CDU Mannheim - Die Ergebnisse der Untersuchungen von Anwalt Ralph Landsittel und ihre Einordnung durch Andreas Pitz und Chris Rihm

Ein Gutachten, zwei Sichtweisen

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Stefan Proetel
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Die Kreisgeschäftsstelle der CDU in der Elisabethstraße. Hier vermietet der CDU-Kreisverband Mannheim als Hauptmieter an insgesamt drei Untermieter. © Thomas Tröster

Den Vorschlag machte der Vorsitzende Nikolas Löbel, das Ergebnis des externen Gutachtens durfte am Mittwoch der Pressesprecher des Kreisverbands verkünden: „Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für Rechtsverstöße. Alle Mietverträge und Untermietverträge und damit verbundenen Zahlungen sind rechtskonform“, schrieb Christian Hötting in einer Mitteilung. Und weiter: „Damit erweisen sich alle in der Öffentlichkeit erhobenen und uns bekannten Behauptungen als unwahr.“

Andreas Pitz, Professor der Rechtswissenschaft, und Chris Rihm sehen das anders. Beide hatten am Montag, 12. Oktober, die CDU-Kreisgeschäftsstelle besucht und sich von Kreisgeschäftsführerin Mareike Pilz und Kreisvorsitzendem Nikolas Löbel die Mietverträge sowie Buchungen zeigen lassen. Sie durften dabei weder fotografieren noch mitschreiben. Ihre Ausführungen beruhen demnach „auf Basis eines Gedächtnisprotokolls und nach bestem Wissen und Gewissen“. Nach der Einsichtnahme traten beide mit sofortiger Wirkung von ihren Ämtern im Kreisvorstand zurück. Stadtrat Rihm war dort stellvertretender Vorsitzender, Pitz war Beisitzer.

Mit der Untersuchung hatte der Kreisverband am vergangenen Freitag die Kanzlei Rowedder Zimmermann Hass beauftragt. Dort nahm sich Ralph Landsittel dem Gutachten an. Er ist auch Vorsitzender des Mannheimer Anwaltsvereins und spezialisiert auf Erb- und Steuerrecht. Und er saß von 2004 bis 2009 im Gemeinderat, für die CDU.

Ausgestattet wurde Landsittel mit dem Hauptmietvertrag des Kreisverbands in der Elisabethstraße, mit Untermietverträgen für den Bundestagsabgeordneten Löbel, für seine Firma Projektmanagement GmbH und für die Junge Union sowie mit zwei Mietverträgen für eine Garage und einen Carport. Zudem bekam er unter anderem einen Kontoauszug sowie Protokolle aus Kreisvorstandssitzungen.

Was sagt Gutachter Landsittel zum Hauptmietvertrag?

Die von der AS Vermögensverwaltung (Geschäftsführer: Andreas Schott) am 2. Mai 2016 angemietete Fläche ist laut Gutachten 187 Quadratmeter groß, wofür der Kreisverband 1750 Euro pro Monat bezahle. Das entspreche einem Quadratmeterpreis kalt von 9,33 Euro. Landsittel stellte fest, dass der Vertrag Sondervereinbarungen beinhalte, die eine parteiinterne Untervermietung möglich mache. Mit dem Vertragsabschluss sei ein Beschluss des Kreisvorstands vom 12. November 2015 umgesetzt worden.

Wie sieht es mit den Mietverträgen für die Garage und den Carport aus?

Dieser Vertrag ist Ralph Landsittel zufolge zunächst irrtümlich zwischen dem Vermieter und Nikolas Löbel geschlossen worden. Dieser Fehler sei rückwirkend korrigiert worden. Seit dem 29. Januar 2018 gebe es einen neuen Vertrag zwischen der AS Vermögensverwaltung und dem CDU-Kreisverband.

Was sagen Andreas Pitz und Chris Rihm zu Garage?

Herr Landsittel stelle als Gutachter fest, dass der Garagenmietvertrag zunächst mit Herrn Löbel persönlich abgeschlossen wurde. Auf Basis dieser Feststellung wäre Nikolas Löbel Schuldner des Mietzinses. Der Gutachter mache jedoch keine Angabe darüber, wer die Miete für die Zeit, in der der Mietvertrag auf Herrn Nikolas Löbel persönlich lief, gezahlt und zu welchem Zweck die Garage überlassen wurde, sagen Pitz und Rihm. Und: „Soweit der Gutachter ausführt, dass der Vertrag ,rückwirkend’ zum 29. Januar 2018 korrigiert wurde, bleibt festzuhalten, dass dies unseres Erachtens ein ungewöhnlicher Vorgang ist.“ Zudem mache Landsittel keine Aussage darüber, wann diese Korrektur erfolgte und ob gegebenenfalls auch Mietzinszahlungen erstattet worden seien.

Was ist laut Gutachter generell mit den Untermietverträgen?

Dass der CDU-Kreisverband Mieteinnahmen erzielt, entspricht laut Landsittel der Diskussion in der Kreisvorstandssitzung am 12. November 2015. Das gemietete Objekt sei aufgeteilt in abgetrennte Flächen. Es gebe laut Exposé vier Büros und einen Besprechungsraum. Hinzu kämen Allgemeinflächen (Empfang), zwei WC, Bad und Küche.

Was hat die Junge Union von der CDU Mannheim gemietet?

Die Junge Union zahlt Landsittel zufolge als Untermieterin des Kreisverbands für etwa 35 Quadratmeter Fläche am Empfang zuzüglich Allgemeinflächen 332,50 Euro kalt im Monat (Quadratmeterpreis: 9,50 Euro). Der Vertrag datiere vom 21./25. November 2016.

Was sagen Pitz und Rihm zu dem Vertrag mit der Jungen Union?

Die Angabe des Gutachters, dass die gemietete Fläche etwa 35 Quadratmeter zuzüglich Allgemeinflächen umfasst, „deckt sich nicht mit unserem Gedächtnisprotokoll, und wir können dies auf Basis der uns vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehen“.

Wie sind die Mietkonditionen laut Gutachten für den Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel?

Den Untermietvertrag mit dem Bundestagsabgeordneten Löbel unterzeichnete Mareike Pilz am 30. Oktober 2017. Als Kreisgeschäftsführerin sei sie laut Satzung der CDU Baden-Württemberg zu solchen Rechtsgeschäften, die der zugewiesene Aufgabenbereich gewöhnlich mitbringe, ermächtigt. Es handelt sich Ralph Landsittel zufolge also nicht um ein so genanntes In-sich-Geschäft. Dies liege vor, wenn ein Vertreter mit sich selbst als anderer Partei ein Geschäft abschließe. Die Kaltmiete für das 20-Quadratmeter-Büro („Büro 2“) und die Nutzungsrechte an den Allgemeinflächen betrage 190 Euro (Quadratmeterpreis: 9,50 Euro).

Was sagen Andreas Pitz und Chris Rihm zu dem Vertrag mit dem Bundestagsabgeordneten Löbel?

Bezüglich der Untervermietung durch Kreisgeschäftsführerin Mareike Pilz an Löbel in seiner Funktion als Bundestagsabgeordneter vertreten Pitz und Rihm eine andere Auffassung als Landsittel. „Unseres Erachtens ist es gerade kein gewöhnlicher Vorgang, wenn die Kreisgeschäftsführerin, die gegenüber dem Kreisvorsitzenden weisungsabhängig ist, mit diesem in anderer Funktion (hier: Bundestagsabgeordneter) einen Vertrag abschließt.“ Dies gelte umso mehr, weil die stellvertretenden Kreisvorsitzenden gemäß der Satzung der CDU Baden-Württemberg den Kreisvorsitzenden vertreten können. „Die Heranziehung der stellvertretenden Kreisvorsitzenden – die nicht weisungsabhängig sind – wäre unter Compliancegesichtspunkten unseres Erachtens zu erwarten gewesen“, argumentieren Pitz und Rihm.

Beide kritisieren auch Landsittels Argument, wonach sich die Berechtigung der Kreisgeschäftsführerin auch daraus ergeben würde, dass sie mit der Unterzeichnung des Untermietvertrags für den Abgeordneten Löbel lediglich Beschlüsse des Kreisvorstands vollzogen habe. „Dies würde jedoch nur dann gelten, wenn der Inhalt des abgeschlossenen Vertrags einem Beschluss des Kreisvorstands entsprechen würde.“

Tatsächlich hat der Kreisvorstand in seiner Sitzung am 12. November 2015 in der Gaststätte Maruba den Beschlussvorschlag Löbels zur neuen Kreisgeschäftsstelle in der Elisabethstraße angenommen. In dem dem „MM“ vorliegenden Protokoll der Sitzung heißt es unter „Basismodell neue Kreisgeschäftsstelle – Kostenkalkulation“ im Anhang, dass Abgeordnete für die Anmietung von Büros in der Geschäftsstelle 5000 Euro jährlich zu zahlen haben. Der Vertrag allerdings, den Kreisgeschäftsführerin Mareike Pilz mit dem Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel am 30. Oktober 2017 abgeschlossen hat, garantiert dem CDU-Kreisverband lediglich Mieteinnahmen von 2280 Euro jährlich.

Wie beurteilt Gutachter Landsittel den Untermietvertrag mit der Löbel Projektmanagement GmbH?

Beim Untermietvertrag des CDU-Kreisverbands vom 15. Mai 2019 mit der Löbel Projektmanagement GmbH („Büro 1“, 20 Quadratmeter) liegen laut Anwalt Landsittel die Kosten ebenfalls bei 190 Euro und 9,50 pro Quadratmeter. Da es hierbei um keine parteiinterne Vermietung gehe, sei eine Erlaubnis des Vermieters notwendig. Diese könne aber nachträglich erteilt werden. Löbel habe diese Zustimmung am 16. Oktober 2020 bekommen. Der Mietvertrag für Löbels GmbH hat Landsittel zufolge die Besonderheit, dass Miete und Betriebskosten jährlich zu zahlen seien. Dies sei zulässig, rechtlich nicht zu beanstanden, für die Allgemeinheit aber eventuell ungewöhnlich. Am 14. September 2020 seien durch eine Einmalzahlung von 4750 Euro die Kosten für insgesamt 25 Monate, also bis Mai 2021, abgedeckt worden. Ein Schaden ist dem CDU-Kreisverband aufgrund der heutigen Null- und Negativzinsphase durch die jährliche Zahlung laut Landsittel nicht entstanden. Trotzdem empfiehlt der Anwalt für die Zeit ab Mai 2021 eine Umstellung auf monatliche Bezahlweise.

Wie beurteilen Andreas Pitz und Chris Rihm die Untermietverträge mit der Löbel Projektmanagement GmbH?

Bei den Untermietverträgen an Löbels GmbH ist es Pitz und Rihm wichtig, festzustellen, dass das Gutachten die fehlende Zustimmung des Vermieters zum Zeitpunkt ihrer Einsichtnahme am 12. Oktober bestätige. Ralph Landsittel habe im Gutachten zwar die „Besonderheit“ einer jährlichen Mietzinszahlung erwähnt, die für die Allgemeinheit „eventuell ungewöhnlich“ sei. Eine Begründung für diesen „eventuell ungewöhnlichen“ Vorgang nenne der Gutachter aber nicht. Warum der Gutachter dann an dieser Stelle nicht darauf eingehe, ob die Kreisgeschäftsführerin bei einem solchen ungewöhnlichen Vorgang überhaupt berechtigt ist, einen solchen Vertrag abzuschließen, erschließe sich nicht. „Denn der Gutachter selbst geht davon aus, dass die Kreisgeschäftsführerin nur gewöhnliche Rechtsgeschäfte abschließen darf.“

Kritik üben die beiden CDU-Mitglieder an Landsittels Aussage, angesichts „der heutigen Null- bzw. Negativzinsen“ sei der CDU Mannheim kein Schaden entstanden. Dies würde nur dann gelten, wenn die Mietzahlung der Projektmanagement GmbH nicht vor dem 14. September 2020 fällig gewesen wäre. Im Hinblick auf die Mietzahlung für 2019 sei es nicht ganz fernliegend, dass diese schon vor dem 14. September 2020 hätte gezahlt werden müssen. Dann würden gemäß Paragraf 288, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches Zinsen in Höhe von 8,12 Prozent zugunsten des Gläubigers der fälligen Mietzinsforderung, hier des CDU-Kreisverbands, anfallen, sagen Pitz und Rihm.

Der Gutachter unterstellt den beiden ehemaligen Vorstandsmitglieder der CDU Mannheim zufolge, dass der am 14. September 2020 gezahlte Betrag von insgesamt 4750 Euro für 25 Monate gewesen sei. „Dies würde nur zutreffen, wenn die Löbel Projektmanagement GmbH lediglich die Kaltmiete überweisen würde. Wenn die Kaltmiete und die Betriebskostenvorauszahlung gemeinsam überwiesen würde, was im Mietrecht der Regelfall ist, würde sich die Zahlung (4750 Euro geteilt durch 250 Euro Betriebskosten) wohl auf die Zeit vom 1. Juni 2019 bis 31. Dezember 2020 beziehen.“ Zu einer erfolgten Abrechnung der Betriebskosten für 2019 mache das Gutachten keine Aussage.

Nikolas Löbel hat am Mittwoch ein für denselben Tag vereinbartes Interview mit dem „MM“ abgesagt.

Ehemalige Mitarbeit Ressortleiter Lokales/Regionales und Mitglied der Chefredaktion

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