Zugegeben, der Anspruch wird nicht mehr so regelmäßig formuliert wie in den Anfangsjahren des Festivals. Dennoch belegt das Programm auf der Parkinsel, dass er noch immer Bestand hat: Das Beste eines deutschen Filmjahrgangs soll hier zu sehen sein und folgerichtig auch solche Filme, die schon im Kino liefen, dort aber (zu) wenig wahrgenommen worden sind.
Das trifft beides zu auf Andreas Dresens „Gundermann“, den Spielfilm über den gleichnamigen, im Westen eher wenig bekannten Liedermacher der DDR, der im Jahr 1998 im Alter von nur 43 Jahren gestorben ist. Die Filmbiografie zählt zum Besten, was der aktuelle deutsche Film zu bieten hat – und ist angesichts dessen immer noch zu wenig bekannt. Das sah dann ja auch die Deutsche Filmakademie so und ehrte Dresens Werk mit gleich sechs Auszeichnungen, darunter die für den besten Spielfilm und die beste Regie – eine klare Bestätigung von Dresens Ausnahmestellung unter den zeitgenössischen Regisseuren, die das Festivalteam schon beim internationalen Herbst-Filmfest gewürdigt hat, wo Andreas Dresen im Jahr 2011 als „Master of Cinema“ geehrt worden ist.
Mitarbeit bei der Staatssicherheit
Kein Wunder also, dass „Gundermann“ nun auch um den Filmkunstpreis des Ludwigshafener Festivals konkurriert und dort als ein früher Favorit gehandelt werden muss. Wer den Film noch nicht gesehen hat, kann es nun nachholen – oder ihn auch erneut anschauen. Dresen erzählt auf verschiedenen Zeiteben, was das Verständnis zunächst ein wenig erschwert, den Film dann aber nur umso interessanter und fesselnder macht. Bemerkenswert ist das Ganze vor allem auch als zeitgeschichtliches Porträt über Leben und Alltag in der ehemaligen DDR.
Gerhard Gundermann, in dessen Rolle Alexander Scheer zu ganz großer Form aufläuft, wollte nie nur Musiker sein; er arbeitete als Baggerführer im Braunkohletagebau in der Lausitz, was Dresen auch ausführlich zeigt. Seine Lieder, darunter der eingängige, mehrfach im Film zu hörende Titel „Gras“, atmen viel Alltag, aber auch die Hoffnung, die ein Leben ausmacht. Gundermann erlebt Höhen und Tiefen, liebt und lebt; er lässt sich nicht verbiegen, sagt seine Meinung, schreibt sehr persönliche Texte – und lässt sich auch als Inoffizieller Mitarbeiter von der Staatssicherheit anwerben, was ihm frühere Freunde dann nur schwer verzeihen können.
Eigentümlichkeit der DDR gezeigt
Ganz konzentriert wirkt dieser Film, weil alles auf die Hauptfigur ausgerichtet ist, dabei ist er aber hochkomplex. Wenn der Abspann läuft, kann man als Zuschauer den Eindruck gewinnen, soeben miterlebt zu haben, wie die DDR wirklich gewesen ist, wie sich das Leben in ihr tatsächlich angefühlt hat. Andreas Dresen beweist hier erneut seine Klasse, er legt alles in diese Episoden aus einem Musikerleben und liest auch alles aus ihnen heraus. Hier ist kein Moment, der künstlich und nicht authentisch wirken würde.
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