Mannheim. 28 Jahre lang war Josef, genannt Seppl, Herberger Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der „Chef“, wie ihn seine Spieler ehrfürchtig nannten, gewann mit seiner Mannschaft am 4. Juli 1954 in der Schweiz den ersten deutschen WM-Titel. Die Reportage von Radio-Reporter Herbert Zimmermann ist zu einem Stück deutscher Nachkriegsgeschichte geworden: „Sechs Minuten noch im Wankdorf-Stadion in Bern. Schäfer nach innen geflankt. Kopfball. Abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tooor. Tooor. Tooor. Tooor.“
Wie kein Zweiter hat Sepp - oder kurpfälzisch korrekt Seppl - Herberger den Fußballsport in Deutschland geprägt. Er ist nicht nur der Vater des „Wunders von Bern“. Herberger legte den Grundstein für die Fußball-Bundesliga, die ein Jahr vor seinem Abschied aus dem Amt des Bundestrainers mit der Saison 1963/64 eingeführt wurde. Herberger war der Begründer der modernen Trainerausbildung und der kreative Schöpfer zahlreicher Fußball-Weisheiten. „Der Ball ist rund“, „Das Runde muss ins Eckige“ oder „Ein Spiel dauert 90 Minuten“ sind drei der bekanntesten Zitate.
Seppl Herberger war aber vor allem auch Monnemer. Genauer gesagt, er war Waldhöfer, wie er stets stolz betonte. Aber würdigt seine Heimatstadt einen ihrer bekanntesten Söhne des 20. Jahrhunderts auch, wie es ihm gebührt? Ich meine: Da wäre noch mehr möglich.
Der Waldhof war Herbergers Zuhause
Herbergers Geschichte ist eng mit Mannheim verwoben. Im Alter von zwölf Jahren verlor der junge Seppl seinen Vater. Er musste die Schule verlassen und Verantwortung für seine Mutter übernehmen. In ihrer Not zogen Mutter und Sohn zur Tante, die in der Spiegelsiedlung lebte. Bis heute erinnert an der einzig erhaltenen Häuserreihe der ältesten Arbeiterwohnsiedlung Mannheims eine Plakette an die Jahre, die Herberger dort verbrachte. Der Waldhof war sein Zuhause, dort besuchte er die Waldhofschule, avancierte im Trikot des SV Waldhof zum Nationalspieler und lernte Eva kennen, die er im April 1921 heiratete.
Tobias Wrzesinski
Tobias Wrzesinski ist Geschäftsführer der DFB-Stiftungen Sepp Herberger und Egidius Braun.
Er wurde 1983 in Ludwigshafen geboren und lebt in Mannheim.
Seinen späteren Wechsel vom Arbeiterverein SVW zu den Bürgerlichen beim VfR Mannheim verzieh man ihm bei den Blau-Schwarzen nicht. Als er den VfR verließ und zu Tennis Borussia Berlin wechselte, waren ihm auch die VfRler gram, was sicher mit dazu beitrug, dass man trotz all seiner großen Erfolge in seiner Heimatstadt kein besonderes Andenken an ihn pflegte. In Berlin erwarb Autodidakt Herberger an der Hochschule für Leibesübungen den Abschluss als Turn- und Sportlehrer. An der Seite von Professor Otto Nerz, der ebenfalls aus Mannheim stammte, engagierte er sich für die Nationalmannschaft, deren Trainer er nach den Olympischen Spielen von 1936 wurde und bis zum Jahr 1964 blieb.
Sein Lebensweg als Fußballmärchen
Seppl Herbergers Lebensweg ist ein frühes Fußballmärchen. Durch Fleiß, Akribie und großen Ehrgeiz arbeitete er sich an die Spitze des Weltfußballs und in höchste gesellschaftliche Kreise empor. Die nicht einfachen Jugendjahre prägten ihn. Vom Arbeiterstadtteil Waldhof zog es Herberger über Berlin nach Weinheim. Dort lebte er in Hohensachsen mit bestem Blick in die Rheinebene. Wenige Meter von seinem früheren Wohnhaus, das heute in der Sepp-Herberger-Straße steht, ist er neben seiner Frau auf dem Bergfriedhof beigesetzt. An der Sepp-Herberger-Grundschule wird bis heute die Erinnerung an ihn gepflegt. „Ich war ein Besessener“ sagte Herberger einst über sich selbst. Besessen vom Fußball. Dabei vergaß er seine Wurzeln nie. Die Sorge um seine Spieler und andere Menschen trieb ihn um.
Als er 80 Jahre alt wurde, gab der damalige DFB-Präsident Hermann Neuberger am 28. März 1977 beim Festakt im Mannheimer Schloss die Errichtung der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußballbundes bekannt. Die Stiftung ist Alleinerbin der kinderlosen Eheleute. Bis heute lebt Herbergers Wirken in der Einrichtung fort. Beispielsweise im Bereich der Resozialisierung von Strafgefangenen oder mit dem DFB-Sozialwerk für in Not geratene Mitglieder der Fußballfamilie.
Seppl Herberger ist ein großer Sohn der Stadt Mannheim. In den vergangenen Jahren ist mit der Unterstützung engagierter Menschen das Gedenken an ihn forciert worden. Oberbürgermeister Peter Kurz, Ex-Waldhof-Trainer Klaus Schlappner, der ehemalige Erste Bürgermeister Norbert Egger, Historiker Hiram Kümper, Herberger-Biograf Karl-Heinz Schwarz-Pich, Bastian Fiedler und die m:con, die Bürgerinitiative Waldhof-West um Jürgen Kurtz und Martin Willig vom Fanprojekt des SVW, haben sich für ihn eingesetzt. Vor allem aber auch sein Ur-Großneffe Michael Herberger (Söhne Mannheims) sowie Harald Schäfer und sein Team vom Fußballkreis Mannheim.
Erinnerungen zum 125. Geburtstag
Im nächsten Jahr würde Seppl Herberger 125 Jahre alt werden. Dieses besondere Ereignis würde die Gelegenheit bieten, mit besonderen Aktionen an ihn zu erinnern. Wie wäre es mit einem Fußball- und Sportfest für Kinder und Jugendliche aus Mannheimer Schulen und Vereinen? Einer Aktion in der Justizvollzugsanstalt? Oder der Schaffung eines adäquaten Andenkens im öffentlichen Raum, beispielsweise durch die Benennung einer Straße oder der Einrichtung einer Dauerausstellung?
Wir fragen uns aber nicht nur, was die Stadt für einen ihrer größten Söhne tun kann, sondern auch, was wir als Stiftung für die Heimatstadt unseres Stifters und Namensgebers tun können. Im Doppelpass finden wir darauf sicher die passenden Antworten. Ganz im Sinne des „Chefs“. Denn für Seppl Herberger war nach eigenem Bekunden „Monnem immer vorn“.
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