Genau 44 Bäcker backen im Jahr 1848 allein innerhalb der Quadrate. Einen Namen davon, nämlich Herrdegen, kennt man noch heute – wenn auch als Café. Was sie für Brot der ersten und der zweiten Sorte anbieten, was ein Wasserweck und ein Milchbrötchen kosten – es steht in der Zeitung. Das „Mannheimer Journal“ druckt die Liste alle zwei Wochen ab.
Man erfährt da auch, dass die städtische Kleeernte öffentlich versteigert wird, in F 1,8 der mittlere Stock zu vermieten ist, ein Putzgeschäft – heute würde man Hutmacherin sagen – eine „erste Arbeiterin und noch einige Lehrmädchen“ sucht. „Ein junger Mensch“ aus H 1,7 wünscht „sich baldigst bei einer Herrschaft oder auch in einer Wirthschaft placirt zu sehen“, lautet ein „Stellen-Gesuch“, und Susanne Macher bringt per Inserat „zur öffentlichen Kenntnis“, dass sie für ihre Tochter keine Zahlungen mehr leistet und alle Leser warnt, „ihr etwas zu borgen“. Das pralle Leben also. . .
Man findet es in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen. Sie verwahren die Bibliothek des Mannheimer Altertumsvereins von 1859 ebenso wie die Bestände der alten Wissenschaftlichen Stadtbibliothek aus dem Schloss. Und dazu zählen zahlreiche Mannheimer Zeitungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Doch eine fehlt – die Allererste. Schon 1680 wird erstmals eine in Mannheim erscheinende Zeitung in einem Ratsprotokoll erwähnt. Danach bestellt der Rat der Stadt am 25. Mai eine „wochentliche hiesige Zeitung“ bei einem Buchdrucker namens Wilhelm Walter. Zuvor hatte er bereits aus Heidelberg, Frankfurt und Frankreich Blätter bezogen um „der Welt Geschäfte und was hin und wieder vorgehet zu wissen“. Allerdings ist kein Exemplar aus dieser Zeit mehr erhalten.
1720, als Mannheim kurfürstliche Residenz wird und der Bau des Schlosses beginnt, ist in alten Protokollen wieder die Rede davon, dass man sich eine Zeitung wünscht – offenbar aber ohne Erfolg. Erst am 2. September 1741 erscheint erstmals das „Mannheimer Frag- und Kundschaffts-Blatt“, später in „Mannheimer Intelligenz- oder Frag- und Anzeigs-Blatt“ umbenannt. Freilich enthalten die vier Seiten nur private Inserate und Verlautbarungen der kurfürstlichen Behörden, gelegentlich ergänzt mit „Gelehrte Sachen“ überschriebenen Informationen aus der Landwirtschaft oder Tipps zu Gesundheitsthemen.
Auf dem Titelblatt wird eigens erwähnt, dass man nur dank dem „gnädigst erteilten Privileg“ des Regenten erscheinen darf. Es wird „iedem Liebhaber in das Hauß gebracht“, aber man kann es auch abholen, und zwar „neben dem Pfältzer Hof in dem neu angemalten Hauß im unteren Stock“, also im heutigen Quadrat D 1. 1803 stellt das Blatt aber sein Erscheinen ein. Ob es an der Konkurrenz liegt? Ab 1767 taucht nämlich zusätzlich die „Mannheimer Zeitung“ auf. Einer der Gründer ist Hofrat August Lamey, Sekretär der Kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften. Und wie er in seiner Biografie schreibt, soll damit dem Kurfürsten „ein Gefallen geschehen“. Zweimal wöchentlich, ab 1805 auch täglich berichtet das Blatt über das Geschehen am kurfürstlichen Hof und aus anderen europäischen Städten – freilich mit gewaltiger Verzögerung.
Als Herausgeber einer Zeitung fungiert das katholische Bürgerhospital. Ihm gestattet der Kurfürst, zur Finanzierung der Krankenversorgung, ab 1789 den Betrieb einer Druckerei und eines Verlags, der ab 1790 wöchentlich das „Mannheimer Intelligenzblatt“ herausgibt, ab 1792 zweimal in der Woche. Es handelt sich dabei, auch wenn der Titel anders klingen mag, in erster Linie um ein Anzeigenblatt, später um wenige allgemeine, kurze und unkommentierte politische Nachrichten ergänzt. Wenn auch unter verschiedenen Titeln, so erscheint es doch durchgehend bis 1944.
Ab 1800 verfügt Mannheim kurze Zeit sogar über eine französischsprachige Zeitung, das „Journal politique de Mannheim“. Es ist jene spannende Zeit, als Napoleon herrscht und das bis dahin kurpfälzische Mannheim ab 1803 badisch wird. Nachdem die französische Regierung sich aber mehrfach über die Berichterstattung beschwert, verbietet der Großherzog 1809 das Journal – das aber noch ein Jahr unter geändertem Titel weiter erscheint.
Kampf gegen Zensur
Ab 1810 dürfen im Großherzogtum Baden gar keine politischen Blätter mehr existieren, nur noch die „Großherzoglich Badische Staats-Zeitung“, die schön brav das schreibt, was dem Regenten gefällt und dem napoleonisch geprägten Nachbarland nicht missfällt.
Nach der Zwangspause darf ab 1821 die „Mannheimer Zeitung“ wieder erscheinen – aber sie hält nicht mehr lange durch, sondern stellt 1834 den Betrieb ein. Sie „verkümmert an innerer Haltlosigkeit und Abonnentenmangel“ heißt es in einem zeitgenössischen Text dazu. Schließlich sind es politisch bewegte Zeiten zwischen dem Hambacher Fest 1832 und der Märzrevolution von 1848, zwischen dem Wunsch nach liberalem Aufbruch und strenger staatlicher Zensur.
Ein Blatt, das leidenschaftlich für politische Reformen eintritt, ist der ab 1. April 1832 in Mannheim herausgegebene „Wächter am Rhein“, der aber schon ab Ende Juli wieder verboten wird. Zwei Jahre später versucht der „Mannheimer Stadt- und Landbote“ daran anzuknüpfen, indem er mehr feuilletonistische Texte und ausführliche Theaterberichte druckt. Aber nach neun Monaten ist auch da Schluss. „Früher Tod durch Censurleiden“, bedauert der Verleger, Buchhändler Heinrich Hoff, der später noch bei der Revolution 1848 eine maßgebliche Rolle in Mannheim spielt.
„Mannheimer Tageblatt“ (1836/37), „Mannheimer Abendblatt“ (1838-1841, oder „Mannheimer Morgenblatt“ (1840 bis 1848) sowie das „Mannheimer Journal“ (1837-1888) – zahlreiche Titel werden gegründet und wieder eingestellt, teils aus wirtschaftlichen Gründen, oft aber auch wegen zunehmender Zensur. Dabei spielt Mannheim eine Hauptrolle im badischen Kampf um die „unbedingte Preßfreiheit“, wie es damals genannt wird. Parallel zu den politisch-kämpferischen Zeitungen etablieren sich Veröffentlichungen „der Belehrung und Unterhaltung“, wie es etwa die „Rheinische Morgenzeitung für gebildete Leser“ als ihr Ziel ausgibt. Drei Jahre, von 1821 bis 1824, hält es durch, zeitweise sogar monatlich um ein Musikblatt ergänzt. Das Katholische Bürgerhospital druckt ab 1848 ein „Mannheimer Unterhaltungs-Blatt“ als Beilage zu seinem „Mannheimer Journal“.
Kurios ist die „Allgemeine Gasthofs-Zeitung für Gastwirte und ihre Gäste“, von Mitte 1839 bis 1842 nachgewiesen. „Blätter für Leben und leben lassen, für Comfort, materielles Wohl, heitere Unterhaltung, geselliges Vergnügen, Bad- und Reiselust“ nennt sich die „wöchentlich in zwei Nummern“, so das Titelblatt, gedruckte Veröffentlichung. Es soll wirtschaftlich erfolgreich gewesen sein, aber als Redakteur Heinrich Börnstein nach Paris umzieht, findet sich kein Nachfolger, zumindest „kein der Sache ganz gewachsener Redakteur“, heißt es in der letzten Ausgabe. Ungewöhnlich auch der Titel „Der Kikeriki“ – die Unterhaltungs-Beilage zum „Mannheimer Tageblatt“, das ab 1871 dreimal wöchentlich erscheint.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/75-jahre-mm_artikel,-75-jahre-mannheimer-morgen-die-urahnen-des-mm-_arid,1816930.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html