Start-up-Szene

Vier Gründerinnen aus Mannheim erzählen von ihren Erfahrungen

Nur 15 Prozent der Startup-Gründerinnen sind weiblich. Am Wochenende trafen sich 160 von ihnen im Mannheimer Technologiezentrum Mafinex, um sich auszutauschen. Warum es Frauen in der Szene oft noch immer schwer haben

Von 
Stefanie Ball
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Am Wochenende trafen sich 160 Gründerinnen im Mannheimer Technologiezentrum Mafinex, um sich auszutauschen. © Julius Prior

Mannheim. Bei den Yoruba, einer Volksgruppe, die vor allem in Nigeria lebt, haben die Frauen in finanziellen Fragen das sagen. So wie die Großmutter von Rukayyat Kolawole. Die handelte mit Gold, fuhr nach Ghana, kaufte dort Gold und verkaufte es dann wieder in Nigeria. So verdiente sie ihr Geld, machte Gewinne, und die Enkelin dachte: „Das will ich auch“. Rukayyat Kolawole ging nach England und wurde Investmentbankerin. Nach 16 Jahren zog sie nach Deutschland und stellte fest, dass es hier ganz anders ist als in ihrem Heimatland, viel Vermögen und dessen Verwaltung in Männerhand liegt. „Und das, obwohl Frauen weniger verdienen als Männer und später auch viel weniger Rente bekommen, gerade sie also vorsorgen müssten“, sagt Kolawole.

Rukayyat Kolawole gründete PaceUp Invest GmbH, eine Plattform, die den Vermögensaufbau demokratisieren und finanzielle Bildung vorantreiben will. © Stefanie Ball

Drei Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland gründete die inzwischen 40-Jährige in Mannheim ihr Startup, die PaceUp Invest GmbH, eine Plattform, die den Vermögensaufbau demokratisieren und finanzielle Bildung vorantreiben will. Bevor Kolawole ihr Unternehmen in trockenen Tüchern hatte, musste sie mehrere Hürden nehmen. Aus ihrer Zeit als Investmentbankerin war sie es gewohnt, sich in einem männlich dominierten Geschäftsfeld zu bewegen. Sie hatte extra Golf spielen gelernt, um „dazuzugehören“. In Deutschland scheiterte sie schon daran, die Lizenz, die sie als Finanzdienstleisterin benötigt, zu beantragen. Als Frau und ganz speziell als Schwarze Frau. „Ich musste eine Anwältin einschalten, erst dann habe ich die Erlaubnis erhalten.“ Frauen werde an vielen Stellen schlicht nicht zugetraut, ein Business zu führen. „Wenn sie dich sehen, sehen sie etwas anderes, eben keinen Mann.“

Das Unternehmen, bei dem Hüttl Mit-Gründerin ist, rightflow, hat eine Softwarelösung entwickelt, die die Schadenregulierung für Anwaltskanzleien automatisiert. © Stefanie Ball

Eine Erfahrung, die Anna Hüttl teilt. Wie Kolawole ist sie am Wochenende zur Female’s Favour{IT}e Conference 2024 ins Mannheimer Technologiezentrum Mafinex gekommen, um sich mit anderen Frauen, die sich mit technologischen Innovationen selbstständig gemacht haben, auszutauschen. Hüttl hat bei Next Mannheim hunderte Startups betreut, seit diesem Jahr ist sie selbst Teil eines solchen. Next Mannheim ist eine für Gründerinnen und Gründer zuständige Tochtergesellschaft der Stadt Mannheim. Das Unternehmen, bei dem Hüttl Mit-Gründerin ist, rightflow, hat eine Softwarelösung entwickelt, die die Schadenregulierung für Anwaltskanzleien automatisiert. Dass es weitaus weniger Gründerinnen als Gründer gibt, liege nicht an den Frauen. „Viele Frauen haben super Ideen“, weiß Hüttl. Das Problem sei struktureller Art. Frauen hätten weniger Role Models, Vorbilder, an denen sie sich orientieren könnten. Es seien auch die Frauen, die in Pitches, bei der Präsentation ihrer Geschäftsidee, gefragt würden: „Und was ist mit den Kindern? Wer kümmert sich um die?“ Daneben mangelt es Gründerinnen häufig an der Anschubfinanzierung. Dahinter steht ein „unconscious bias“, eine Voreingenommenheit. „Da sagen dann die männlichen Investoren, ,ach die süße Kleine, die hat große Träume‘. Ein Mann gilt als Visionär“, erzählt Hüttl.

Ira Stoll hat das Mannheimer Medizin-Startup myScribe gegründet. © Stefanie Ball

Dass ihr meist Männer in Gesprächen gegenübersitzen, daran hat sich Ira Stoll gewöhnt. „Ich habe noch keine weibliche Krankenhausleitung getroffen“, erklärt die studierte Ärztin. Zusammen mit ihrem Mann hat sie das Mannheimer Startup myScribe gegründet, eine App, die auf Knopfdruck einen Arztbrief generiert, der gestützt auf Künstlicher Intelligenz alle Patientendaten, die das Krankenhaussystem hergibt, zusammenführt. Aus ihrer Arbeit am Krankenhaus weiß die 30-Jährige, dass die Dokumentation viel Zeit frisst und umständlich ist. Das wollte sie ändern. Nun muss sie das System an den Mann bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes, weil es eben meistens Chefärzte und eigentlich immer Klinikleiter sind, denen sie myScribe präsentiert. Wenn es um Investoren geht, werde Frauen häufig unterstellt, sie handelten aus dem Gefühl heraus und wenig rational. „Das stimmt aber gar nicht, ehe eine Frau gründet, hat sie sich das zwanzigmal überlegt.“ Das zeige sich auch daran, dass Frauen-Startups nachhaltiger seien als männliche Startups.

Helena Mosts Start-Up Resourcly richtet sich an das produzierende Gewerbe. © Stefanie Ball

Helena Most hat lange in einem Bereich gearbeitet, wo sie als Frau allein auf weiter Flur war: im Maschinenanlagenbau. Und auch ihr Startup – das sie mit einem Geschäftspartner in Mannheim betreibt – richtet sich an das produzierende Gewerbe. Resourcly ist eine datenbasierte Plattform für die gemeinsame Nutzung von Lagerbeständen. Was ungenutzt im Inventar des einen Unternehmens liegt, kann für ein anderes Unternehmen von Wert sein. So soll eine Kreislaufwirtschaft entstehen, die Ressourcen spart und viel Geld fürs Lagern und Neuanschaffen. Die 33-Jährige hat den Sprung ins kalte Wasser aus einer sicheren Position bei einem Konzern gewagt, weil sie etwas bewegen wollte. „In großen Unternehmen hat man das nicht in der Hand“, sagt Most. Sie sieht es außerdem als ihre Aufgabe an, gerade Frauen in der Technikbranche Mut zu machen. „Frauen fehlt es oft an Zutrauen, überall sieht man erfolgreiche Gründer, aber meistens sind es Männer.“ Events wie die Konferenz jetzt in Mannheim sei eine Möglichkeit, sich zu vernetzen und zu sehen: Es klappt!

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