Mannheim. Die Idee ist bestechend einfach - und wäre doch ein gewaltiges technisches Projekt: Die vielen lauten Güterzüge, die täglich durch Mannheim donnern, könnte man künftig doch einfach in einen Tunnel unter dem Stadtgebiet verlegen. Dann wäre es oben ruhiger.
Bürgerinitiativen lärmgeplagter Anwohner an der Östlichen-Riedbahn-Strecke, die von Neuhermsheim über Neuostheim und Käfertal bis zum Waldhof führt, und auf der fast alle Güterzüge die Stadt passieren, fordern einen solchen Tunnel schon lange. Auch Gemeinderat und Stadtverwaltung haben die Deutsche Bahn bereits 2017 aufgefordert, eine oberirdische Mannheim-Umfahrung für Güterzüge zu prüfen - oder aber eben einen Tunnel. Als Beispiel genannt wurde dabei immer wieder die südbadische Stadt Offenburg. Dort soll bis 2035 ein rund sieben Kilometer langer Güterzugtunnel entstehen. Kosten: knapp 1,2 Milliarden Euro, finanziert von Bund und Land. Und auch in Frankfurt ist ein Bahntunnel unter der Stadt geplant.
Das wünscht sich Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) auch für seine Stadt: „Ein Bahntunnel ist aus unserer Sicht die einzige Möglichkeit, die Bürgerinnen und Bürger Mannheims wirksam vor Bahnlärm zu schützen“, betont er. „Wir sind für eine Stärkung der Schiene - aber nicht um den Preis, dass die Mannheimerinnen und Mannheimer um ihren Schlaf gebracht werden.“
Ein Tunnel von der Blumenau im Norden bis zum Rangierbahnhof im Süden sei technisch durchaus machbar, so Kurz. Das habe schon vor zwei Jahren ein Gutachten des Verbands Region Rhein-Neckar gezeigt. „Wie genau dieser Tunnel am Ende aussieht, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Dafür sind die Planungen noch nicht weit genug fortgeschritten.“
Die Tunnel-Frage hat in den letzten Jahren in Mannheim aus mehreren Gründen eine große Brisanz bekommen: Die Stadt liegt auf der für den Güterverkehr wichtigen Mittelrhein-Strecke, die die beiden Seehäfen Rotterdam und Genua miteinander verbindet. In Zukunft wird der Verkehr auf der Schiene immer mehr zunehmen. Nach Zahlen der Bahn sollen im Jahr 2025 mehr als 250 Güterzüge täglich durch Mannheim fahren - das ist im Schnitt fast alle sechs Minuten einer, die meisten davon nachts. Nördlich und südlich von Mannheim werden Streckenabschnitte ausgebaut, oder es ist in Planung. Zwischen Mannheim und Frankfurt zum Beispiel wird die Planung für eine ICE-Neubaustrecke immer konkreter - auf den Schienen sollen nachts Güterzüge fahren, die dann durch Mannheim kommen.
Nachdem die Bahn vergangenes Jahr ihre favorisierte Trasse für die Neubaustrecke präsentiert hat, ist zusätzlich Bewegung in die TunnelFrage gekommen. Denn die ICE-Strecke soll teilweise unterirdisch durch den Lampertheimer Wald führen und in einem Trog - und damit in Tieflage - die Mannheimer Gemarkung erreichen. Da seien die Schienen sozusagen schon unter der Erde und keine größeren Rampen für einen Tunnel mehr nötig, argumentieren Stadt und Bürgerinitiativen. „Warum sollte man unter dem hessischen Ried unter der Erde fahren und ausgerechnet im verdichteten Stadtgebiet Mannheim wieder auftauchen?“, fragt Oberbürgermeister Kurz. „Wichtig ist, dass wir in der Region mit einer Stimme unsere Interessen Richtung Berlin artikulieren. Denn die Abgeordneten des Bundestages entscheiden letztlich, ob ein Tunnel in Mannheim gebaut wird.“ Entscheidend für die Stadt dabei: Es muss ein Tunnel für Güter-, nicht für Fernzüge sein. Denn Mannheim soll keinesfalls vom ICE-Verkehr abgehängt werden, wie es der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn vor 20 Jahren mit seinen „Bypass“-Plänen vorhatte.
Konkret behandelt wird die Frage nach einem Tunnel unter Mannheim im kürzlich gestarteten „Bahnprojekt Mannheim-Karlsruhe“. In dem auf mehrere Jahre angelegten Vorhaben will die Deutsche Bahn mit Bürgern, Politik und Verbänden erarbeiten, wie man den Abschnitt zwischen Mannheim und Karlsruhe links und rechts des Rheins für die Verkehre der Zukunft fit macht. Konkret notwendig sind zwei zusätzliche Gleise. Ein Ausbau bestehender Strecken ist dabei genauso eine Option wie neue Trassen. Auf eine aktuelle Anfrage dieser Redaktion bei der Bahn, wie wahrscheinlich der Bau eines Güterzugtunnels unter dem Stadtgebiet tatsächlich ist und wie dieser verlaufen könnte, gab es vom Unternehmen keine Antwort.
Und was wäre, wenn der Tunnel am Ende nicht käme? „Das wäre für unsere Bürgerinnen und Bürger zunächst einmal eine sehr schlechte Nachricht“, sagt der Oberbürgermeister. „Es würde nicht nur die Akzeptanz des Schienenausbaus massiv beschädigen. Es würde auch eine extreme Belastung für die betroffenen Anwohner bedeuten, bis hin zu möglichen gesundheitlichen Belastungen.“ Schutzwände könnten den Lärm zwar reduzieren, allerdings stellten sie einen „städtebaulich massiven Eingriff“ dar. „Für mich nur schwer vorstellbar.“
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