An einem Abend, an dem der Abschied größer als das Spiel an sich war, kamen noch einmal Erinnerungen auf. An all die Tricksereien und die Zauberdinge, die Andy Schmid da in seinen zwölf Jahren vollbrachte, die er in bislang 399 Einsätzen in der Handball-Bundesliga für die Rhein-Neckar Löwen zeigte - und die man von ihm im Trikot des zweifachen deutschen Meisters nun nur noch ein einziges Mal sehen wird. Am Sonntag in der Partie beim SC Magdeburg wird der Schweizer ein letztes Mal für „seinen“ Verein auf dem Feld stehen, von den Fans in der Mannheimer SAP Arena verabschiedete er sich bereits extrem emotional am Mittwoch nach der 26:33 (15:14)-Niederlage gegen den THW Kiel. Mit Wehmut. Mit Dankbarkeit. Und Gänsehaut-Momenten.
Schon 20 Sekunden vor dem Abpfiff stellten die Spieler beider Mannschaften ihren Dienst ein, ließen den Ball liegen und applaudierten für Schmid, der mit den Tränen kämpfte, während das Publikum seinen Namen skandierte. „Unglaublich, dass die Jungs da für mich stehenbleiben“, sagte Schmid, den 11 453 Zuschauer feierten. Weil er die Massen als Mensch beeindruckte und als Spieler begeisterte. Der nach wie vor ein Vorbild und ein Anführer ist. Der selbst mit 38 Jahren noch zu den Besten gehört und ohne den die größten, nein sogar schlichtweg alle Erfolge und Titel dieses Clubs unmöglich gewesen wären.
Dem Anlass und den Verdiensten entsprechend fiel die Verabschiedung dann auch epochal aus. Sie war eine Hommage an eine Ikone, ganz einfach eine große Geste für einen großen Spieler, dessen Name seit diesem einschneidenden Mittwochabend auf einem Banner unter dem Dach der SAP Arena hängt. Sein Trikot mit der Nummer zwei werden die Löwen nie mehr vergeben. Aus Respekt. Und Dankbarkeit. Es ist die größtmögliche Ehrerbietung im Sport. Schmid bleibt in Erinnerung. Für immer und ewig.
Drei Schmid-Tore in 122 Sekunden
„Es gibt wenige Handballer auf der Welt, die eine Mannschaft so erfolgreich geprägt haben wie Andy“, sagte Trainer Ljubomir Vranjes, der den Verein nach einem halben Jahr verlässt und zur neuen Saison beim französischen Erstligisten USAM Nimes anfängt. Er kennt Schmid vor allem aus seiner Flensburger Zeit als Gegner und weiß genau, wie schwer es der Mittelmann stets allen machte: „Andy hat eine außergewöhnliche individuelle Qualität. Sein Handball-Hirn ist etwas ganz Besonderes.“ Von dem viele profitierten.
Löwen - Kiel
- Löwen: Appelgren, Birlehm (ab 42. Minute), Katsigiannis – Helander (5), Kohlbacher (5), Groetzki (5) – Schmid (4/1), Lagergren (3), Kirkeløkke (2) – Gislason, Abutovic, Patrail, Knorr (1), Zacharias, Horzen (1), Michalski.
- Kiel: N. Landin, Quenstedt – Ehrig, Duvnjak (3), Reinkind (5), M. Landin (3/1), Myrhol, Weinhold, Wiencek (6), Ekberg (6/1), Ciudad Benitez, Dahmke (1), Zarabec (2), Horak (2), Bilyk (5).
- Schiedsrichter: Kuttler/Merz.
- Zuschauer: 11 453.
- Strafminuten: Abutovic (4), Gislason (2), Patrail (2) – M. Landin (2), Horak (2).
- Beste Spieler: Appelgren, Lagergren – Wiencek, N. Landin, Bilyk.
Zum Beispiel Bjarte Myrhol, der fünf Jahre zusammen mit Schmid bei den Löwen spielte, im vergangenen Sommer eigentlich seine Karriere beendet hatte und nun aber ein kurzfristiges Comeback beim THW Kiel feierte. „Andy hat die ganze Bundesliga beeinflusst. Und das gelingt nicht vielen. Er ist einer der besten Spieler aller Zeiten“, sagte der Norweger und legte sich fest: „Wäre er Franzose - und ich will damit nichts Schlechtes gegen die Schweiz sagen - wäre Andy mindestens einmal Welt-Handballer geworden.“ Die Schweizer sind allerdings eine kleine Handball-Nation. Dafür aber eine mit einem ganz großen Spieler, nach dem sich viele Nationen sehnen. Auch die Deutschen. Die vermeintlich größte Handball-Nation der Welt.
Was für ein Unterschiedsspieler er sein kann, ließ Schmid auch gegen Kiel aufblitzen. Er begann die Begegnung mit einem feinen Pass auf Kreisläufer Jannik Kohlbacher, danach drängten allerdings zunächst zwei andere in den Vordergrund. Torwart Mikael Appelgren (neun Paraden in der ersten Halbzeit) überragte. Und dann war da noch Albin Lagergren, der in der Anfangsphase drei Treffer erzielte und um den der dänische Erstligist GOG Gudme erneut wirbt. Ein Abschied aus Mannheim zum Vertragsende 2023 ist weiterhin eine realistische Option.
Nach ausgeglichener Anfangsphase folgten die überragenden 122 Sekunden des Andy Schmid. In etwas mehr als einer Minute erzielte der Schweizer drei Treffer und gewann auch einmal den Ball in der Abwehr. „Das sieht man ganz selten von ihm“, witzelte der einstige Löwen-Erfolgscoach Nikolaj Jacobsen angesichts der weniger ausgeprägten Defensivqualitäten des Offensivstrategen, der einmal mit einem Wurf aus der eigenen Spielhälfte das leere Tor der Norddeutschen verfehlte. Auch ein Meister ist fehlbar.
Mit einer 15:14-Führung starteten die Löwen in den zweiten Durchgang, in dem THW-Keeper Niklas Landin das Appelgren-Niveau der ersten Halbzeit erreichte. Und so wechselte nach 39 Minuten erstmals die Führung. Kiel legte ein 19:18 vor, bei den Löwen scheiterte Kohlbacher erneut an Landin und der THW erhöhte auf 20:18 (40.). Im Angriff fiel den Badenern nun nicht mehr viel gegen den starken Kieler Keeper ein. Oder anders ausgedrückt: Landin entschied das Spiel, das bei den Löwen mit dem Schlusspfiff in Vergessenheit geriet.
Denn dann gehörte das Rampenlicht nur noch Schmid, der seine Karriere in der Heimat beim HC Kriens-Luzern fortsetzen wird und dem bei seinem Abschied spürbar das Herz schmerzte. Dennoch verließ er die ihm bereitete Bühne mit einem Lächeln. Denn der bodenständige Schweizer weiß tief in seinem Innersten. Viel besser hätte es in den vergangenen zwölf Jahren kaum laufen können.
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