Start-ups

Wie wird man Business Angel, Christoph Räthke?

Christoph Räthke gehört zu den bekanntesten Köpfen der deutschen Start-up-Szene. Sein Know-how bringt er derzeit verstärkt in Mannheim ein - zum Beispiel mit Tipps für angehende Business Angel.

Von 
Tatjana Junker
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Im Mafinex, einem der Mannheimer Gründungszentren, fand kürzlich ein Workshop für potenzielle Business Angels statt. © Yannick Wegner/Next Mannheim

Mannheim. Herr Räthke, Sie arbeiten seit rund einem Viertel Jahrhundert mit Start-ups, auch als Business Angel. Für wen eignet sich das Investment in junge Unternehmen?

Christoph Räthke : Das wichtigste ist, dass man Lust hat, mit seinem Geld souverän umzugehen. Die meisten Menschen möchten es einfach jemandem geben, der dann dafür sorgt, dass es mehr wird. Dafür eignet sich das Investment in Start-ups nicht. Wenn jemand aber eine gewisse Summe zur freien Verfügung hat und als Akteur an der dynamischen Start-up-Wirtschaft teilhaben will, kann die Rolle als Business Angel interessant sein. Man muss natürlich wissen, dass das eingesetzte Kapital längere Zeit nicht liquide ist, die typische Laufzeit liegt bei acht bis zehn Jahren. Am Ende kann eine super Rendite stehen - man kann aber auch alles verlieren.

Wie viel Geld braucht man denn, um in ein Start-up investieren zu können?

Räthke : Es gibt Plattformen, bei denen das ab 500 Euro möglich ist. Da gewinnt man dann natürlich nicht viel. Aber man kann damit auf jeden Fall schon mal jede Menge lernen. Eine Möglichkeit dafür ist auch, sein Geld zu streuen und auf mehrere Start-ups zu verteilen.

Man liest immer wieder, dass 80 bis 90 Prozent aller Start-ups in den ersten drei Jahren scheitern. Das klingt erstmal nicht nach einer verlockenden Geldanlage.

Räthke : Diese Zahlen klingen dramatisch, man muss aber sehen, dass sie durch eine bestimmte Zählweise zustande kommen. Es gibt in Deutschland viele geförderte Inkubatoren, die angehende Gründer in einer sehr frühen Phase unterstützen. Die Eintrittsschwelle dafür ist sehr niedrig und man kann sich anmelden, auch wenn man noch keinen wahnsinnig ausgefeilten Plan hat. Wenn man das als Basis nimmt, hat man natürlich eine sehr hohe Quote an Gründern, die es nicht zum Erfolg schaffen. Wenn man hingegen nur Start-ups ab einem gewissen Professionalisierungsgrad anschaut, bei denen zB. zumindest schon mal eine GmbH gegründet wurde, schrumpft die Quote drastisch. Sie liegt dann vielleicht noch bei 50 bis 60 Prozent.

Das ist immer noch eine ganze Menge.

Räthke : Ja, aber als Investor kann ich zum Beispiel ja auch selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt ich bei einem Start-up einsteige: Das Risiko lässt sich minimieren, wenn man erst in einer späteren Phase investiert, also wenn das Start-up schon etwas etabliert ist. Dafür fällt dann im Zweifel die Rendite schmaler aus.

Christoph Räthke

Christoph Räthke ist Gründer, Business Angel und Start-up-Mentor . 1999 war er in seine erste Gründung involviert, später baute er Accelerator-Programme für Start-ups auf.

Seit 2019 ist Räthke Host des Podcasts „Angels of Deutschland

Aktuell ist Christoph Räthke für ein Jahr lang „Angel in Residence“ in Mannheim.

Wenn man sich als Investor für ein Start-up entscheiden will: Welche Rolle sollte da das Bauchgefühl spielen?

Räthke : Mit Blick auf das Gründer-Team ist das Bauchgefühl für mich zu 100 Prozent entscheidend. Wenn man sich da nicht vorstellen kann, abends zusammen ein Bier zu trinken, dann sollte man es lassen. Aber das Team ist natürlich nicht alles. Nur weil man zum Beispiel den Sohn des Nachbarn sympathisch findet, der gerade ein Start-up gegründet hat, muss das noch kein gutes Investment sein. Es kommt natürlich auch auf das Geschäftsmodell und die Branche an. Es gibt zum Beispiel Segmente, da sind schon sehr viele Start-ups gescheitert, davon sollte man eher die Finger lassen.

Zum Beispiel?

Räthke : Gefühlt jeder macht zum Beispiel im Moment irgendetwas mit einer Mental Health App, das ist schwierig. Oder so Konzepte wie „Kochen für Nachbarn“ oder lokale Stadtführungen - das ist schon 1000 Mal gescheitert.

Wie finde ich als Business Angel denn heraus, was vielversprechende Geschäftsmodelle sind?

Räthke : Indem ich mich selbst als Investor befähige. Dazu ist es vor allem hilfreich, mit anderen Business Angels zu reden, sich mit ihnen zu vernetzen und auszutauschen. Hier in der Region gibt es zum Beispiel das Netzwerk Palatina Business Angels Rhein-Neckar. Da kann man erstmal ein halbes Jahr hingehen und zuhören und sich mit dem Thema vertraut machen. Auch im Internet kann man recherchieren.

Welchen Fehler sollte man als Business Angel unbedingt vermeiden?

Räthke: Mann sollte nicht den Fehler machen, sich nicht gut genug zu informieren. Außerdem muss man sich klar machen, was alles schief gehen kann. Wenn man das als Investor häufig erlebt hat, wird man demütig. Das kann auch jemanden treffen wie mich, der sich sehr gut auskennt. Mein letztes Investment war zum Beispiel drei Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie, damit konnte ja niemand rechnen. Es können einfach immer Probleme auftauchen, die nicht vorhersehbar sind, auch im Gründerteam, zum Beispiel, wenn jemand dort krank wird. Als Business Angel muss man diese Unvorhersehbarkeit einpreisen.

Sie selbst sind seit Mai als „Angel in Residence“ in Mannheim aktiv. Wie kam es dazu?

Räthke : Ich war zum ersten Mal 2018 hier in der Region: Damals wurde der Chemovator ins Leben gerufen, der Business Inkubator der BASF. Da war ich im Prinzip von Anfang an beim Aufbau des Programms dabei und bin auch seither immer wieder hier. Im Laufe der Zeit kam so auch der Kontakt zu Next Mannheim zustande. Inzwischen habe ich einen persönlichen Bezug zu Mannheim und der Region aufgebaut, wenn ich hier bin, habe ich meine festen Orte, Anlaufstellen und Lieblingsrestaurants.

Wie sieht Ihre Rolle als „Angel in Residence“ konkret aus?

Räthke : Konkret ist es so, dass ich ein Jahr lang hier in Mannheim im Rahmen eines bestimmten Stundenbudgets verschiedene Dinge anbiete. Zum Beispiel gibt es ein regelmäßiges Online-Meetup, bei dem Start-up-Gründerinnen und -Gründer und Gründungsinteressierte ihre Idee mitbringen können. Ich gebe ihnen dann Feedback dazu. Außerdem gibt es ein regelmäßiges Defence Tech Meetup für Investoren und Start-ups mit Fokus auf Wehrtechnik. Ich arbeite außerdem mit dem Team von Next Mannheim, indem ich dort meine Erfahrung als Gründer und Business Angel einbringe und kann mein Netzwerk zur Verfügung stellen, das weit über die Region hinaus geht. Ein weiteres Ziel ist auch, die Business-Angel-Szene hier vor Ort zu stärken, gerade zum Beispiel mit einem Workshop für Menschen, die noch nie in ein Start-up investiert haben, sich aber dafür interessieren.

Derzeit als „Angel in Residence" in Mannheim: Start-up-Experte Christoph Räthke. © Sebastian Weindel/Next Mannheim

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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