Stockholm/Kattowitz. Eine Wahl bleibt nicht. Wenn die deutsche Handball-Nationalmannschaft jedes Jahr im Januar zu einem Turnier reist, muss sie das Hotel nehmen, das ihr vom Veranstalter zugewiesen wird. Sprich: Anders als bei den Fußballern, bei denen gerne schon mal Jahre im Voraus ein luxuriöses Quartier ausgesucht oder sogar wie bei der WM 2014 in Brasilien extra gebaut wird, geht es bei den Handballern eher pragmatisch zu.
Jede Nation auf einer Etage
Als die deutsche Mannschaft bei der Weltmeisterschaft vor zweieinhalb Wochen ihr Vor- und Hauptrundenquartier im polnischen Kattowitz bezieht, laufen ihr in ihrer Unterkunft auch ihre Gegner aus Katar, Serbien, Algerien, Argentinien, Holland und Norwegen über den Weg. So ist es dann auch in dieser Woche in Danzig – und am Wochenende in Stockholm. Jeder Nation wird eine eigene Etage zugewiesen. Es gibt gleiche Voraussetzungen für alle, von einigen Details einmal abgesehen.
„Man kann sich ein paar Privilegien erarbeiten, ohne die sportliche Fairness zu verlassen“, sagt Axel Kromer und meint damit ganz praktische Dinge wie zum Beispiel die Größe des Besprechungsraums. Der Sportvorstand des Deutschen Handballbundes (DHB) hätte seine Mannschaft in Kattowitz auch gerne wieder in einer der unteren Etagen untergebracht: „Wenn 200 Menschen gleichzeitig essen gehen und drei Aufzüge zur Verfügung stehen, dann laufen wir lieber in den zweiten Stock, als auf den Fahrstuhl in die achte Etage zu warten.“ Die Deutschen landen allerdings auf der elften Etage – und absolvieren dort auf dem Flur auch schon mal ein Aufwärmprogramm, während Bundestrainer Alfred Gislason auf seinem Zimmer Videos zum nächsten Gegner studiert.
Tischtennis und Dartscheibe
Ansonsten geht es Kromer vor allem um den „Wohlfühlfaktor“. So macht es sich die deutsche Mannschaft auf ihrem Flur immer ein „wenig gemütlich“, wie es der Sportvorstand nennt. Sofas werden schon mal aus den Zimmern geholt und eine Sitzecke aufgebaut, eine kleine Tischtennisplatte ist immer dabei und auch eine Dartscheibe. „Wir wollen die Möglichkeit bieten, dass die Jungs außerhalb von Training und Videostudium Dinge machen können, die ihnen als Team guttun“, sagt der 46-Jährige. Es geht um den Zusammenhalt, das Wir-Gefühl.
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Deswegen ist die Videospielkonsole eher nicht angesagt, die Freizeitbeschäftigung fällt klassisch aus. „Die Spieler sind zu den normalen Gesellschafts- und Kartenspielen zurückgekehrt“, berichtet Kromer, für den die Lage des Hotels ebenfalls eine Bedeutung hat. Das Stadtzentrum ist ihm lieber als eine entlegene Unterkunft in der Prärie – wie zum Beispiel 2018 im kroatischen Varazdin. „Es ist für die Spieler schon wichtig, dass sie mal rausgehen und einen halbwegs normalen Alltag leben, also mal in ein Café gehen können“, sagt der Sportvorstand. Die Mannschaft kaserniert sich nicht hinter hohen Mauern ein, sondern geht auch mal vor die Tür.
Eigener Koch als Besonderheit
Neben den Norwegern sind die Deutschen übrigens die einzige Nation, die bei Turnieren ihren eigenen Koch dabei hat. Nils Walbrecht steht für die DHB-Stars in der Hotelküche am Herd und achtet darauf, „dass die Regeneration über meine Mahlzeiten so gut wie möglich stattfindet“. Auch Kromer betont, dass es „um das richtige Essen zum richtigen Zeitpunkt“ gehe und sieht grundsätzlich noch Professionalisierungsmöglichkeiten. „Hier und da hat der Handball Nachholbedarf. Es wird sicher der nächste Schritt sein, dass sich die Mannschaften ihr Hotel selbst aussuchen.“
Bei der Europameisterschaft im nächsten Jahr in Deutschland macht das der DHB sogar. Der Verband plant für sein Team mit Quartieren, in dem keine anderen Nationen untergebracht sind. Es ist das Privileg des Gastgebers, wenngleich Kromer auch hier Bodenständigkeit anmahnt: „Das Hotel muss so sein, dass unsere Mannschaft eine optimale Leistung bringen kann. Aber wir brauchen ganz bestimmt kein Schloss. Es ist ganz wichtig, dass wir da das Maß einhalten.“
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