Mannheim. David, sagt Ihnen der Begriff TBV Deutschland etwas?
David Späth: TBV Deutschland? Nein!
Das muss es auch nicht. Der Begriff stammt aus einer Zeit, in der Sie noch ein Kleinkind waren. Anfang des Jahrtausends spielte ein Großteil der deutschen Nationalmannschaft beim TBV Lemgo.
Späth: Die Geschichte habe ich schon einmal gehört. Nur nicht in Verbindung mit dem Begriff TBV Deutschland.
Und wenn man bei den Löwen jetzt vom Kroaten Ivan Martinovic absieht, könnte die vermeintliche Stammformation auch für Deutschland spielen. Sind die Löwen also das Gerüst der Nationalmannschaft?
Späth: Das würde ich jetzt nicht behaupten, es gibt in anderen Vereinen auch gute Spieler. Aber außer Frage steht, dass wir mit Tim Nothdurft und Sebastian Heymann tolle Zugänge bekommen haben. Ivan wird uns ebenfalls sehr helfen – auch wenn er für Kroatien spielt (lacht).
David Späth
- David Späth wurde am 29. April 2002 in Kaiserslautern geboren.
- 2018 wechselte der Handball-Torwart in die Jugendakademie der Rhein-Neckar Löwen. Zuvor spielte er für den TuS Danseberg, den TV Ramstein und die TSG Kaiserslautern.
- 2020 folgte das Debüt in der Bundesliga.
- Mit den Löwen gewann der Schlussmann 2023 den DHB-Pokal.
- 2021 wurde der 1,97-Meter-Hüne mit der deutschen U-19-Auswahl Europameister und zum besten Torwart des Turniers gekürt.
- 2023 folgte WM-Gold mit der U 21, wieder wurde Späth zum besten Torwart des Turniers gewählt.
- Im November 2023 debütierte der Pfälzer in der A-Nationalmannschaft und gewann mit dem Team 2024 Olympia-Silber.
- Späths Cousine Stefanie Giesinger ist ein bekanntes Model.
Oder als Rückraum-Linkshänder kommt Ihr Nationalmannschaftskollege Renars Uscins zu den Löwen. Sie haben doch einen guten Draht zu ihm.
Späth (lacht): Ich fürchte, das würde nicht ganz einfach werden. Seit seinen Leistungen bei Olympia dürften alle Vereine in Europa auf ihn aufmerksam geworden sein. Aber mal unabhängig davon: Renars ist in Hannover gut aufgehoben.
Die Nationalmannschaft hat mit Ihnen Olympia-Silber gewonnen. Der Beginn einer neuen Ära?
Späth: Das hoffe ich doch. Wir befinden uns immer noch im Umbruch. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir etwas Großes aufbauen können. Das haben die zurückliegenden beiden Turniere gezeigt, wir haben uns gegenüber Platz vier bei der Europameisterschaft zu Jahresbeginn gesteigert. Bei der EM im Januar war der Unterschied zu den Topnationen zu sehen, diesmal haben wir die meisten geschlagen. Das gibt uns Mut. Wir haben allen gezeigt, dass man mit uns rechnen muss.
Ihr Ex-Mitspieler Andy Schmid hat die These aufgestellt, dass die deutsche Mannschaft durch die Aussicht, im Abstand von drei, vier Jahren immer ein Heim-Turnier auszurichten, zusätzlich gepusht wird. Hat er recht?
Späth: Ein Heim-Turnier ist etwas ganz Besonderes, das stimmt. Aber vor 30 000 Zuschauern bei den Olympischen Spielen in Frankreich gegen Frankreich zu gewinnen und die ganze Arena gegen sich zu haben. Ganz ehrlich: Das fand ich auch ganz cool (lacht).
Sie haben in diesem Augenblick gemeinsam mit Ihren Teamkollegen die gigantische Karriere von Nikola Karabatic beendet.
Späth: Das war uns in diesem Moment natürlich egal. Nikola ist das Vorbild von jedem Spieler meiner Generation. Und wahrscheinlich auch von der Generation über mir. Für ihn dürfte dieser Augenblick hart gewesen sein, aber ich bin davon überzeugt, dass er diese Niederlage schon verdaut hat. Nikola hat in seiner Karriere alles gewonnen. Und zwar mehrfach. Bestimmt hat er uns jetzt auch mal was gegönnt (lacht).
Wo haben Sie Ihre Silbermedaille?
Späth: Ich bin gerade umgezogen und sie ist noch verpackt. Einige meiner Mitspieler haben gesagt, sie wollen die Medaille verstecken. Ich würde sie gerne aufhängen. Die Medaille sieht nicht nur cool aus, sondern ist auch eine tolle Erinnerung. Ich habe aber noch keinen Platz im Kopf. Ich tendiere dazu, sie zu meinen Eltern zu bringen.
Zu Ihren Eltern?
Späth: Die haben genug Platz (lacht). Nein, ernsthaft: Ich möchte einen besonderen Ort für die Medaille finden. Und dieser besondere Ort wäre bei meinen Eltern. Dort fing alles an, ihnen habe ich sehr viel zu verdanken. Ohne sie wäre mein bisheriger Weg nicht möglich gewesen.
Und wann folgt eine Goldmedaille, die Sie mit nach Hause bringen? Und zwar eine, die Sie mit den Löwen gewinnen.
Späth: Hoffentlich bald. Ich habe hier einen Vertrag bis 2027 unterschrieben, weil ich die Ambitionen und das Ziel habe, mit den Löwen Titel zu gewinnen.
Also wann?
Späth: Im Handball geht alles sehr schnell. 2023 waren wir Pokalsieger. Das hatte niemand erwartet.
Zuletzt standen die Löwen aber wieder im Tabellenmittelfeld.
Späth: Ich habe mich bewusst für eine Vertragsverlängerung bis 2027 entschieden. Denn ich glaube daran, dass wir in dieser Zeit etwas gewinnen werden, dass genau das passieren wird. Für mich wäre es das Größte, den Verein wieder dorthin zu führen, wo er einmal stand.
Auf Platz eins.
Späth: Für viele klingt das jetzt unrealistisch. Aber wenn man nicht dieses Ziel hat, wozu spielt man dann Handball? Ich will ganz oben stehen. Ich will um Titel spielen. Und ich will das mit den Löwen. Ich will die Löwen nach oben bringen und diesen Club prägen. Deswegen werde ich immer alles für diesen Verein geben. Ich bin als 16-Jähriger zu den Löwen gekommen und bin sehr dankbar dafür, dass man mir hier vertraut und mir die Chance gegeben hat, in der Bundesliga zu spielen.
Sie klingen wie vor 15 oder 20 Jahren der junge Uwe Gensheimer.
Späth (lacht): Wenn es bei mir genauso ausgeht wie bei ihm, wäre ich sehr glücklich.
Sie rücken auch außerhalb des Feldes immer mehr in diese Gensheimer-Rolle und werden zu einem Gesicht des Vereins. Was macht das mit Ihnen?
Späth: Sie erwähnen mich gerade in einem Satz mit Uwe. Das spricht für sich, es macht mich stolz.
Und wie gehen Sie mit dem zunehmenden Rummel um?
Späth: Es ist cool, im Fokus zu stehen. Das gebe ich gerne zu. Denn es zeigt einem auch, dass man etwas richtig gemacht hat. Und es motiviert mich, weiter hart zu arbeiten. Aber ein Hype muss nicht immer gut sein. Denn wer in der Öffentlichkeit steht, wird auch kritisiert.
Sie haben das selbst zu Beginn der Olympischen Spiele auf Ihren Social-Media-Kanälen erlebt und haben sich darüber geärgert, dass Ihre Olympia-Nominierung infrage gestellt wurde.
Späth: Noch einmal würde ich vermutlich nicht so reagieren. Aber in dem Moment war ich sauer, einfach wütend. Und im Nachhinein ärgere ich mich über mich selbst, dass ich darauf überhaupt eingegangen bin. Doch in diesem Augenblick habe ich so gefühlt und daraus jetzt gelernt. Mir ist nun bewusst, dass es auch negative Meinungen über mich geben kann. Das akzeptiere ich, aber ich werde es mir in Zukunft nicht mehr zu Herzen nehmen, sondern werde versuchen, sowohl das Lob als auch die Kritik auszublenden und bei mir zu bleiben.
Was Ihnen anschließend schon im Olympia-Turnier sehr eindrucksvoll gelungen ist.
Späth: Ich sage es mal so: Ich bin sehr glücklich, dass ich noch zeigen durfte, dass meine Olympia-Nominierung gerechtfertigt war.
Von einem Kreuzbandriss abgesehen, ging es in Ihrer Karriere immer nur bergauf. Norden Ihre Eltern Sie immer wieder ein oder warum sind Sie so furchtbar geerdet?
Späth (lacht): Es ist nicht notwendig, dass mich irgendjemand zurück auf den Boden holt. Meine Eltern haben mich so erzogen, wie ich jetzt bin. Ich bin immer noch der David, den vor ein paar Jahren nur seine Freunde und seine Familie kannten. An meiner Persönlichkeit, an meinen Einstellungen und an meinen Werten hat sich nichts verändert. Ich bin bis zu diesem Punkt meiner Karriere bekommen, weil ich als Mensch so geblieben bin, wie ich immer war. Und damit bin ich nicht schlecht gefahren. Es gibt also keinen Grund, irgendetwas zu verändern.
Wenn Sie eine starke Leistung zeigen und 16 Bälle halten, sprechen Sie meistens nach dem Spiel davon, welche drei Bälle Sie auch noch hätten parieren müssen. Wann akzeptieren Sie ein Lob?
Späth: Sie müssen mich mal eine Stunde nach dem Spiel fragen und nicht immer direkt nach dem Abpfiff (lacht). Denn mit etwas Abstand kann ich durchaus zufrieden sein.
Was auch wichtig ist.
Späth: Ja. Denn bei allem Ehrgeiz und aller Selbstkritik gehört es auch dazu, ein Lob anzunehmen und zu akzeptieren, nicht jeden Ball halten zu können.
Womit wir bei Andreas Wolff wären. Irgendwann im Laufe seiner Karriere dachte Ihr Nationalmannschaftskollege, er müsse ohne Gegentor bleiben. An diesem Überehrgeiz wäre er fast gescheitert, ehe er einen Weg zurückgefunden hat. Haben Sie mit Ihm darüber gesprochen, damit Sie diesen Fehler nicht wiederholen?
Späth: Andi hat mir von seinen Erfahrungen berichtet und ich höre ihm unglaublich gerne zu. Er hat in seiner Karriere so viel erlebt und hat mir geraten, immer eine gewisse Lockerheit zu bewahren und nicht alles zu ernst zu nehmen. Andi hat mir erzählt, wie er gereift ist und wie er mit bestimmten Dingen umgeht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und trotzdem will ich Donnerstag gegen ihn gewinnen (lacht).
Er steht beim THW Kiel im Tor. Was sagen Sie zu seiner Rückkehr nach Deutschland?
Späth: Für die Bundesliga ist es super, dass Andi aus Polen zurückgekommen ist. Er ist ein Aushängeschild des deutschen Handballs, ein Gesicht unserer Sportart. Ich freue mich auf unser Duell am ersten Spieltag. Er ist sehr ehrgeizig. Ich aber auch.
Können die Löwen die enttäuschende vergangene Spielzeit einfach abschütteln?
Späth: Wir haben schon gezeigt, dass das möglich ist. Die Saison 21/22 war auch sehr schlecht, ein Jahr später wurden wir Pokalsieger und Bundesliga-Fünfter. Wir wissen also, dass wir sowas drehen können und was wir machen müssen.
Was müssen die Löwen denn machen?
Späth: Unseren Handball auf die Platte bringen. Also aggressiv verteidigen, mit Tempo nach vorne spielen, mit Glaube und Überzeugung auftreten, die Fans mit unserem Stil begeistern. Das ist ein bisschen verlorengegangen.
Welchen Eindruck macht Trainer Sebastian Hinze auf Sie? Der Druck ist nicht gerade klein.
Späth: Sebastian ist wie immer. Er hat einen genauen Plan, ist sehr zielstrebig und hin und wieder auch ein bisschen streng.
Streng?
Späth: Ja, aber das ist auch in Ordnung, wenn wir uns nicht an seinen Plan halten. Und was den Druck angeht: Den haben wir alle. Wir sind Leistungssportler, wir sind bei den Rhein-Neckar Löwen. Da gibt’s immer Druck.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Es geht um die Zukunft der Rhein-Neckar Löwen