Ludwigshafen. Karge Kost. Das serviert die österreichische Kaiserin sich und ihrem Gefolge, denn sie mag „keine dicken Menschen und keine Männer“ um sich haben. Opulente Kinokunst serviert dagegen Frauke Finsterwalder in ihrem Film „Sisi & ich“. Vor geschichtlichem Hintergrund, aber ohne konkrete historische Bezüge schildert sie die Freundschaft von Kaiserin Elisabeth und ihrer Hofdame, der Gräfin Irma Stáravy, als eine Geschichte moderner Frauen. Das betont sie schon durch die Auswahl der Filmmusik, die mit Trip-Hop, Electro und Indie-Rock die Handlung aus der Zeit herauslöst.
Liebe vonseiten der Hofdame
Zugleich legt die Regisseurin aber höchsten Wert auf stimmige Kulissen, die bis ins kleinste Detail die Welt des späten 19. Jahrhunderts beschwören. Die Kraft der Bilder zieht den Zuschauer fast magisch in das Geschehen hinein. Das beginnt mit einer strengen Aufnahmeprozedur, der sich Irma unterziehen muss, entwickelt sich zu einer zögerlich beginnenden, dann immer intensiver werdenden Frauenfreundschaft, die schließlich vonseiten der Hofdame in Liebe umschlägt.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Beide Frauen führen zunächst ein freies, rauschhaftes Leben außerhalb aller Konventionen in sommerlicher Idylle. Erst als Sisis bislang abwesender Ehemann, Kaiser Franz Joseph, seine Gattin zurück an den Hof mit seinen starren Regeln zwingt, wird das Ganze zur Tragödie. Wo zuvor noch sonnendurchflutete Szenarien vorherrschten, verdüstert sich nun die Perspektive. Thomas W. Kienasts exzellente Kameraarbeit macht Räume und Landschaften auf grandiose Art zum Teil der Handlung, lässt Weite und Beengtheit des Lebens, Nähe und Distanz zwischen den Protagonistinnen eindrucksvoll sichtbar werden. Allen voran aber brillieren Sandra Hüller (Irma) und Susanne Wolff (Sisi) als hochkarätige Hauptdarstellerinnen, die nuancenreich emotionale Feinheiten aufzeigen. Ein fesselnder Film.
Mit knallhartem Sozialrealismus mitten hinein in die prekären Verhältnisse in Berlin-Neukölln im Jahr 2003 katapultiert den Zuschauer David Wnendts Film „Sonne und Beton“, der auf dem gleichnamigen Buch von Felix Lobrecht basiert. Erzählt wird von Lukas und seinen drei Klassenkameraden Julius, Geno und Sanchez, deren Leben von Gewalt, Drogen, Kriminalität und ethnischen Spannungen geprägt ist. Die jungen Hauptdarsteller, allen voran der 17-jährige Levy Rico Argos als Lukas, agieren mit größtmöglicher Authentizität. Dafür sorgen auch Auftritte der Berliner Rapper Luvre47 und Lucio 101, die ebenfalls viel Lokalkolorit einbringen.
Die Sprache ist drastisch („ficken“ ist die am häufigsten verwendete Vokabel) ebenso wie die Art, Konflikte zu lösen. Blut spritzt, Knochen krachen, Ohrfeigen klatschen. Der Film zeigt, wo die Brutalität herkommt, Väter prügeln ihre Frauen und Kinder oder es herrscht Sprachlosigkeit wie bei Lukas, dessen Vater Jörg Hartmann (bekannt als „Tatort“-Kommissar Faber) glänzend verkörpert.
Setzt zu stark auf Sozialrealismus
Hinter diesen starken Milieuschilderungen tritt die eigentliche Geschichte fast etwas zurück. Weil Lukas von einer Gang erpresst wird, bricht er mit seinen Freunden in seine Schule ein und stiehlt mehrere Computer, die im Kiez verhökert werden sollen. Aber da ist die Spannungskurve des Films schon abgeschlafft, er schafft es nicht, sie über zwei Stunden hinweg zu halten. Zu holzschnittartig sind letztlich die Charaktere, die Handlung gerät so gleichförmig wie die Fassaden der Plattenbauten. Etwas weniger deutscher Ernst und eine Portion Witz, wie in englischen Sozialdramen, hätte auch gut getan.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-filmfestival-ludwigshafen-zeigt-sisi-ich-und-sonne-und-beton-_arid,2122549.html