Rhein-Neckar Löwen - Andy Schmid verlässt die Rhein-Neckar Löwen

Löwe Andy Schmid: Aus Liebe zum Spiel

Nach zwölf Jahren verlässt Andy Schmid die Rhein-Neckar Löwen und bestreitet am Mittwoch (19.05 Uhr) gegen den THW Kiel sein letztes Heimspiel für den Handball-Bundesligisten. Der Weltklasse-Mittelmann hat den Verein entscheidend geprägt. Nun geht er als Legende. Eine Würdigung.

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Marc Stevermüer
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Andy Schmid gönnt sich nach dem Gewinn der Meisterschaft 2017 erst einmal einen Schluck Bier. © AS Sportfoto/ Binder

Mannheim. Drinnen in der Halle im ostwestfälischen Lübbecke steigt die rauschende Party. Die Fans der Rhein-Neckar Löwen feiern auf den Rängen und die Spieler des Handball-Bundesligisten genießen das Bad in der Menge. Nur einer nicht, obwohl der Club an diesem magischen 5. Juni 2016 doch Geschichte schreibt und nach vielen Enttäuschungen, Rückschlägen und Schmerzen zum ersten Mal deutscher Meister wird. Andy Schmid fehlt. Ausgerechnet Andy Schmid, möchte man sagen. Denn ohne ihn, den genialen Kopf auf der Spielmacherposition, hätten die Löwen diesen Titel niemals geholt. Wahrscheinlich hätten sie ohne ihn sogar keinen einzigen Titel gewonnen, weil Schmid ganz einfach der Unterschiedsspieler ist, der diese Mannschaft auf ein höheres Niveau hievt.

All diese Superlative sind allerdings nur wenig wert, wenn die wichtigste aller Krönungen ausbleibt. Die deutsche Meisterschaft, der Schmid spätestens seit dem dramatisch und knapp verspielten Titel 2014 nicht nur hinterherläuft, sondern von ihr besessen ist. Bis zu jener Erlösung vor sechs Jahren, als die Löwen tatsächlich am Ende der Bundesligasaison ganz oben stehen.

Für den Schweizer bleibt dieses Erlebnis zweifelsohne ein besonderes, ein unvergessliches, wenngleich er in jenem historischen Moment mehr Erleichterung als Freude verspürt. So wie nach einer erfüllten Mission, die einem körperlich und mental alles abverlangt, ja sogar an die Grenzen bringt. Der Handball-Zauberer ist in diesem Augenblick einfach nur leer, entzieht sich dem lauten Getümmel, verlässt klammheimlich die Halle in Lübbecke und genießt auf einem Sonntag die Abgeschiedenheit, Einsamkeit und Stille einer Baustelle vor der Arena. Ganz einfach, um kurz innezuhalten.

Ich habe geweint. Von mir ist solch ein Druck abgefallen.
Andy Schmid über den Gewinn der ersten Meisterschaft

Schlichtweg außergewöhnlich

„Ich habe geweint. Vielleicht zehn Minuten lang. Von mir ist solch ein Druck abgefallen“, erinnert sich Schmid an extrem emotionale Minuten, die der Weltklasse-Spielmacher an jenem sonnigen Nachmittag mit seiner Frau teilt. Er ruft Therese an – und auch ihr kommen am anderen Ende der Telefonleitung die Tränen. Weil sie sich freut. Weil sie all die Jahre mit ihrem Mann gelitten hatte. Weil sie weiß, wie viel er für diesen historischen Erfolg geopfert und gekämpft hat. Weil sie ganz einfach hautnah miterlebte, wie groß über die Jahre die Last geworden war und nun die Befreiung ist.

Um zu verstehen, wie nicht nur der Spieler, sondern auch der Mensch Andy Schmid tickt, hilft das Wissen um diesen intensiven und innigen Moment nach dem Triumph. Denn seine damalige Reaktion zeigt, wie sehr er sich nach diesem Titel für seinen geliebten Verein, für seine geschätzten Kollegen und für sich gesehnt hatte. Wie sehr er auch den Fans diesen Erfolg nach all dem Vize-Frust der vorangegangen Jahre schenken wollte – und welch große Verantwortung er aufgrund seiner spielentscheidenden Position als Mittelmann auf sich lud, um diesen Traum für einen ganzen Club, für die gesamte Region zu erfüllen. Dem großen Meister-Ziel ordnete Schmid schlichtweg alles unter.

Andy Schmid

  • Andy Schmid wurde am 30. August 1983 in Horgen/Schweiz geboren.
  • Der Weltklasse-Mittelmann spielt bereits seit 2010 für die Rhein-Neckar Löwen in der
    Handball-Bundesliga und wechselt in diesem Sommer zum HC Kriens-Luzern.
  • In den Jahren 2014 bis 2018 wurde Schmid von den Trainern und Managern der Bundesliga zum besten Spieler der Saison gewählt.
  • 2017 wurde der 38-Jährige außerdem Deutschlands Handballer des Jahres.
  • Der Schweizer hat mit den Löwen zweimal die Meisterschaft (2016, 2017), je einmal den EHF-Pokal (2013) und den DHB-Pokal (2018) sowie dreimal den Supercup (2016, 2017, 2018) gewonnen.

Entsprechend liefert der Rechtshänder über Jahre zuverlässig außergewöhnliche Leistungen ab, wenn er außergewöhnliche Leistungen abliefern muss. „Wenn es eng wurde, trug Andy die ganze Mannschaft auf seinem Rücken“, adelt Meistertrainer Nikolaj Jacobsen seinen Schlüsselspieler auf dem Weg zu den ganz großen Erfolgen. Denn 2017 verteidigen die Löwen ihren Titel und 2018 kommt noch der Pokalsieg dazu. Mit einem überragenden Schmid im Finale, was nicht ganz zufällig so ist.

Mann für große Momente

Denn in den entscheidenden Momenten der großen Löwen-Jahre tut der Regisseur stets entscheidende und vor allem richtige Dinge. Er bleibt stabil, wenn die Mannschaft instabil wirkt. Er gibt Halt, wenn andere Orientierung suchen. Er spielt gut, wenn andere schlecht spielen. Kurzum: Er ist immer da, wenn man ihn braucht. So wie der von ihm bewunderte und vor etwas mehr als zwei Jahren bei einem Helikopter-Absturz viel zu früh gestorbene Basketballer Kobe Bryant. Der US-amerikanische Superstar hatte zu seinem Karriereende den Kurzfilm „Dear Basketball“ verfasst und darin seine niemals versiegende Liebe zu seinem Sport Ausdruck verliehen. Bryant gewann als erster Profisportler sogar einen Oscar.

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Schmid könnte solch ein Drehbuch auch über den Handball schreiben, den er seit Kindheitstagen mit Hingabe betreibt, der ihm so viel gegeben und mit dem er selbst die Massen von den Sitzen gerissen hat. Weil sein spektakulärer Spielstil etwas von einem Schönheitsideal hat. Und weil die Fans Spieler lieben, die mit großen Überraschungen große Momente schaffen. Schmid kann das. Selbst mit 38 Jahren noch.

Wenn er also am Mittwoch (19.05 Uhr) gegen den THW Kiel sein letztes Heimspiel in der SAP Arena bestreitet und am Sonntag in Magdeburg in seinem dann 400. Bundesligaspiel zum letzten Mal nach zwölf Jahren das Trikot der Löwen trägt, verliert nicht nur der Club den wichtigsten Spieler seiner Geschichte, sondern die ganze Bundesliga eines ihrer größten Aushängeschilder. Fünfmal wurde Schmid zum besten Handballer der Saison gewählt, weil der Rechtshänder ganz einfach Dinge beherrscht, die andere weder können noch lernen werden. Weil man sie nicht lernen kann. Eine Gabe bekommt man schließlich geschenkt – und wird entsprechend gewürdigt. Sogar von gegnerischen Trainern.

Andy Schmid ist der Franz Beckenbauer des Handballs.
Ola Lindgren 2017 Trainer von Löwen-Gegner IFK Kristianstad

Ola Lindgren, vor einigen Jahren Coach des schwedischen Erstligisten IFK Kristianstad, bezeichnete Schmid nach einem Champions-League-Spiel als „Franz Beckenbauer des Handballs“. Er lobte die Eleganz des Löwen und dessen Fähigkeit, mit Leichtigkeit immer eine Lösung für ein Problem zu finden. „Es macht Spaß, ihn spielen zu sehen. Da müsste man eigentlich applaudieren.“

Immerhin: Ganz Schluss macht Schmid noch nicht. In Zukunft werden die Fans ihn allerdings auf einer kleineren Bühne beim HC Kriens-Luzern sehen. In seiner Heimat möchte der bodenständige Schweizer mit seiner Frau Therese sowie den beiden Söhnen Lio und Levi Wurzeln schlagen. Es geht um die Rückkehr in ein normales Leben, das er lange Zeit nicht hatte.

„Meine Kinder sollen die Chance haben, in der Nähe der Großeltern zu sein“, sagt der Familienmensch, der seine Erfolgsgeschichte mit den Löwen übrigens fast nicht geschrieben hätte. Nach seinem Wechsel 2010 zu den Badenern macht der Rechtshänder eine schwierige Phase durch, spielt wenig und nach einem halben Jahr überlässt ihm der damalige Trainer Gudmundur Gudmundsson die Entscheidung, ob er den Verein verlassen will. Schmid bleibt, beißt sich durch – und geht nun nicht nur die Hintertür, sondern als Legende.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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