Die Frage nach dem Ende des Zölibats könnte zur Zerreißprobe für die Katholische Kirche werden. Deutsche Bischöfe sind teilweise dafür – der Papst ist dagegen. Da stellt sich auch die Frage, wer das Gesetz gemacht hat? Jesus war es jedenfalls nicht.
Kein Sex, keine Kinder, keine Ehe – an der Frage des Zölibats entzündet sich in der Katholischen Kirche eine seit Jahren lauter werdende Diskussion. Dürfen sich Verheiratete in Deutschland zukünftig zu Priestern weihen lassen? So richtig deutlich äußern will sich von den ranghohen Geistlichen niemand. Und doch sind Tendenzen zu spüren, die auf einen deutlichen Veränderungswillen hindeuten. Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann druckste bei einer Pressekonerenz Anfang des Jahres recht lange herum, ehe er vor Journalisten sagte, dass es „wichtig ist, darüber nachdenken, ob dieser Pflichtzölibat wirklich aufrechterhalten bleiben sollte in der Kirche“. Freunde macht er sich mit solchen Sätzen bei den Kollegen Rainer Maria Woelki oder Rudolf Vorderholzer in den konservativeren Bistümern Köln oder Regensburg nicht.
Zölibat seit dem Jahr 1139
Dass überhaupt wieder vermehrt über die Ehelosigkeit von katholischen Priestern diskutiert wird, hat auch mit den Dimensionen des sexuellen Missbrauchs zu tun, der im Nachkriegsdeutschland stattgefunden hat. Das hat die im Jahr 2018 veröffentlichte große MHG-Studie gezeigt, die der Mannheimer Wissenschaftler Harald Dreßing (wir berichteten) initiiert hat. Wenngleich die Untersuchung gezeigt hat, dass es keinerlei Automatismus gibt, der ausdrücken würde, dass die zölibatäre Lebensform per se zu sexuellen Gewalthandlungen gegen Kinder und Jugendliche führen würde.
Schwerpunktthema Missbrauch & Gewalt
Dreßing hat in der Studie aber unter anderem festgestellt, dass die Priesteramtskandidaten keine ausreichende Vorbereitung auf das Zölibat in Form moderner sexualwissenschaftlicher Ausbildungsmodule erhalten. Heißt: Viele können gar nicht abschätzen, in welche Konflikte sie die zölibatäre Lebensform eines Tages bringen kann. Nach Dreßings Meinung hat der Philosoph und Jesuit Godehard Brüntrup zum Zölibat einen guten Satz geprägt, wonach die Mehrzahl der Kleriker das Zölibat zwar geschluckt, aber nicht verdaut habe.
Papst will es behalten
Menschen, die mit der Katholischen Kirche wenig zu tun haben, stellen sich oft die Frage: Warum gibt es dieses eherne, in der Geschichte jedoch oft gebrochene Gesetz der Ehelosigkeit überhaupt? Nur, weil der in der Bibel beschriebene Jesus auch ehelos gewesen ist? Explizit gefordert hat dieser Jesus ein Zölibat jedenfalls nicht. Allerdings wurden einige seiner biblischen Sätze in diese Richtung interpretiert.
Missbrauch & Gewalt
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- Sexualmoral und Missbrauch / Entwicklung der Kirchenaustritte
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Die Forderung „kein Sex für Priester“ wurde nach Darstellung von Forschern sinngemäß erst etwa 300 nach Christus auf einer Versammlung von Kirchenvertretern im spanischen Elvira laut. Damals beschlossen Priester und Bischöfe, dass christliche Geistliche ehelos sein sollen. Der christlichen Welt um Spanien herum war das jedoch weitgehend egal. Erst etwa 800 Jahre später änderte sich das. Unter Papst Innozenz II. beschloss man 1139 den Verzicht auf Ehe für christliche Priester in der ganzen Welt. Gehalten haben sich jedoch auch danach nicht alle an die neue Regel. Papst Innozenz VIII. soll am Ende des 15. Jahrhundert 16 Kinder gehabt haben – acht Buben und acht Mädchen. Bis in die heutige Zeit gibt es immer wieder Priester mit Nachwuchs und in Beziehungen.
Die Deutsche Bischofskonferenz vertritt nach außen hin die Position des Status quo. Auf Anfrage dieser Redaktion antwortet der Pressesprecher im Auftrag des Vorsitzenden Bischofs Georg Bätzing: „Wir halten das Zölibat für eine angemessene Lebensform, wenngleich er immer stärker in der Öffentlichkeit angefragt wird.“ Auf die Nachfrage, ob der Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust, den die Kirche derzeit erfährt, durch eine Abschaffung des Zölibats aufgefangen werden könnte, antwortet die Pressestelle, dass dies zu kurz gedacht sei. Die Kirche müsse glaubwürdig ihren Dienst ausüben.
Ohnehin ist es so, dass das Zölibat universalkirchlich gilt, Das bedeutet, eine Deutsche Bischofskonferenz hätte gar nicht die Autorität, das Zölibat aufzuheben. Dies kann der Papst allein oder ein Konzil – also die Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Papst – machen.
Von Papst Franziskus weiß man jedoch inzwischen sehr klar, dass er das Pflichtzölibat nicht in Frage stellen möchte. „Ich persönlich meine, dass das Zölibat ein Geschenk für die Kirche ist“, ließ er sich bereits im vergangenen Jahr zitieren. Die Reformer unter den deutschen Bischöfen und Priestern werden diesen Satz nicht gerne gehört haben.
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