Die Protestaktionen aus der Waldhof-Kurve rund um das Heimspiel gegen den MSV Duisburg (0:0) vor anderthalb Wochen demonstrierten es deutlich: Das Tischtuch zwischen Geschäftsführer Markus Kompp (41) und den organisierten SVW-Fans ist zerschnitten. Doch wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass der Chef der Spielbetriebs-GmbH bei den Anhängern des Mannheimer Fußball-Drittligisten und im Umfeld des Vereins zu einer hoch umstrittenen Reizfigur geworden ist, der vom Fandachverband „Pro Waldhof“ offen zum Rücktritt aufgefordert wird? Der Versuch einer Rekonstruktion. Die Akte Kompp.
Der Beginn
Im August 2016 wird bekannt, dass der damalige SVW-Präsident Klaus-Rüdiger Geschwill Kompp zum neuen starken Mann am Alsenweg machen will. Zunächst als Geschäftsstellenleiter, nach der kurz darauf folgenden Ausgliederung der ersten Mannschaft als Geschäftsführer der Spielbetriebs-GmbH. „Er hat in jeder vorangegangenen Station seine fachliche Kompetenz unter Beweis gestellt und verfügt über einen fachlichen und sportlichen Hintergrund. Er verkörpert außerdem ein sehr hohes Maß an Kontinuität und Seriosität“, sagt Geschwill.
Kompp folgt auf den Netzwerker Stephan Pfitzenmeier, der nach der Entscheidung des damaligen Präsidiums, dass der erfolgreiche Wirtschaftsboss Bernd Beetz (Coty) und nicht die Mittelstandsvereinigung „Mannheimer Runde“ als Investor in der Spielbetriebs-GmbH einsteigen soll, beim SVW aufhört. Kompp blickt auf Stationen bei der SpVgg Bayreuth und BSC Schwarz-Weiß Rehden (Regionalliga Nord) sowie ein kurzes Gastspiel als Vorstandschef bei Hansa Rostock zurück. „Man muss offen, ehrlich und proaktiv kommunizieren. Das Beste ist, wenn man auf alle zugeht, dann sind die Türen auch offen“, erklärt der gebürtige Schwabe in seinem ersten Interview mit dieser Redaktion.
Der Ausbruch von Gerd Dais
Das dramatische Scheitern im Elfmeterschießen der Relegation gegen den SV Meppen im Frühsommer 2017 hängt Gerd Dais noch in den Gliedern, als es kurz vor dem Abflug in den Türkei-Urlaub aus dem Waldhof-Trainer herausbricht. Der Vorwurf des Ex-Profis in Richtung Kompp: Dieser verschleppe Vertragsgespräche, mehrere von Dais – damals in Personalunion Trainer und Sportchef – an Land gezogene Verstärkungen seien deshalb nicht verpflichtet worden.
„Ich will nicht sagen, dass wir vor einem Scherbenhaufen stehen. Aber wenn Herr Kompp richtig agiert hätte, dann hätten wir jetzt sicherlich schon zwei oder drei Neuzugänge, die uns gut zu Gesicht stehen würden“, zürnt Dais. Und weiter: „Ich habe immer den Eindruck, Herr Kompp denkt, er sei auch der Sportliche Leiter. Er gibt zu jedem Spieler seinen Kommentar ab, statt einfach das umzusetzen, was er eigentlich machen soll. Das ist kontraproduktiv.“ Die Probleme seien laut Dais dem „Aufsichtsrat bekannt“. Dieser werde das „sicher im Sinne des Vereins lösen“. Kompp entgegnet: „Wir diskutieren sachlich miteinander und es ist auch normal, dass man nicht immer einer Meinung ist.“
Dais wird für seine öffentliche Kritik an Kompp intern zum Rapport bestellt – und in der Folgesaison nach einer sportlichen Krise und einer 0:3-Niederlage in der Regionalliga Südwest bei den Stuttgarter Kickers im Oktober 2017 beurlaubt. Das Waldhof-Präsidium reagiert auf das Kompetenzgerangel, indem ein Sportlicher Leiter neben dem Trainer installiert wird, der aber in der Hierarchie vorerst weiterhin unter dem einzigen Geschäftsführer Kompp steht. Die Wahl fällt kurz vor Weihnachten 2017 auf den früheren Bundesliga-Profi Jochen Kientz.
Das Uerdingen-Desaster
Nach dem für den Verein katastrophalen Spielabbruch im Relegationsheimspiel gegen den KFC Uerdingen im Mai 2018, als aus der Waldhof-Kurve ungehemmt Pyrotechnik abgeschossen wird, entzieht Kompp der organisierten Fanszene einen Großteil ihrer Privilegien, zum Beispiel die Selbstverwaltung der Otto-Siffling-Tribüne. Das ist der Auslöser des Konflikts zwischen Kompp und der Fanszene, die den Geschäftsführer in den Folgejahren immer wieder mit Aktionen kritisiert und teilweise auch beleidigt.
Die Fans beklagen nicht eingehaltene Absprachen, eine arrogante Kommunikation und eine wachsende Entfremdung innerhalb des SVW, seitdem Kompp das Sagen hat. Die Anhänger seien als Stimmungsmacher im Stadion gerne gesehen, echte Mitbestimmung sei aber nicht erwünscht, heißt es vom Fandachverband „Pro Waldhof“ (PW), als die Verlängerung eines Kooperationsvertrags mit der GmbH im Sommer 2022 nicht zustande kommt. Pro-Waldhof-Vorstandsmitglied Dennis Sandhöfer erklärt vor kurzem, ein Großteil der Fanclubs fordere Kompps Entlassung – „und das bereits seit Jahren“.
Corona und die Kurzarbeit
Im März 2020 stellt der Ausbruch der Corona-Pandemie die Welt auf den Kopf – auch die des Fußballs. In der strittigen Frage, ob die Saison in der 3. Liga fortgesetzt werden soll, positioniert sich der Geschäftsführer des Aufsteigers klar als Abbruchbefürworter. „Die Gesundheit geht vor finanziellen Interessen“, erklärt Kompp. Da der SVW zu diesem Zeitpunkt auf Aufstiegsplatz zwei steht, sehen Drittliga-Konkurrenten diese Argumentation von eigenen Interessen getrieben. Als der Vater von Profi Marcel Hofrath nach einer Covid-Infektion stirbt, legt der Geschäftsführer nach. „Ich habe mir heute bei einer wiederholt schlaflosen Nacht erneut lange Gedanken gemacht“, sagt Kompp. Würde die Saison mit Geisterspielen fortgesetzt, werde er dies „noch auf meinem eigenen Sterbebett zutiefst bereuen“.
Sportlich viel schwerwiegender wirkt jedoch die Entscheidung Kompps, das Trainerteam und die Mannschaft aus wirtschaftlichen Gründen auf „Kurzarbeit null“ zu setzen, selbst aber zu normalen Bezügen weiterzuarbeiten. Der Trainingsbetrieb muss daraufhin komplett eingestellt werden, Trainer Bernhard Trares ist darüber alles andere als amüsiert. „Wenn jeder nur noch daheim rumsitzt, ist die Fitness natürlich dahin, die wir uns hart erarbeitet haben. Es ist einfach wahnsinnig schwierig. Wenn es dann weitergehen soll, hast du eine Truppe, die nichts mehr drauf hat“, kritisiert der Aufstiegscoach. Als die Saison dann im Frühsommer 2020 doch fortgesetzt wird, stürzt der SV Waldhof von Platz zwei auf Rang neun ab – und Trares hört nach der Saison freiwillig in Mannheim auf.
Die Kientz-Affäre
Es ist ein bisschen wie bei einem Vulkanausbruch: Erst rumort es nur ein bisschen zwischen Geschäftsführer Kompp und Sportchef Jochen Kientz, dann treten immer mehr Geschichten über das angespannte Verhältnis an die Oberfläche – bis es im Herbst 2021 zur Eruption kommt, deren Auswirkungen noch lange später zu spüren sind. Erst werden Enthüllungen dieser Redaktion über das zerrüttete Verhältnis an der Spitze der Spielbetriebs-GmbH vom SVW noch dementiert. „Wir diskutieren immer wieder offen über Themen, aber wir sind alle erwachsen genug, um mit Diskussionen umzugehen. Ich lasse es nicht zu, dass von außen ein Problem daraus gemacht wird“, beschwert sich Kompp. Kurz danach, am 27. Oktober 2021, wird Kientz nach knapp vier Jahren erfolgreicher Arbeit, die mit dem Aufstieg 2019 gekrönt wurde, beurlaubt.
Aber die Affäre hat da gerade erst begonnen. Präsident Bernd Beetz erhebt im Youtube-Kanal des SVW Anfang November 2021 schwere Vorwürfe gegen Kientz. „Es gab einen Vorfall, ein Corona-Test wurde verschwiegen. Mitarbeiter wurden angewiesen, die Geschäftsleitung nicht zu informieren“, behauptet der Mäzen. Kientz streitet das vehement ab und wittert eine Rufmord-Kampagne, die nach seinen Angaben von Kompp initiiert worden sei. Als sich beide Parteien ein halbes Jahr später vor dem Arbeitsgericht wiedertreffen, wird der geschasste Sportchef rehabilitiert. Im Rahmen eines Vergleichs zieht der SVW den Corona-Vorwurf zurück. Kompp ist bei dem Termin nicht anwesend – und übersteht die Affäre ohne Konsequenzen. Kientz-Nachfolger wird Chefscout Tim Schork, obwohl erfahrenere Bewerbungen eingegangen sind. Eine Entscheidung, die auch auf Kompps Votum zurückgehen soll.
Das Betriebsklima
Vor dem Mannheimer Arbeitsarbeitsgericht ist die SV Waldhof Mannheim Spielbetriebs-GmbH eine Art Stammgast. Inklusive des Falls Kientz strengen ehemalige SVW-Beschäftigte in Kompps Amtszeit insgesamt neun Kündigungsschutzverfahren an. Frühere Pressesprecher, Greenkeeper oder hochrangige Geschäftsstellenmitarbeiter klagen gegen die Umstände der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Regelmäßig muss die GmbH dabei Vergleichen zustimmen, bei denen der Arbeitgeber höhere Summen nachzahlen muss als zunächst angeboten. Das Betriebsklima in der Geschäftsstelle scheint generell verbesserungsfähig zu sein. Auf Kununu, einem Bewertungsportal für Arbeitgeber, bekommt der SVW nur 1,8 von 5 Punkten, wenn es um Mitarbeiterzufriedenheit geht.
Die Machtstrukturen
Es ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang im Profifußball. Statt in einer Pressemitteilung verkündet der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Beetz im Mai 2022 in einem Interview, dass der Vertrag mit Geschäftsführer Kompp bereits vor geraumer Zeit um weitere drei Jahre verlängert worden ist. Warum diese Personalie nicht offiziell kommuniziert wird, darüber kann man nur spekulieren. Es liegt aber nahe, dass die SVW-Führung der Kritik an Kompp aus der Fanszene kein neues Futter geben will und seinen Vertrag lieber im stillen Kämmerlein verlängert.

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Die internen Machtstrukturen haben sich über die Jahre eingespielt: Präsidentensohn Christian Beetz gilt als mächtiger Fürsprecher Kompps und soll auch privat mit ihm befreundet sein. Präsident Bernd Beetz hat sich bei Kritik bisher immer vor Kompp gestellt, der von der Familie Beetz und ihrem Lager dominierte Aufsichtsrat der GmbH jede Vertragsverlängerung des Geschäftsführers durchgewunken. Da macht es offenbar auch nichts aus, dass die Verbindlichkeiten der Spielbetriebs-GmbH laut dem Bundesanzeiger aus dem Juli 2023 unter Kompp auf rund neun Millionen Euro angestiegen sind.
Auch Kompps Präsenz in Mannheim, seitdem er in die Nähe von Stuttgart gezogen ist, wird im Umfeld und in der Fanszene zunehmend kritisch gesehen. In anderen Medien ist schon vom „Homeoffice-Geschäftsführer“ die Rede.
Das leidige Sponsoring-Problem
Zu einem Hauptaufgabengebiet des Geschäftsführers gehört die Sponsorensuche und -pflege – ein fast schon traditionell schwieriges Gebiet beim SVW. In den 2010er Jahren bleibt die Trikotbrust häufiger sogar komplett leer oder es werden windige Partner wie das Unternehmen Parkplan an Land gezogen, das erst nicht zahlt und dann noch während der Saison 2013/2014 Insolvenz anmelden muss. „Wir müssen erst einmal Vertrauen in der Wirtschaft aufbauen“, sagt Kompp bei seinem Amtsantritt – und stellt Besserung in Aussicht, wenn die Ausgliederung vollzogen ist. „Als Kapitalgesellschaft auf einen Trikotsponsor zuzugehen, würde leichter fallen als in der jetzigen Situation“, erklärt er.
Diese Hoffnungen erfüllen sich nicht. In den acht Spielzeiten, in denen Kompp die Verantwortung am Alsenweg trägt, unterstützen sieben verschiedene Hauptsponsoren den Traditionsverein. Dreimal geht der Waldhof Deals mit Wettanbietern ein, die in der Szene aufgrund der Problematik Spielsucht umstritten sind. Als Hauptsponsor verlängert nur der Mannheimer Lebensmittelkonzern Suntat in den Jahren 2020 bis 2022 seinen Vertrag, ansonsten herrscht ständige Fluktuation. Teilweise bleibt die Trikotbrust beim Saisonstart blank, bis nach einigen Monaten Verzögerung ein neuer Partner gefunden wird.
Immer wieder sickert auch die Unzufriedenheit der Sponsoren durch, die sich von Kompp unprofessionell und wenig wertschätzend betreut fühlen. Suntat steigt nach Irritationen schließlich komplett beim SVW aus, das Mannheimer Logistikunternehmen SI Trading (Hauptsponsor in der Saison 2022/2023) muss sich die Trikots mit dem eigenen Schriftzug im Waldhof-Fanshop selbst kaufen, statt sie – wie es in anderen Profivereinen Usus ist –, zugeschickt zu bekommen. Ärger gibt es auch wegen eines Sondertrikots in Camouflage-Farben, das SI Trading in Zeiten des gerade ausgebrochenen Ukraine-Kriegs für unangemessen hält. Beim Elversberg-Spiel im März 2023 fehlt deshalb der Schriftzug des Hauptsponsors. Bei der Erklärung, warum dem so ist, verwickelt sich Kompp in Widersprüche.
Eine Art Parkplan 2.0 gibt es auch. Der Rückensponsor Tiberius, ein in der Immobilienbranche weithin unbekanntes Unternehmen aus Leimen, zahlt in der Saison 2021/2022 nach Informationen dieser Redaktion nicht die dem SVW zugesagten 120 000 Euro. Der Geschäftsführer will sich inhaltlich nicht zu den Vorgängen äußern, ein Tiberius-Geschäftsführer legt sofort wieder auf, als man die Hintergründe der Angelegenheit in Erfahrung bringen will. „Bitte rufen Sie mich nie wieder an wegen dieser Sache“, sagt er.
Auch die jüngste Episode zeigt, dass im Sponsorenbereich unter Kompp keine stringente Strategie vorhanden ist. Nach nur einem halben Jahr wird die bei Vertragsunterzeichnung in der Pressemitteilung gefeierte Zusammenarbeit mit der Sportrechteagentur „All About Sports“, die als Vollvermarkter neue Sponsoren suchen und bestehende Geldgeber betreuen soll, wieder beendet. Vier Wochen vor Weihnachten steht der SV Waldhof weiter ohne Rücken- und Ärmelsponsor da. Was fast noch schwerer wiegt: Wie es im brachliegenden Sponsorenbereich weitergehen soll, ist völlig unklar.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Waldhof-Krise: Warum der Absturz bisher nicht zu Konsequenzen geführt hat