OB-Wahl in Mannheim Wählen zu gehen, ist politische Bürgerpflicht

Der erste Wahlgang bei der OB-Wahl hatte eine katastrophale Wahlbeteiligung. Der zweite droht ähnlich zu enden. Nicht zu wählen, zerstört das Fundament der Demokratie, kommentiert "MM"-Chefredakteur Karsten Kammholz

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Karsten Kammholz
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Es wird ein Fest der Demokratie: Am Sonntag bekommt Mannheim einen neuen Oberbürgermeister! Mehr direkte Mitsprache ist kaum vorstellbar. Die kommenden acht Jahre im Rathaus liegen in den Händen der Mannheimer Bürgerinnen und Bürger. Es geht um die Zukunft unserer Stadt! Gestalten wir sie mit und gehen wählen!

Die blanken Zahlen noch einmal zum Verdauen: Von den rund 235.000 Wahlberechtigten verzichteten fast 160.000 auf ihre Beteiligung.

Genug des Pathos. Die Mannheimer Realität ist eine andere - sie ist erschreckend. Vor drei Wochen haben nur 32,2 Prozent ihre Stimme abgegeben. In manchen Stadtteilen konnte man beim ersten Wahlgang schon gezielte Wahlverweigerung vermuten. Die blanken Zahlen noch einmal zum Verdauen: Von den rund 235.000 Wahlberechtigten verzichteten fast 160.000 auf ihre Beteiligung.

Erneut droht ein Wahlsonntag mit viel zu niedriger Beteiligung. Denn die Ausgangslage hat sich nicht dramatisch verändert. Die Favoriten des ersten Wahlgangs sind die Duellanten des zweiten. Ganz gleich, ob Thorsten Riehle oder Christian Specht den städtischen Chefsessel einnehmen wird: Der neue Oberbürgermeister muss über neue Partizipationsformate nachdenken, auch über die Art und Weise der Bürgeransprache - und darüber, warum es allen Wahlkämpfern in diesem Sommer nicht gelungen ist, die fragmentierte Stadtgesellschaft für sich und ihre Themen zu elektrisieren.

Wählen gilt offensichtlich nur noch bei Bundestagswahlen als Bürgerpflicht.

Wählen gilt offensichtlich nur noch bei Bundestagswahlen als Bürgerpflicht. Die eigene Kommune wird dabei als unwichtigste aller politischen Ebenen wahrgenommen. Politologen und Soziologen befassen sich seit Jahrzehnten mit dem Phänomen. Sehr heruntergebrochen begründen sie den Wählerschwund insbesondere auf kommunaler Ebene mit zwei widersprüchlichen Thesen. Die eine: Die Menschen sind grundsätzlich zufrieden und sehen keinen Anlass zu wählen. Die andere: Die Menschen sind so unzufrieden, dass sie nicht mehr daran glauben, mit ihrer Stimme etwas zu verändern.

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Beim anstehenden zweiten Wahlgang darf es durchaus um die eigene Befindlichkeit gehen: Mögen die Zufriedenen ihre Stimme abgeben, um sich ihrer politischen Selbstwirksamkeit bewusst zu werden. Und mögen die Unzufriedenen demjenigen ihre Stimme geben, den sie für das kleinere Übel halten. Nicht zu wählen, zerstört schlicht das Fundament der Demokratie.

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

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