Rückblick in die Pressegeschichte II (mit Fotostrecke)

Einst 14 Zeitungen täglich

Mannheim kann auf eine vielfältige Presselandschaft zurückblicken. Doch wie andere demokratische Traditionen der Quadratestadt, so endet auch diese zunächst mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933.

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Zeugnisse des Mannheimer Zeitungslebensvor dem „MM“: Der Nachruf der NMZ zum Tode von Reichsaußenminister Gustav Stresemann 1929.
© Konstantin Gross/Stephan Eisner

Da geht doch jedem Zeitungsfan das Herz auf: Noch zu Beginn der 1930er Jahren erscheinen in Mannheim sieben stadtweite Tageszeitungen, die beiden größten sogar zwei Mal täglich, dazu bis zu sieben weitere in den Vororten. Das zeigt: Mannheim gehört bis 1933 zu den bedeutendsten Zeitungsstädten Deutschlands.

Die älteste und größte Zeitung ist die 1856 gegründete „Neue Badische Landes-Zeitung“, die bald zur Standardlektüre des Mannheimer Bildungsbürgertums wird. 1867 entsteht das „Tageblatt“, ein Nachrichtenorgan ohne explizit politische Ausrichtung.

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1884 gründet Dr. Hermann Julius Haas den „Stadt-Anzeiger“, der zwei Jahre später zum „General-Anzeiger“ wird. Die Zeitung verortet sich politisch bei den Nationalliberalen, unterstützt das Wilhelminische Kaiserreich. In einer Hinsicht zeigt das Blatt schon damals ganz klare Kante: In zahlreichen Artikeln, teilweise über die gesamte erste Seite hinweg, wendet sich Haas, Sohn jüdischer Eltern, aber evangelisch getauft, energisch gegen antisemitische Strömungen in der Gesellschaft. Er stirbt 1902.

1929 Druckhaus-Einweihung

In der Weimarer Republik verortet sich das Blatt, seit 1924 als „Neue Mannheimer Zeitung“, politisch bei den Liberalen, also der eher linksliberalen „Deutschen Demokratischen Partei“ (DDP) und der liberalkonservativen „Deutschen Volkspartei“ (DVP). Als deren Vormann Gustav Stresemann 1929 stirbt, füllt dies naturgemäß die erste Seite. Ebenfalls 1929 zieht die NMZ von ihrem bisherigen Standort E 6 ins Bassermann-Haus an den Marktplatz. Auf Grund dieser Verortung, aber auch der Eigentümer-Verhältnisse, kann die NMZ als Vorläuferin des „Mannheimer Morgen“ gelten.

Noch herrscht eine große Pressevielfalt. Neben den sieben stadtweiten Tageszeitungen gibt es eine Reihe von Vorortblättern, unter anderem die „Feudenheimer Zeitung“, den „Käfertäler Anzeiger“, die „Rheinauer Zeitung“, den „Sandhofener Anzeiger“, die „Neckarauer Zeitung“, die „Friedrichsfelder Zeitung“ und den „Neckar-Boten“ in Seckenheim.

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Noch im Jahr der NS-Machtergreifung 1933 verschwinden die meisten. Am 9. März 1933 stürmen SA-Horden das Verlagsgebäude der sozialdemokratischen „Volksstimme“ in R 3. Die Räume nutzt fortan das „Hakenkreuzbanner“, das 1931 gegründete Hetzblatt der Mannheimer NSDAP. Gegen die bürgerlichen Zeitungen geht man subtiler vor. Die „Neue Badische Landeszeitung“ des jüdischen Verlegers Heinrich Gütermann wird mit Boykott belegt. Bald gibt er zermürbt auf, emigriert nach Uruguay, wo er sich als Buchhändler verdingen muss und 1963 stirbt. 1939 stellt schließlich auch das „Mannheimer Tageblatt“ sein Erscheinen ein.

So bleibt neben dem „Hakenkreuzbanner“ nur die NMZ – auf einem ihr damals eben möglichen Weg. Noch 1938 kritisiert sie etwa, zwischen den Zeilen zwar, aber für Lesekundige unübersehbar, die Novemberpogrome. Ihre Leser schätzen die Diktion fernab des „Hakenkreuzbanner“-Gebrülls; in Mannheim gilt die Devise: „Man muss das Hakenkreuzbanner abonniert haben, aber die NMZ lesen.“ 1944 werden beide zwangsfusioniert. Die letzte Ausgabe erscheint am 23. März 1945, eine Woche vor der Befreiung. Sie enthält die Mitteilung, dass die Träger ihre Arbeit einstellen; die Zustellung erfolge nunmehr in den Bunkern.

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