Mannheim. Sebastian Hinze hält sich selbst für einen disziplinierten Menschen. „Vor allem, wenn es um meine Arbeit geht“, sagt der Trainer der Rhein-Neckar Löwen – nicht ohne zu verhehlen, dass er im Privatleben auch mal schwach werden kann. „Haribo und Schokolade gibt es bei uns zu Hause nicht. Und wenn doch, ist beides schnell weg“, scherzt der 43-Jährige, der dem Mannheimer Handball-Bundesligisten neues Leben eingehaucht hat. Durch harte Arbeit, richtige Entscheidungen – und natürlich Disziplin.
Trainer entspannt im Ohrensessel
Erst wenn die Arbeit auch wirklich erledigt ist, schaltet Hinze in den Entspannungsmodus. „Ich kann nicht irgendetwas anderes machen, wenn ich im Hinterkopf habe, dass da noch zwei Spiele analysiert werden müssen. Das spukt mir im Kopf herum“, sagt der Trainer, der fast immer ein Notizbuch bei sich hat. Man weiß ja nie, wann einem plötzlich eine Idee kommt.
„Es kann hin und wieder sein, dass wir bei Freunden zum Grillen sitzen und ich kurz geistig abwesend bin, weil mir gerade etwas eingefallen ist“, verrät der Trainer.
Wer nun allerdings denkt, Hinze könne gar nicht abschalten, der irrt. Es gibt beim Löwen-Coach auch die Momente der totalen Ruhe. Und in denen sitzt er gerne in seinem Ohrensessel und hört eine Schallplatte. Seine Frau Patrycja nennt diese Augenblicke des Genießens ein wenig schmunzelnd den „Rentner-Style“, wie Hinze verrät. Er mag den Ton einer Schallplatte, dieses „Knistern“ sei „geil“.
Hinzes erstes Finale als Trainer
Geknistert hat es am vergangenen Wochenende auch beim Handball-Bundesligisten aus Mannheim. Ein wenig überraschend gewannen die Nordbadener beim Final Four in Köln den DHB-Pokal. Dem deutlichen 38:31-Halbfinalerfolg über die SG Flensburg-Handewitt folgte 24 Stunden später der dramatische 36:34-Finalsieg nach Siebenmeterwerfen über den SC Magdeburg. Es war Hinzes erstes Finale überhaupt als Trainer – und gleich heimste der 43-Jährige die Trophäe ein, womit seine bislang noch https://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-nach-epischem-finale-rhein-neckar-loewen-sind-die-koenige-von-koeln-_arid,2073705.htmlkurze Karriere bei den Löwen schnell einen ersten Höhepunkt erreichte.
Sebastian ist nicht weit weg von der Mannschaft, hat aber eine gute Distanz
Erst im Sommer 2022 hatte der gebürtige Wuppertaler seinen Job bei den Badenern angetreten, nachdem er zuvor zehn Jahre den Bergischen HC sehr erfolgreich in der Bundesliga etabliert hatte. Immer wieder gab es Anfragen für ihn von anderen Clubs, doch erst als die Mannheimer anfragten, reifte der Entschluss, etwas Neues zu machen. „Weil die Löwen ein Verein im Umbruch sind und ich ein Trainer bin, der gerne entwickelt. Ich habe schnell gespürt, dass ich hier helfen kann“, sagt Hinze, als er vor etwa zehn Monaten seinen Dienst antritt.
Vorangegangen waren beim zweifachen deutschen Meister triste Jahre des Niedergangs, des stetigen personellen Wechsels und der fehlenden Strategie. Wenn man so will, übernahm Hinze einen am Boden liegenden Club, der vielleicht nicht seine Würde, sehr wohl aber seinen Glanz und auch ein wenig seinen Stolz verloren hatte.
Doch vom ersten Tag an weckte der Trainer die Löwen auf. Mit seiner Art. Mit seiner Spielidee. Und mit seiner Führung, die bei den Spielern sehr gut ankommt, wie Torwart Joel Birlehm verrät: „Sebastian ist nicht weit weg von der Mannschaft, hat aber eine gute Distanz.“ Hinze selbst glaubt nicht, dass er als Trainer ein Kumpeltyp sei: „Ich denke aber, dass man mit mir ganz gut auskommen kann.“ Es sieht ganz danach aus. Sonst wäre der Pokalerfolg unmöglich gewesen.
„Ein Club braucht eine Identität“
Der 43-Jährige ist der Überzeugung, dass jeder Handball-Club „eine Vision und das Wissen“ braucht, „mit welchen Spielern die angestrebten Ziele erreicht werden können. Die entscheidenden Fragen lauten: Wo wollen wir hin? Wie wollen wir spielen? Was passt in die Region? Welcher Trainer ist der richtige Mann, um diese Philosophie umzusetzen?“
Ihm geht es um einen Wiedererkennungswert, um eine Identität. Jeder soll wissen, wofür Hinze und die Löwen stehen. Wobei sich der Trainer selbst nicht zu wichtig nimmt. Mit Lob könne er nicht so gut umgehen, gibt der 43-Jährige zu. Entsprechend sei ihm auch „nicht wichtig, ob Sebastian Hinze für andere die Symbolfigur des Aufschwungs ist. Weil es nicht um mich geht, sondern um das Bestmögliche für die Löwen. Das lebe ich vor und das sage ich immer wieder meinen Mitarbeitern und meinen Spielern. Wenn all das dann erfolgreich ist, freut mich das.“
Hochgeschwindigkeits-Handball der Löwen
Erfolgreich ist diese Herangehensweise zweifelsohne. Und das nicht nur wegen des Pokalsiegs. Auch in der Liga wird seit dem ersten Spieltag deutlich, wofür die Mannheimer stehen. Mit einem extremen Hochgeschwindigkeits-Handball rauschen die Badener in den ersten Monaten im Express-Tempo durch ihre Begegnungen, ehe sie ausgerechnet in den Wochen vor dem Final Four um den DHB-Pokal in eine Krise rutschen. Vier Niederlagen in Folge. Und das nicht gegen die Schwergewichte der Liga, sondern gegen Hamburg, Lemgo, Leipzig und Gummersbach.
Die Negativerlebnisse wirken auf die Mannschaft, räumt Hinze vor der Pokalendrunde ein. Doch er sieht keinen Grund für Veränderungen, weil alle Löwen nach wie vor von der Spielidee überzeugt sind. Und so hätten sei einfach „genauso weitergearbeitet“, sagt der Trainer. Im Vertrauen darauf, „dass alles, was man sich über Monate erarbeitet hatte, nicht auf einmal weg sein kann“.
Was jedoch fehlt, ist dieser eine Schlüsselmoment. Die Löwen suchen das eine Erlebnis, das aus einer Mannschaft, die weiß, dass sie gut spielen kann, eine macht, die weiß, dass sie gut spielen wird. Dieser Augenblick folgt im Pokal-Halbfinale gegen Flensburg. Von Beginn an sind die Löwen gut im Spiel – und damit auch im Turnier.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Der Pokalsieg als Bestätigung für den Löwen-Weg