Mannheim. Die Umschläge sind fast so gold-glänzend wie bei Oscar-Verleihungen und nicht minder verheißungsvoll: In einem der fünf Kuverts, die am Dienstagabend bei der Online-Vergabe der renommierten Nannen-Preise geöffnet werden, steckt ein Zettel mit dem Namen Stefan Proetel: Der Ressortleiter Lokales und Regionales des „MM“ hat mit seiner Artikelserie über Geschäfte und Machenschaften des CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel überzeugt und in der Kategorie „Lokales“ die begehrte Journalistenauszeichnung zuerkannt bekommen.
Die Jury bescheinigt Stefan Proetel, „sachlich, akribisch und überaus fair“ gearbeitet zu haben. Und sie würdigt, dass der Lokalchef auch dann noch recherchierend am Ball geblieben ist, als Anfeindungen von politischen Unterstützern und Briefe von Anwälten kamen. Christina Elmer ("Spiegel") und Sammy Khamis ( Bayerischer Rundfunk ) betonen vor Kameras, wie wichtig es ist, die großen Themen auch vor der Haustür wahrzunehmen und auszuleuchten. Aber dies sei gerade in einem lokalen Umfeld mit vielfältigen Lebensverknüpfungen bis ins Private hinein häufig heikel. Moderator Michel Abdollahi formuliert es so:„Lokaljournalisten brauchen besonderen Mut, weil sie sich besonders unbeliebt machen.“ Das kann Stefan Proetel nur bestätigen: Es sei schließlich etwas anderes, wenn Kollegen vor Ort recherchieren, aber dann wieder gehen oder ob Lokalreporter den Personen im Zentrum ihrer Berichterstattung immer wieder begegnen - beruflich wie privat.
Proetel berichtet von "Anwalts-Ping-Pong"
In dem kurzen Gespräch geht es auch um Druck, politischer wie juristischer Art, den es auszuhalten gilt. Proetel berichtet von einem „Anwalts-Ping-Pong“ . Bei seinen Löbel-Enthüllungen in Zusammenhang mit Miet-Machenschaften und Verquickung von Mandat, Partei und Geschäften hat er Monate vor der Maskenaffäre die Erfahrung gemacht: „Es ist ganz wichtig, einen guten Rechtsbeistand wie unseren Justiziar Johannes Fuchslocher zu haben.“ Beispielsweise sei Manuel Schülke mit seinem engagierten und mutigen "Neckarstadtblog" ohne eigenen Anwalt derart in die Defensive gedrängt worden, dass er sich irgendwann aus dem Löbel-Thema zurückziehen musste.
Und wie hat der 51-Jährige die im Hamburger Verlagshaus von Gruner + Jahr virtuell zelebrierte Verleihung der Nannen-Trophäen im heimischen Wohnzimmer erlebt? „Ich war wahnsinnig aufgeregt!“ Auf das Zulächeln von Ehefrau und Tochter muss er verzichten - denn die verfolgen den Livestream im Nachbarzimmer, damit es bei der gesonderten Zuschaltung direkt ins Studio keine akustische Rückkopplung gibt. „Man kennt ja die Sache mit dem Umschlagöffnen aus dem Fernsehen, aber wenn sie einem selbst betrifft, ist die Situation komplett anders.“ Ohnehin ahnt Proetel, dass er noch einige Tage brauchen wird, „bis ich den Preis und das ganze Drumherum so richtig begreife“.
Dass es bei solchen Events auch Pannen geben kann, ist allseits bekannt - beispielsweise sorgte bei der Oscar-Verleihung 2017 eine Verwechslung von Umschlägen für Verwirrung. Dass bei dem Nannen-Preis-Abend Stefan Proetel zwar als Gewinner ausgerufen wird, aber dessen Gesicht erst mal verschwindet und das eines Kollegen auf dem Bildschirm bleibt, nimmt er gelassen. Schließlich sind es die kleinen Überraschungen, die den Charme einer Live-Übertragung ausmachen.
"Viel Wertschätzung" für Lokaljournalismus
Viele „beeindruckend erstklassige Einreichungen“ bescheinigt die Spiegel-Jurorin Christina Elmer der Kategorie „Lokales“ und unterstreicht damit, dass es bei dem Wettbewerb um die Nannen-Trophäen alles andere als leicht ist, auf die Liste der Nominierten zu kommen und sich obendrein mit den meisten Bewertungspunkten an die Spitze zu setzen.
Die zum Wettbewerb eingereichten Texte
Wie berichtet hat sich der „MM“-Lokalchef gegen Beiträge von Sebastian Manz (Radio Bremen) und Reiko Pinkert (NDR) über den Vorwurf des Rechtsextremismus und Mobbing bei der Bremer Feuerwehr sowie von Sabine Schicketanz („Potsdamer Neueste Nachrichten“) über tödliche Nachlässigkeiten im Bergmann-Klinikum in Potsdam während der Corona-Pandemie durchgesetzt. „Wirklich tolle Geschichten“, kommentiert Stefan Proetel die Recherchen der beiden anderen Finalisten.
Video: Stern/Nannen-Preis
Nach der einstündigen Verleihung - erstmals quer durch mediale Formate - haben Journalisten, Juroren und Preisstifter Gelegenheit, sich über eine digitale Plattform auszutauschen. Bei der virtuellen Danach-Party in entspannter Atmosphäre spürt Stefan Proetel in Gesprächen „viel Wertschätzung“ für Lokaljournalismus. „Das gibt natürlich für die Arbeit neuen Ansporn.“ Nicht nur für ihn. Schließlich gehe einem Journalistenpreis auch eine Gemeinschaftsleistung voraus, betont Proetel: „Bei meinen Löbel-Recherchen war für mich ganz wichtig, immer wieder Unterstützung von der gesamten Redaktion zu erfahren.“
Anmerkung: Autorin Waltraud Kirsch-Mayer hat 1987 für die Aufdeckung des Mannheimer Grundstückskandals den Theodor-Wolff-Preis verliehen bekommen.
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