Mannheim. Sie liebt ihn nicht, den von mir in die Welt gesetzten Ehrentitel "La Badura". Und doch schien ihr die Rolle der Operndiva Maria Callas in Terence McNallys "Meisterklasse" 1997 wie auf den Leib geschrieben. Wer die privat eher burschikose und erfrischend unkomplizierte Schauspielerin kennt, ist ehrfürchtig erstaunt, wie gut ihr auch die damenhaften Kostümchenrollen liegen. Früher, also auch noch zu Zeiten, als Gabriela Badura als Backfisch am renommierten Wiener Max-Reinhardt-Seminar (mit Hans Neuenfels und Monica Bleibtreu) zur Schauspielerin ausgebildet wurde, galt es als Schauspielkunst, die Privatheit zu verlassen, um auch einem dem eigenen völlig entgegengesetzten Menschentypus Figur und Stimme zu leihen.
Dem Charakter Stimme geben
Privatheit war eine Note, eine gelegentlich aufblitzende Nuance, die den darzustellenden Charakter vielschichtiger und spannend machte. Heute, wo jedes große Dichterwort möglichst so beiläufig klingen soll, als würde man "Taxi!" rufen, gelten die Einfühlungsakteure à la Stanislawski und William Esper oft als "old fashioned", als hoffnungslose Pathostransporteure, die sich - sofern sie noch erfolgreich und gefragt sind - oft griesgrämig von der Bühne abwenden, weil ihnen das private Rollenaussteiger-, Liedchensinger- und Quatschmachturntheater nichts mehr gibt.
Ob in Peter Turrinis "Die Liebe in Madagaskar" (1999 mit Michael Timmermann), ob als Großschatzmeisterin Burleigh in Schillers "Maria Stuart" - die kultivierte Dame von Welt liegt ihr, wenngleich sie in einem Gespräch zu ihrem 25-jährigen Bühnenjubiläum beklagte: "Der Trend geht leider zur Dame."
Lieber als die Diven sind ihr die bodenständigen, verwundeten, zynischen und bissigen Weibsbilder, die Hauptmann, Kroetz oder Gorki auf die Bühne stellen. Frauen, denen Schmutz und Muttererde von Armut, Krieg und Flucht unter den Holzpantoffeln kleben, die ein Maul wie ein Rasiermesser und das Herz auf dem rechten Fleck haben. Ihre "Wassa Schelesnowa", "Mutter Courage" und Mutter Wolffen belegen es. In Zeiten, in denen diese Frauen buchstäblich kaum noch große Rollen spielen, ist es ein Glück gewesen, dass Burkhard C. Kosminski Tracy Letts' "Eine Familie" ans NTM brachte - und Gabriela Badura zu seiner furiosen Violet machte. Dem frischgekürten Schauspielintendanten war es ein echtes Anliegen, die seit 1975 durchgängig in Mannheim spielende Mimin zum Ehrenmitglied ihres Hauses zu machen. "La Badura" hat es längst mehr als verdient. Trotz großer Loyalität zu ihren Kollegen und ihrem Haus sagt sie mühelos und offen auch Kritikern gegenüber, wenn sie eine einzelne Inszenierung (oder auch eine Kritik) für einen rechten Schmarrn hält.
Erst vorgestern ging sie lächelnd aus dem Meese-Schlamassel mit den Worten: "Ich trink jetzt erst mal 'nen Schnaps auf die Demokratie!"
Gabi Badura darf das, weil sie vieles kann. 1975 kam sie für "jugendliche Charakterrollen" und hat seitdem vieles gegeben. Sie ist keine Staatsmimin russischen Zuschnitts, sie spielte nackt ("Wenn es die Rolle erfordert: Ja!"), sang Liederabende, experimentierte im Werkhaus, alberte nach Herzenslust in Serreaus "Hase, Hase" - und macht den Mund auf, wenn ihr etwas nicht passt. Die großen Erfolgsjahre unter Claus Leininger oder Jürgen Bosse haben sie zu einer großen Ensembleschauspielerin und zur wohl bekanntesten und beliebtesten Schauspielerin der Stadt gemacht, auch wenn Schauspieldirektoren wie Bruno Klimek oder Jens-Daniel Herzog sie weit weniger einsetzten, als das Publikum es sich wünschte. Das hat sich über die Pensionsgrenze und eine überstandene Krankheit hinaus dank Burkhard C. Kosminksi wieder geändert. Und immer noch ist ihr Lampenfieber so zuverlässig intensiv wie ihr instinktives Gespür für Leben, Leiden, Lachen, Lieben, das sich von der Bühne in die Sinne ihres Publikums senkt.
Im Anschluss an die Sondervorstellung "Heiden", erhält nun Ehre, wem Ehre gebührt. Viva La Badura, herzlichen Glückwunsch aus dem Parkett, Reihe 7, Platz 3!
Gabriela Badura
Gabriela Badura wurde am 22. Februar 1941 in Gleiwitz (heute Polen) geboren; sie wuchs in Tirschenreuth und Augsburg auf. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie am Wiener Max-Reinhardt-Seminar.
Sie ist seit 1975 am Nationaltheater engagiert, wo das dienstälteste Mitglied des Schauspielensembles bisher in 126 Rollen zu sehen war - unter anderem auch in Jürgen Bosses legendärem "Bockerer", "Die Möwe" (Tschechow) und mit Franz Mazura in "Geliebter Lügner".
2008 wurde Gabriela Badura bereits mit dem Bloomaul-Orden ausgezeichnet. rcl
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