Mannheim. Sie ist schon eine Erscheinung, diese Lisa Eckhart: So extrem schlank wie ihre Texte radikal sind. Dazu die Ausstrahlung einer morbiden, lustvoll lasterhaften Diva aus den Goldenen Zwanzigern, nur in Turnschuhen, und mehr Sadomaso-Vampir als Vamp - mit dem sardonischen Humor einer modernen Mephistophela. Ihre Lust am Tabubruch, der in Zeiten größer Empfindsamkeit verstören und in einer chronisch gereizten, polarisierten Gesellschaft durchaus problematisch wirken kann. Für österreichische Kabarettverhältnisse ist das allerdings normale Härte.
Den 2020 auf Basis eines damals zwei Jahre alten TV-Kurzauftritts aufgekommenen Antisemitismus-Vorwurf (Siehe Infobox) erhärtet Eckharts Auftritt im voll besetzten Mannheimer Capitol jedenfalls nicht. Er kann einem auch nur in den Sinn gekommen, wenn man nie mehr als Fernsehschnipsel von der Kunstfigur kennt, die bürgerlich Lisa Lasselsberger heißt. Dass sie die fragliche Nummer, die jüdische Metoo-Täter wie Filmmogul Harvey Weinstein attackiert, heute, also zum Beispiel nach dem antisemitischen Terroranschlag in Halle, nicht mehr spielt, ist logisch. Die Frau ist ja nicht dumm. Im Gegenteil.
Gern an der Geschmacksgrenze
Den intellektuellen Reiz ihrer Arbeit spielt sie zumindest im ersten Teil ihrer Liveshow aber auch nicht richtig aus. Gerade jetzt wäre die historisch oft sehr gut fundierte Perspektive der Slawistin auf Osteuropa spannend gewesen. Stattdessen beschränkt sie sich die ersten 50 Minuten eher im Comedy-Stil hauptsächlich auf das Ausschweifungsgebaren ihrer im Stil einer Zarin größenwahnsinnigen Figur. Aber das handwerklich erstklassig: Sprache, Timing, Rhythmus - alles nah an der Perfektion. Selbst kleine Aussetzer, ausgelöst durch einige sehr exzessive Lacherinnen, löst sie souverän auf.
Die Klischees über „die Chinesen“ mit ihrer qua Augenform bedingten dramatisierenden Breitwand-Perspektive und ihrem ungesunden Appetit auf allerlei Tiere, „den Inder“, der gern dienstbar ist, oder „den Türken vor Wien“ könnte man sich von ihr wesentlich eleganter ausgearbeitet vorstellen. Dass sie die erste jüdische Kopfbedeckung Kippa bei einer allzu plastischen Nummer über Maria Empfängnis als Jungfernhäutchen auf dem Kopf des unbefleckt geborenen Jesus deutet, ist geschmacklich auch grenzwertig. Vielleicht will sie nicht alle Negativerwartungen enttäuschen. Andererseits ist der Mut zum Austesten von Tabus immer noch ein Qualitätsmerkmal von guter Satire - im Gegensatz zu wechselseitiger Selbstvergewisserung unter Gleichgesinnten auf und vor der Kabarettbühne. Eckhart freut sich jedenfalls diebisch, wie sehr dem Mannheimer Publikum die Kippa-Nummer zusagt: „Im Fernsehen wird so was ja gern geschnitten“, witzelt sie.
"Auch Krautland ist Ausland"
Mit den diversen Vorwürfen gegen sie eröffnet die Wahl-Leipzigerin den Abend selbstironisch. Als sie das erste Mal gehört habe, der Auftritt in Mannheim finde nicht statt, sei sie außer sich gewesen: „Ich habe mich auf den Boden geworfen und geschrien: Was? Haben die mich etwa ausgeladen? Diese verdamme Cancel Culture!“ Es war dann nur wegen Corona. „Das war natürlich noch bitterer“, spöttelt sie, „früher wurden Shows noch meinetwegen abgesagt. Der Erreger war ich!“
Der zweite Teil ist wesentlich stärker, auch politischer. Besonders köstlich ist ihr Blick auf die österreichische Politik und das wechselseitige Migrationsverhalten ihrer Landsleute und der Deutschen. Mit einem Kernsatz, der isoliert betrachtet den nächsten Proteststurm aufwühlen könnte: „Ausländerfeindlichkeit darf keine Hautfarbe kennen.“ Was sich schnell relativiert, durch eine Prise lässig vorgetragener Deutschenfeindlichkeit: „Es ist völlig egal, ob jemand aus dem Nahen Osten oder dem nahen Westen kommt. Auch Krautland ist Ausland.“
Der beste Teil sind ihre Lösungsvorschläge für den Ukraine-Krieg. Zum Beispiel: „Seien sie ohne Furcht (…) Ja, Putin hat Atomwaffen. Aber wir, haha, haben etwas viel Besseres, viel Gefährlicheres: Wir haben die Ungeimpften! Ein Heer aus 20 Millionen lebensmüden Männern und Frauen, die bereit sind, ihr Leben zu opfern - und zwar für Nichts und wieder Nichts!“ Die deutschsprachigen Impfgegner müsse man nur als Biowaffe in Russland mit Viren und Fake News alles kurz und klein schlagen lassen. Außerdem: „Ich sollte mit Putin reden (…) von Großmacht zu Großmacht.“ Wunderbare Idee. Vielleicht bekäme er von ihr Respekt vor den bunt-dekadenten Seiten des freien Westens eingebläut. Schlechter als Gerhard Schröder kann es Lisa Eckhart auch nicht machen.
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