Mannheim. Das große Trampolin ist der geheime Star der Familie Hofherr. Es thront im Garten des Reihenhauses in Mannheim-Käfertal und ist ein fester Ankerpunkt: Für die Kinder Jan (fast 11) und Lena (8), aber auch für Vater Sebastian (40). Mit seinen Sprösslingen nimmt sich der Verkehrsplaner im straff von Home-Schooling und Home-Office geprägten Alltag immer wieder Auszeiten, um sich auszutoben. „Wir hatten ein kleineres, das diesen Anforderungen aber nicht standgehalten hat“, plädierte Mutter Esther (40) für Ersatz. „Das jetzt ist stark genug und mit einer sehr hohen Umrandung“, fühlt sie sich beruhigt. Denn wenn Jan so richtig loslegt, erreicht er locker mit den Schultern den oberen Rand der Einzäunung.
„Neulich sind die Kinder fünf Stunden gesprungen“, freut sie sich über die sportliche Beschäftigung in Zeiten, in denen der Vereinssport brach liegt. Doch nicht nur das Trampolin steht durch Corona im Mittelpunkt. Auf der Suche nach Bewegungsalternativen zum Joggen, Radfahren und Wandern hat sich die Familie Inliner angeschafft und rollt bevorzugt durch in der Feudenheimer Au oder im Bürgerpark. Außerdem haben die Hofherrs ihre Liebe zum Badminton entdeckt.
„Wir wollten im Herbst sogar in einen Verein eintreten, aber daraus wurde ja nichts“, spielen sie eben im Garten oder bei Ausflügen auf dem Fahrrad. Das gehört schon immer zur Grundausstattung der autolosen Familie. Vater Sebastian pendelt mit Mischung aus Füßen, Rad und öffentlichen Verkehrsmittel zu seinem Arbeitsplatz, einem privaten Büro für Verkehrsplanung in Darmstadt.
„Ich bin sogar schon mal mit dem Rad gefahren, aber das dauert ziemlich lange.“ Mutter Esther benutzt zur Fahrt zum Wasserturm, wo sie halbtags als Assistentin in einem Ingenieurbüro arbeitet, „das Rad, oder – wenn es im Sattel zu ungemütlich ist – , einen normalen, keinen E-Roller“, betont sie. Den Kindern ist die Nutzung von Füßen und Rad zum Ludwig-Frank-Gymnasium, zur Albrecht-Dürer-Grundschule oder anderen Freizeitaktivitäten also in die Wiege gelegt. „Wir sind täglich zwischen fünf und fünfzehn Kilometern unterwegs“, schätzt Mutter Esther.
Für Jan und Lena ist Mannheim Geburtsheimat, Esther verschlug es aus dem kleinen pfälzischen Dorf Bissersheim in die Quadratestadt, Sebastian aus Stuttgart. „Durch Corona haben wir viele neue Ecken entdeckt“, schwärmen sie von einem immer leeren Sportplatz, auf dem sich herrlich der selbst kreierte „Flugzeugfußball“ spielen lässt. Oder von einem Sandstrand auf der Friesenheimer Insel, „auf dem man sich wie auf Mallorca fühlt.“ Die Kinder lieben den Ort, „weil man da mit Schwemmholz und Sperrmüll toll bauen kann.“
Leichtathletik geht auch online
Ein Ausflug entlang des Rheins führte die Vier kürzlich in eine Wildnis, so dass sie ihre Räder tragen mussten. „Das war lustig“, erinnert sich Jan, der als Pfadfinder fungierte. Beim Baustellen-Spotting sucht Jogger Sebastian Ausgleich, wenn während seiner wöchentlich drei Home-Office-Tagen (zwei übernimmt seine Frau) die eigene Bewegung doch einmal zu kurz kommt. „Ich liebe es, den Fortgang von Baustellen zu beobachten“, dreht er regelmäßig seine Runden am Buga- und am gesamten Konversions-Gelände.
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„Im ersten Lockdown war es schlimmer, denn da war so vieles im Freien abgesperrt, sogar unser familienintern getaufter Flugi-Platz. Und am Neckarufer war es zu voll“, vergleicht Esther das erste Halbjahr 2020 mit der dritten Corona-Welle. Während sie vor einem Jahr noch dagegen war, dass die Kinder über die Schule hinaus auch nachmittags digital unterwegs waren, schätzt sie jetzt die Vorteile. So liebt Lena die Online-Kinderleichtathletik der DJK Käfertal. „Brigitte Teschke und ihre Leute haben tolle Ideen“, räumt die Mutter gerne das Wohnzimmer aus, um die Tochter beim Hoch- und Weitsprung aus dem Stand zu unterstützen. Und als eine Aufgabe lautete, möglichst schnell Dinge aus dem Haushalt anzuschleppen, „sind plötzlich auch Jan und ich treppauf und treppab gerannt. Das war spaßig.“ Gespannt sieht die Familie zudem der Entwicklung ihres Gartenprojektes entgegen: Sechs Sorten Gemüse haben sie angepflanzt, dazu Blumen für die Bienen ausgesät.
Auch wenn Langeweile bei den Hofherrs ein Fremdwort ist, freuen sich alle auf das normale Leben. Esther sehnt sich nach ihrem Mädels-Stammtisch und wieder engem Kontakt zu Freunden; Sebastian wünscht sich, Ausflüge mal wieder in einem Café ausklingen lassen zu können. Fünftklässler Jan möchte die zum Ende der Grundschule und zum Gymnasiumstart versäumten Klassenfahrten unbedingt nachholen, Lena endlich wieder schwimmen. Vor Corona hatte sie es zwar gelernt, sich den Sprung von Ein-Meter-Brett aber noch nicht zugetraut: „Ich weiß genau, dass ich es jetzt kann.“
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