Heutzutage muss man wie gesagt durchaus misstrauisch werden, wenn jemand zu hochkomplexen, ja unlösbar scheinenden Themen auf der Bühne klare Haltungen und Botschaften vermitteln will. Aber Eckhart tut das Gegenteil: Sie scheint Reizthemen der politischen Korrektheit von Migration und  Gendern bis Lindemann abzuhaken wie einen Einkaufszettel und bleibt dabei so ausbalanciert und wetterwendig, dass man es durchaus ein wenig schäbig finden kann.

„In meinem Reich gibt es nur zwei Geschlechter: Adel und Pöbel“

Beispiel Selbstbestimmung: Eckhart stellt den Satz „In meinem Reich gibt es nur zwei Geschlechter“ in den Raum – es gibt leicht dröhnenden Szenenapplaus, aber nur in Teilen des Publikums. Dann legt sie die Pointe nach, und nimmt dem Populismus-Vorwurf den Wind aus den Segeln: „Adel und Pöbel.“ Und mit dem Nachsatz „Was der Pöbel alles sein will, ist seine Sache“ erntet sie wieder Szenenapplaus, aber aus ganz anderen Ecken im Haus.

Interview

Kabarettist Serdar Somuncu: „Die Nazis lachen sich über uns kaputt“

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren
Interview

Dieter Nuhr: „Bürgerliche Freiheiten sind zweitrangig, wenn man keine Luft mehr kriegt“

Veröffentlicht
Von
Jörg-Peter Klotz
Mehr erfahren

Dadurch wird der Abend durchaus besonders interessant, eigentlich sogar einmalig, denn normalerweise sind bei Kabarettshows in der Regel alle im Saal einer Meinung, in der sie sich am Ende erfolgreich bestärkt sehen. Man könnte fast sagen, Eckhart bringe so die unterschiedlichen Lager zusammen und halte ihnen den Spiegel vor. Dann löst sie die Kernaufgabe von Satire vorbildlich – und unterhaltsam. Das Mäandern erweckt aber auch den Anschein, dass hier kein Lager verprellt werden soll. Die „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“-Klientel wird freundlich bedient. Was Eckhart meist umgehend, aber dezent und fröhlich feixend konterkariert, um doch ein wenig politisch korrekt dazu stehen.

Wandlungsfähig: Lisa Eckhart. © Rudolf Uhrig

So geht man als Kritiker sehr zwiespältig aus dem Rosengarten. Zumal man auf der Suche nach der Quintessenz des Abends nichts Pointiertes findet, außer vielleicht „Wandel gibt es schon immer, nur der Mensch ändert sich nicht“ und „Humor steht über allem“, was so viel heißt, wie „Satire darf alles“. Das ist alles nicht falsch. Aber so trägt die mondäne Kaiserin bis zur Abdankung nach 100 Minuten meist eben nur eine knappe Trikotage.

 

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke