Das Wichtigste in Kürze
- Die Heidelbergerin Ina Schlie schob vor vier Jahren ein Netzwerk für Investorinnen und Gründerinnen an.
- Encourageventures bringt inzwischen Hunderte Investorinnen und Start-ups zusammen und jede Menge Kapital.
- Das Netzwerk ist in ganz Deutschland und sogar in Paris und Wien aktiv.
Mannheim. Den Stolz und die Feierlaune sieht man Ina Schlie auch im virtuellen Gespräch auf dem Bildschirm an. Die Heidelbergerin und frühere SAP-Managerin gründete vor vier Jahren ein ganz besonderes Frauen-Netzwerk. Encourageventures sollte Investorinnen zusammenbringen, die gezielt Gründerinnen unterstützen. Das Ziel: Frauen ermutigen zu gründen und ihnen – mit Kapital und Mentoring – zu helfen, sich in einer von Männern dominierten Start-up-Welt zu behaupten. Gestartet war Schlies Projekt mit 60 Geldgeberinnen, Spitzenmanagerinnen und Unternehmerinnen.
Encourageventures vereint 750 Investorinnen und 1300 Start-ups
Und heute: Ist Schlie Co-Vorsitzende eines Netzwerks mit 750 Investorinnen und Mentorinnen und 1300 divers geführten Start-ups. In großen Städten und Regionen ist encourageventures mit Regional Leads vertreten – und sogar schon im Ausland in Paris, Wien und Salzburg. In jeder Woche gibt es bundesweit mehrere Events von Pitch-Nights über Investoren-Dinner bis zu Business-Angel-Academys, wo man lernen kann, wie man ein Business Angel wird. „Encourageventures ist zu einem Ökosystem gewachsen mit Gründerinnen und Investorinnen, mit Wissenschaftlerinnen und Spitzenmanagerinnen“, sagt Schlie.
Co-Vorsitzende Nina Stegmann ist seit einem Jahr dabei. Sie staunt immer noch: „Es ist ein ganz grandioses Netzwerk mit ganz viel Power und Engagement, auch nach vier Jahren.“ Stegmann ist selbst Gründerin, sie führt eine Managementberatung mit Fokus auf digitaler Transformation.
Die Metropolregion mit den Start-up-Schwergewichten Mannheim und Heidelberg wird im Regional Lead Südwest betreut. Ein Fokus liegt im Südwesten zum Beispiel darauf, wie gestandene Familienunternehmerinnen in junge Gründungen investieren können. Und in Heilbronn kooperiert das Netzwerk mit Campus Founders, dessen Programme Innovationen voranbringen sollen und das von der Dieter Schwarz Stiftung gefördert wird. In Heidelberg arbeitet encourageventures zum Beispiel mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zusammen. Ebenso mit Palatina Angels, einer Vereinigung von Business Angels.
Es gibt immer mehr vermögende Frauen
Konkurrenz fürchtet Schlie dabei nicht, im Gegenteil. Im Netzwerk läuft viel über Partnerschaften: „Wo es geht, kooperieren wir – wenn unsere Vision unterstützt wird“, sagt sie. „Mit den Palatina Angels haben wir schon einige erfolgreiche Veranstaltungen durchgeführt.“ Die Metropolregion ist ein interessantes Pflaster aus ihrer Sicht, nicht allein, weil es ihre Heimat ist: „In dieser Region gibt es nicht nur viele großartige Gründer:innen, sondern auch viele vermögende Menschen, die gerne unser Angebot annehmen.“
Apropos vermögend: Dass Schlies Initiative so wächst, liegt auch daran, dass es immer mehr vermögende Frauen gibt – die es sich dann auch leisten können, zu investieren. „Wir können davon ausgehen, dass das Vermögen in Deutschland im Moment zu 40 Prozent auf Frauen entfällt. Aber nur ein Prozent des Kapitals wird in rein von Frauen geführte Start-ups investiert, bei diversen Start-ups sind es zwölf Prozent“, erklärt Schlie. Deshalb will sie Frauen motivieren, Investitionsentscheidungen für mehr Diversität zu treffen und ihnen gleichzeitig den Zugang zu entsprechenden Invests verschaffen.
Start-ups, die von encourageventures unterstützt werden wollen, müssen mindestens eine Frau mit signifikantem Kapitalanteil im Gründerteam haben. Auf der Invest-Seite wiederum überwiegt zwar der weibliche Anteil deutlich, jedoch interessieren sich laut Schlie immer mehr Männer für das Netzwerk. Und das finden die beiden Vorsitzenden gut: „Unsere Türen sind auch für Männer offen und immer mehr von ihnen werden bei uns Mitglied“, betont Stegmann.
Die Spanne der Investments im Netzwerk liegt zwischen 10.000 und 500.000 Euro. Keiner müsse ein Mindest-Invest mitbringen, um aufgenommen zu werden. Kleinere Summen lassen sich in einem Ticket bündeln. In den Frühphasen kurz nach Gründung brauchen Start-ups oft noch nicht die Riesensummen. Bei Anschlussfinanzierungen von bereits erfolgreichen Jung-Unternehmen braucht es dagegen meist deutlich mehr Kapital. Hier kommen Venture-Capital-Fonds zum Zuge, die auf große Deals spezialisiert sind. Man habe ein großes Netzwerk an Risiko-Kapital-Fonds rekrutiert. „Viele Venture-Capital-Investorinnen sind bei uns auch privat Mitglied“, sagt Schlie.
Co-Vorsitzende Stegmann: „Wir investieren nicht nur“
Bis ein Start-up zum Pitchen eingeladen wird, also zur Vorstellung seines Geschäftsmodells, durchläuft es einen rigorosen Screening-Prozess. „Dabei greifen wir auf unser Netzwerk zurück, da wir natürlich unterschiedliche Erfahrungen mitbringen und uns in verschiedenen Branchen auskennen“, so Stegmann. Wo man Potenzial, aber noch Defizite sieht, bietet encourageventures ein Mentoring aus dem großen Expertinnenpool für die Start-ups an. „Wir investieren nicht nur, wir stehen auch mit Rat und Tat zur Seite.“
Und welche Start-ups machen den beiden Vorsitzenden gerade besonders Freude? Stegmann nennt einige Beispiele aus dem KI-Bereich: ExoMatter aus München, die komplexe Material-Daten für die Forschung und Entwicklung aufbereiten oder ubiMaster, ein Nachhilfeanbieter per Chat oder Video, sowie DeepSkill GmbH mit KI-unterstützten Trainingsprogrammen für Beschäftigte.
Viele Start-ups in Mannheim und Heidelberg kommen aus der Medizin
In der Region finden sich einige erfolgreiche Invests, auffallend viele aus dem Medizin-Bereich: living brain GmbH aus Heidelberg verbindet Rehabilitation im Alltag mit virtuellen Therapien. eatappie, ebenfalls aus Heidelberg, hat eine App für Jugendliche mit Magersucht und Bulimie entwickelt. Panosome, ein Spin-Off vom DKFZ, ist ein Biotechnologie-Startup mit einer neuartigen Plattform zur Erzeugung von Antikörpern gegen kleine Moleküle, Peptide und Proteine für ein breites Spektrum an Forschungszwecken. Aktuell läuft eine Finanzierungsrunde für Xena Dx, ein Mannheimer Start-up, das Frauen mit Endometriose zu einer besseren Behandlung verhelfen will.
Viele Gründerinnen berichteten, erzählt Schlie, dass sie bei encourageventures das erste Mal das Gefühl hätten, sich auf Augenhöhe mit der Investment-Seite zu fühlen. Es sei unfassbar, welche Fragen gestandene Unternehmerinnen immer noch von männlichen Gremien gestellt bekämen, etwa wie sie das denn mit Kindern schaffen wollen … „Wir reden nicht nur über Diversität, wir setzen auch um, indem wir unsere vielfältigen Start-ups dabei unterstützen“, sagt Schlie.
Trumps Anti-Diversität-Politik sieht Schlie als Chance
Dass US-Präsident Donald Trump Druck auch auf deutsche Unternehmen ausübt, ihre Diversitätsziele zu kappen, habe keinen direkten Einfluss auf encourageventures als unabhängigen Verein. Schlie: „Wir sehen es sogar als Chance, weil sich möglicherweise auch mehr Start-ups aus den USA an uns wenden. Wir werden ja dadurch wesentlich attraktiver.“ Das könnte auch für Investoren und Investorinnen aus den USA gelten, die wieder mehr divers investieren wollten, ergänzt Stegmann.
Bereits jetzt komme ein beträchtlicher Teil des Risikokapitals in Deutschland aus den USA. Doch bisher habe das dazu geführt, dass das Wissen aus Deutschland abfloss und die Start-ups von amerikanischen Firmen gekauft wurden. Das will Schlie unbedingt ändern. „Wir müssen viel patriotischer werden. Deutsche investiert in Deutschland!“ Vermögende Menschen hätten auch eine Verantwortung, den Investitionsstandort Deutschland zu stärken. Dies sei keine Aufgabe der öffentlichen Hand, die nur die Rahmenbedingungen setzen und in den Anfangsphasen Forschungszulagen finanzieren könne. „Es ist auch unsere Aufgabe, Menschen zu uns zu bringen, die bisher nicht in Start-ups investiert haben.“
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