Wirtschaft - Sie wollen Gründerinnen zu mehr Erfolg und Sichtbarkeit verhelfen – mit ihrem Kapital:

Spitzenmanagerinnen gründen Investitionsnetzwerk für Frauen

Von 
Bettina Eschbacher
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Mehr als 60 Frauen haben sich bereits dem neuen Investorinnen-Netzwerk encourageventures angeschlossen. © encourageventures

Sie wollen Gründerinnen zu mehr Erfolg und Sichtbarkeit verhelfen - mit ihrem Kapital: An diesem Donnerstag gehen Spitzenmanagerinnen und Aufsichtsrätinnen mit dem Netzwerk encourageventures an die Öffentlichkeit. Initiatorin Ina Schlie und Mit-Investorin Anna Kaiser erklären, was sie damit erreichen wollen. 

Frau Schlie, der Name Ihres neuen Netzwerks encourageventures beinhaltet das Wort Courage – ist das das Signal an Gründerinnen: Fasst mehr Mut?

Ina Schlie: Unsere Vision ist es, mehr Vielfalt in die Gründerinnen- und Investorinnen-Landschaft zu bringen. Und da sehen wir uns als Vorbild, als Rollenmodell, das anderen Mut macht. Das Netzwerk bringt uns die Sichtbarkeit, die andere ermutigt, zu gründen oder zu investieren. Das wird immer unser Ziel sein.

Anna Kaiser: Studien zeigen, dass Frauen beim Gründen häufig zurückhaltender und weniger mutig sind. Wenn sie mehr Investorinnen auf ihrer Seite haben, wird sich das durch den Nachahmungseffekt auch ändern. Denkt groß! – das wollen wir den Frauen vermitteln.

Die Initiatorin, die Gründerin und das Netzwerk

  • Die Heidelbergerin Ina Schlie, 54, ist Initiatorin und Co-Vorsitzende von encourageventures.
  • Sie arbeitete mehr als 20 Jahre bei SAP, unter anderem als Leiterin der Konzernsteuerabteilung.
  • Heute ist sie Multiaufsichtsrätin (Heidelberger Druckmaschinen, Würth-Gruppe).
  • Anna Kaiser ist Gründerin und Geschäftsführerin von Tandemploy.
  • Das Berliner Tech-Start-up hat eine Software entwickelt, um Mitarbeitende besser zu vernetzen, etwa für neue Arbeitsmodelle oder Lernformate.
  • Ihre Erfahrung als Gründerin bringt Kaiser, 37, jetzt bei encourageventures mit ein.
  • Der Verein encourageventures soll Gründerinnen, Investorinnen und Mentorinnen zusammenbringen.
  • Geplant ist ein 100 bis 200 Millionen Euro schwerer Wachstumsfonds. Investiert wird in Start-ups mit mindestens einer Gründerin im Team.
  • Unter den mehr als 60 Investorinnen finden sich SAP-Managerin Alexa Gorman, Douglas-CEO Tina Müller und DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta.

Wie kam die Idee zu dem Netzwerk?

Schlie: Der Auslöser war im Oktober 2020 der gemeinsame Einstieg von fünf Investorinnen in Tandemploy, das Start-up von Anna Kaiser. Der Deal nur mit Frauen war nicht nur erfolgreich, sondern ist auf so viel Interesse gestoßen – das wollten wir zu einem Netzwerk ausbauen. So hat sich eine Hand voll Frauen per Videokonferenz zusammengefunden und das ganze Konzept innerhalb von sechs Monaten rein virtuell erarbeitet.

Und wie ist die Resonanz?

Schlie: Überwältigend – wir haben inzwischen schon mehr als 60 Investorinnen – und das vor dem offiziellen Start.

Kaiser: Aber auch der Zulauf von Start-ups ist groß. So viele haben mich schon angesprochen. Das ist eine lange Liste, die ich in den nächsten Wochen durcharbeiten muss. Wir haben auch schon zwei Pitch-Nights veranstaltet, also gezielt Start-ups eingeladen, damit diese sich den Investorinnen vorstellen können.

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Wie viele Start-ups haben Sie schon auf der Liste?

Schlie: Bisher sind es neun. Ein Teil der Start-ups bekommt eine Finanzierung, ein anderer Teil wird durch Mentoring unterstützt.

Ich muss es einfach fragen: Warum soll es ein rein weibliches Netzwerk sein?

Kaiser: Weil der Nachholbedarf so groß ist! Ich kann aus Erfahrung sprechen, wir haben bei Tandemploy immer nur vor männlichen Geldgebern unser Konzept vorgestellt. Die Zahlen belegen ja, dass es bundesweit viel weniger Gründerinnen als Gründer gibt. Und dass sie weniger Kapital bekommen als Männer. Das läuft meist unbewusst ab – Männer helfen lieber Männern. Unser Ziel ist, durch mehr Vielfalt auf der Kapitalseite dafür zu sorgen,dass Frauen nur nach ihrer Idee, ihrem Potenzial bewertet werden und nicht nach ihrem Geschlecht. Wir wollen endlich für eine Balance sorgen. Wenn wir das auf der Investorinnenseite angehen, wird es auch mehr Gründerinnen geben.

Gründen Frauen anders, so dass ihre Konzepte Männer nicht so ansprechen?

Schlie: Die Statistiken belegen das: Der Anteil der Frauen bei Start-ups liegt generell bei 15 Prozent, bei Social Start-ups sind es dagegen fast 50 Prozent. Social Start-ups wollen zwar auch Gewinne machen, jedoch gleichzeitig ein gesellschaftliches Problem angehen. Wir wollen aber zum Beispiel auch den weiblichen Anteil an Tech-Start-ups erhöhen.

Kaiser: Ich glaube, dass die Grenzen mehr und mehr verwischen. Es werden in Zukunft nur noch die Start-ups und Unternehmen Erfolg haben, die nachhaltiger und „sozialer“ sind. Und wir setzen uns dafür ein, dass diese Social Start-ups auch Gewinne erzielen dürfen. Wenn wir das schaffen, werden sie für andere Investoren immer spannender.

Es gibt viele Fonds und Investoren, die sich auf Start-ups spezialisiert haben. Warum ist das Interesse für encourageventures so groß?

Kaiser: Es ist leichter, in ein Netzwerk einzusteigen, als sich alleine als Investorin zu betätigen. Es gibt in Deutschland viele Frauen, die Mittel zur Verfügung haben, aber bisher nicht die richtige Runde gefunden haben oder noch gar nicht auf die Idee kamen zu investieren.

Sie wollen Start-ups ganzheitlich unterstützen. Was ist denn so besonders daran?

Schlie: Wir haben nicht nur Investorinnen, sondern auch Mentorinnen im Netzwerk. Wir wollen die Start-ups über alle Phasen beraten, ob sie erst nur mit einer Idee zu uns kommen oder Geld für eine Expansion brauchen. Auch das macht uns einmalig, dass wir Start-ups nachhaltig begleiten.

Was sind Ihre Kriterien für unterstützenswerte Start-ups?

Schlie: Wir wollen uns nicht auf spezielle Branchen spezialisieren. Unsere Investorinnen kommen ja aus unterschiedlichsten Bereichen und bringen daher entsprechend vielfältige Kompetenzen mit. Die Persönlichkeiten im Gründerteam müssen überzeugen, das Geschäftsmodell muss stimmen, und vor allem müssen wir eine Vision sehen.

Und wie ist es bei Ihrem Netzwerk – was sind dafür die Erfolgskriterien?

Kaiser: Wir möchten den Anteil von Frauen in der Start-up- und Investor:innenlandschaft steigern. Es geht darum, die Kräfte zu bündeln. Das Netzwerk multipliziert sich schon jetzt wie von selbst und wird immer mehr Frauen anziehen. Ich sage Ihnen, das wird mächtig!

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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